»racewar« gegen Israel. Die süddeutsche Neonazi-Musik-Szene boomt
Hakan KreutzDie süddeutsche Neonazi-Musikszene boomt: »Our terrorist attacks will change the world«, kündigt die baden-württemberger Neonazi-Band »Race War« in einem Lied an – in einem anderen bejubelt sie den Terroranschlag vom »11. September« in New York. Die bayerische Neonazi-Skin-Combo »Fadenkreuz« fordert »live« dazu auf, »den Gegner« an die Wand zu stellen.
Auf Szene-Konzerten, die teilweise im Wochen-Rhythmus stattfinden, laufen immer mehr rechte Skinheads und Skingirls mit T-Shirts herum, die den Aufdruck der militanten Neonazi-Truppe »Combat 18« tragen. Ehemalige Mitglieder des Neonazi-Netzwerks »Blood & Honour« haben sich reorganisiert. Und obendrein gibt es zwei Rechtsanwälte in Baden-Württemberg, die Kontakte zur internationalen Skinhead-Musik-Szene pflegen.
Selbst der jüngst erschienene Jahres-Zwischenbericht des bayerischen Verfassungsschutzes offenbart, wie sich die Neonazi-Konzert-Szene in den vergangenen Monaten entwickelt hat, ohne dass die Öffentlichkeit etwas davon erfahren hätte: »Während im Jahr 2001 insgesamt vier Konzerte (2002: elf Konzerte) bekannt wurden, lag die Zahl der Musik-Veranstaltungen bis Ende Juni 2003 bereits bei 13 Konzerten. Davon fanden vier Konzerte im Zusammenhang mit NPD-Veranstaltungen statt.« Vor allem der ehemalige Pächter der Plattlinger Diskothek »Point« bescherte den Bayern eine ganze Reihe von rechten Skinhead-Konzerten. Als Veranstalter etablierte sich die so genannte »Point-Crew«, die auch nach dem Pächter-Wechsel als Konzert-Organisator aufgetreten ist – Anfang August in Jahrdorf nahe Passau. Konzert-Ort war wiederum eine Diskothek. Laut Szene-Berichten lockten die Bands White Anger, Fadenkreuz, Blitzkrieg, Tollschock und Nordwind 150 bis 200 Personen an.
Während es in Bayern fünf Skin-Bands gibt, die der Verfassungsschutz als rechtsextrem einstuft, zählten die Kollegen im Nachar-Bundesland Baden-Württemberg deren zwölf. Dennoch verzeichnete der »schwäbische Geheimdienst« im Jahr 2002 nur einen »leichten« Anstieg er Konzert-Zahl. Statt der zehn aus dem Vorjahr waren es elf – und das bei rückläufigen Besucher-Zahlen. Was nicht im Verfassungsschutz-Bericht erwähnt wird: Dass rechte Skins aus Baden-Württemberg im Elsass, in der Schweiz oder in benachbarten Bundesländern häufig einen großen Teil des Publikums gestellt haben. Von Juli bis September 2002 waren die Neonazi-Skins aus dem »Ländle« fast im Zwei-Wochen-Rhythmus unterwegs und das oft zu Hunderten. Damit haben sie zum allgemeinen Konzert-Boom beigetragen. Bundesweit stellte der Verfassungsschutz einen Anstieg der Konzerte um 40 Prozent fest. Die Behörde zählte »112 rechtsextremistische Musikveranstaltungen«.
In diesem Jahr zeichnet es sich ab, dass es in Süddeutschland und dem angrenzenden Ausland noch mehr Szene-Konzerte als im Vorjahr geben wird. Im März und April fand an jedem Samstag mindestens eines statt, zu dem rechte Skinheads aus Süddeutschland fuhren. Keines dieser Konzerte ist von der Polizei gestürmt worden, obwohl es bei den Gigs regelmäßig zu Straftaten kommt. Was bei den Konzerten abgeht, ist mitunter sogar »Kameraden« zuviel, wie sie in Internet-Foren schreiben. Die mit erhobenen Arm grüßenden und »Sieg Heil« schreienden »Kraken« sind nicht von jedem Skinhead gerne gesehen.
Besonders ungestört verlaufen die Szene-Konzerte in Frankreich. Wenn beispielsweise das so genannte »Elsass-Korps« einlädt, kommt es vor, dass sich nicht einmal ein Gendarm blicken lässt – zumindest nicht in Uniform. Dort können Bands wie »Race War« Lieder wie »Hail Blood & Honour« spielen und gegen Israel hetzen, ohne strafrechtliche Konsequenzen fürchten zu müssen. Trotzdem hat die Stuttgarter Staatsanwaltschaft die Vier-Mann-Kapelle aus Schwäbisch Gmünd inzwischen am Wickel. Im Mai durchsuchten Polizeibeamte die sechs Wohnungen der Band-Mitglieder. In dem Verfahren geht es um die CD »The White Race Will Prevail«, die mit SS-Mann beziehungsweise Hitler-Portrait auf dem Cover erschienen ist. Die Plattenfirma »Micetrap-Records« in den USA hat sie produziert – von dort aus und vom dänischen Versand »Celtic Moon« wird sie nach Deutschland vertrieben. In einer Presse-Mitteilung der Polizei hieß es, in den Liedern der CD werde zum Rassenhass, zur Wiedererrichtung nationalsozialistischer Strukturen und zur Kriegsführung aufgerufen.
Race War ist übrigens keine klassische RechtsRock Skin-Kapelle. Ein Teil der Musiker hat lange Haare. Ihr Stil ist zwar dem unter Skin-Bands verbreiteten »Hatecore« verwandt. Die Metal-Einflüsse sind bei Race War jedoch unverkennbar. Was die Musik angeht, hat die Skin-Szene im Süden immer weniger Berührungsängste mit Langhaarigen. Mitte Juli spielten die NS-Black-Metal-Kapellen »Totenburg« und »Wewelsburg« zusammen mit den Neonazi-Bands »Jungsturm« und »Mosphit« im Mannheimer Heim des Motorradclubs »Bandidos«. Es war das vierte Szene-Konzert innerhalb von zwölf Monaten bei den Rockern. Nach dem zweiten hatte der Landes-Innenminister gegenüber der SPD-Landtagsfraktion erklärt, die Polizei habe mit den »Bandidos« gesprochen. Die Verantwortlichen des Clubs hätten zugesichert, ihr Haus nicht mehr für derartige Konzerte zur Verfügung zu stellen. Keine zwei Wochen später folgte das nächste – eine »Hochzeitsfeier«, wie die Polizei später gegenüber Journalisten erklärte. Mobilisiert hatte die Szene jedoch zu einem Konzert, zu dem – wie gewohnt – Schleuser an einem konspirativen Treffpunkt den Weg wiesen.
Christian »Hehli« Hehl, der für die NPD in Ludwigshafen als Bundestags-Kandidat angetreten ist, hat im November bei der Konzert-Organisation im Rockerheim federführend mitgemischt. Der Innenminister teilte der SPD-Landtagsfraktion mit: »Im Rahmen der durchgeführten polizeilichen Überwachungsmaßnahmen konnten keine strafrechtlich relevanten Sachverhalte festgestellt werden.« Wie auch? Die Mannheimer Polizei hat sich bei dem Gig einsatztaktisch derart zurückgehalten, dass die Beamten nicht einmal sagen konnten, ob überhaupt Bands gespielt haben.
Auch im Pforzheimer Raum hat ein Motorradclub im vergangenen Jahr ein Konzert organisiert, das von rechten Skinheads besucht wurde. Die Rocker vom »Gremium« hatten die Hool-Band »Kategorie C« engagiert. Am selben Tag war das »Hammerfest Europe« in der Schweiz: am 10. August 2002. Mehr als 1000 Personen aus der rechten Skin-Szene liefen bei der international operierenden Skinhead-Bruderschaft in den Bergen nahe Zürich ein. Es spielte unter anderem die Band »Noie Werte« aus Deutschland – die dienstälteste rechte Skin-Kapelle Baden-Württembergs. Sie existiert seit Ende der 80er-Jahre. Ihr Sänger Steffen Hammer ist Rechtsanwalt in Reutlingen. Er pflegt wie der Stuttgarter Rechtsanwalt und Ultima-Ratio-Sänger Alexander Heinig Kontakte zur internationalen Neonazi-Musikszene. Das Landesamt für Verfassungsschutz stuft beide Bands als rechtsextremistisch ein.
Im Juli 2003 kam die zweite CD des Band-Projekts »Exxtrem« auf dem Markt. Sänger ist wiederum Steffen Hammer. Die Musiker kommen unter anderem aus Australien, wo die Scheibe auch aufgenommen wurde. Hammer arbeitet seit Jahren mit Szene-Musikern aus anderen Ländern zusammen. Aus der Kooperation resultierten unter anderem CDs mit dem Titel »German-British-Friendship«. Denselben Namen trägt ein Label, das Hammer zusammen mit Noie-Werte-Gitarrist Oliver Hilburger betreibt. Trotz eigener Firma kam die CD allerdings bei einem der größten Szene-Versände in Deutschland heraus: beim Grevesmühler V7-Versand.
Rechtsanwalt Heinig kannte nach eigenen Angaben den Skrewdriver-Sänger Ian Stuart Donaldson, der als Gründer von »Blood & Honour« gilt und seit seinem Tod als Kultfigur verehrt wird. Im Interview mit einem Szene-Heft sagte Alexander Heinig: »Er war der beeindruckendste Mensch, der mir begegnet ist.« Auch nach dem B&H-Verbot in Deutschland hat der Jurist offenbar die Verbindung zu dem internationalen Netzwerk gehalten. Im Januar dieses Jahres trat er mit seiner Band »Ultima Ratio« bei »Blood & Honour Midgard« auf. 1
In diesem Sommer ist eine neue CD von »Ultima Ratio« erschienen - obwohl die Band keinen Schlagzeuger hat. »Propaganda«-Drummer Gerhard Mangold hilft einem Heinig-Interview zur Folge aus. »Propaganda« kommt laut Verfassungsschutz aus Horb in Baden-Württemberg. Die Band gehört zu den ganz wenigen in der Szene, in denen eine Frau mitspielt. Auf der neuen CD »Furchtlos und Treu« darf die Gitarristin sogar mitsingen.
»Furchtlos und Treu« (F&T) heißt auch eine rechte Skinhead-Organisation aus dem Raum Heilbronn, die nach eigenen Angaben Sektionen in Baden und Kroatien unterhält. 2 Auf ihrer »Heimatseite im Weltnetz« heißt es: »Die ehemaligen Mitglieder der B&H-Sektion Württemberg und die Kameraden von ,White Youth’ Württemberg schlossen sich zusammen zu ,Furchtlos und Treu’ Württemberg.« Trotzdem will die Gruppierung keine Nachfolge-Organisation von »Blood & Honour« sein – weil sie sich noch vor dem Verbot der B&H-Division Deutschland gegründet habe. »Furchtlos und Treu« hatte sich als Party-Veranstalter etabliert, ehe Anfang des Jahres das Clubhaus der rechten Skinheads – eine umgebaute Feldscheuer nahe Heilbronn – abgebrannt ist. Die Brand-Ursache blieb ungeklärt. Ein anderer Ex-B&H-Mann ist im Karlsruher Raum aktiv geblieben. Hartwin Kalmus, der laut Verfassungsschutz früher Vize der B&H-Sektion Baden war, betreibt den Szene-Versand Ragnarök-Records mit Postfach in Karlsruhe und hat wiederholt zu rechten Skinhead-Konzerten mobilisiert, wie Szene-Angehörige berichten. Er macht also genau das, was früher »Blood & Honour« erledigt hat.
Die Konzert-Organisatoren im Süden sind derart aktiv, dass teilweise mehrere Konzerte am selben Tag stattfinden. Ende Oktober vergangenen Jahres gab es beispielsweise zeitgleich Konzerte im Raum Aschaffenburg, bei Ludwigshafen und im Elsass. Hinzu kommen Groß-Ereignisse wie das Hammerfest 2002, die Tour-Konzerte mehrerer US-Bands im Elsass und in Österreich sowie das diesjährige Hitler-Gedenkkonzert vom 19. auf den 20. April im Elsass, wo jeweils mehr als 1000 Personen aus der Skinhead-Szene angereisten.
Die Polizei hat sich teilweise bemüht, einschlägige Konzerte zu verhindern. So musste die Skin-Organisation »White Unity« im Juni mit einem Konzert nach Mömlingen bei Aschaffenburg ausweichen, nachdem die AntifaschistInnen den ursprünglich geplantem Ort im Vorfeld öffentlich gemacht hatten. Das berichteten anschließend Skinheads, die sich nach einer Anreise-Odyssee auch noch mit einer schlechten Musik-Anlage zufrieden geben mussten. Und im April hat die baden-württemberger Polizei im Raum Ravensburg einen Gig vereitelt. Das kostete die rechten Skinheads (Sprit-) Geld – sie fuhren am fraglichen Tag eben etwas weiter, ins Elsaß, wo knapp zehn Bands auftraten – unter anderem »Race War«.
- 1Sicherheitsbehörden rechneten der Band "Ultima Ratio neben Alexander Heinig auch Markus Wagner und Alexander Zinn von der früheren Blood & Honour Sektion Württemberg zu.
- 2Anmerkung d. Redaktion: In Hoyerswerda (Sachsen) sollte eine F&T Sektion Schlesien existieren. Als F&T - Führungsperson in Baden Württemberg galt Markus Frntic.