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Modisches Archaikum

Einleitung

Mit dem Stich unter die Haut zurück vor die Moderne

Bei Tattoos und extremer Rechter denkt man an rechte Rocker, an gestochene Hakenkreuze, Wikinger und Keltenkreuze, eine Verbindung zur sog. »Neuen Rechten«, einer intellektuellen Strömung innerhalb der extremen Rechten ist schwer vorstellbar. Als eine der wenigen innovativen Personen dieses Teils der extremen Rechten ist seit über 10 Jahren Stefan Björn Ulbrich aus dem thüringischen Engerda aktiv. Er versucht, über zeitgemäße Modetrends den Weg zurück zu weisen, dabei zielt er mal auf die Rollenspieler-Szene, mal auf die Esoterik oder auf das Neuheidentum. Er ist es auch, der als Mitherausgeber ideologiegeschwängerter Tattoo-Bücher hier ein neues Wirkungsfeld gefunden hat. Dieses Wirken ist scheinbar auf fruchtbaren Boden gefallen, erschien dieser Tage doch schon die dritte Auflage seines »Tribal Tattoo«-Buches und die zweite Auflage des Buches »Alles über Tattoos – Von der Motivwahl bis zur fertigen Tätowierung«, welches er zusammen mit dem renommierten »Tätowier Magazin« herausgab. Dieses Buch schafft die Brücke zwischen der Tattoo-Szene und Ulbrichs politischen Motiven.

Entwurzelung in der Moderne

»In einer entwurzelten Gesellschaft, die uns mit ihren deformierten sozialen Systemen versichert, alles was wir tun sei ungefährlich und sicher, hat es der einzelne Mensch immer schwerer, sich wirklich Bedeutung zu verschaffen«, analysieren die Herausgeber des Buches Tribal Tattoo Igor Warneck und Björn Ulbrich die Lage der Gesellschaft. Dass sie von einer »entwurzelten Gesellschaft« schreiben, entlarvt jedoch schon in der Einleitung ihr Denken, wie soll eine Gesellschaft entwurzelt werden? Die These von der Entwurzelung ist ein Ideologiefragment des völkischen Den­­kens, geht sie doch davon aus, dass Völker, die hier zwar nicht genannt, in dieser Logik wohl jedoch gedacht werden, fest mit dem Boden und dem kulturellem Umraum verwurzelt und dadurch geprägt sind. Eine antiquierte Denkweise, die jedoch die Basis für die Autoren bildet. Diese beklagen, das in unserer »gleichmacherischen, aber trotzdem kompliziert-unübersichtlichen Zivilisation« der Kontakt »mit tausend Jahren traditioneller Entwicklung« verloren gegangen ist und behaupten, »sie fühlen sich so, als wären sie gestern geboren ohne Tradition, ohne Ge­schich­te«. Haupt-Kritikpunkte bilden der Gleichheitsgedanke, den die extre­me Rechte seit eh und je bekämpft und die Zivilisation, die von einer als »natürlich« deklarierten Stam­mes­gesellschaft ersetzt werden soll. Ausdruck dieser angeblichen Verunsicherung und Entwurzelung ist der Rückgriff auf den »Modernen Primitivismus«, das in Modekommen von sog. Tribals, also alten oder vermeintlich alten Symbolen als Tattoo-Motiven.

Zwar konstatieren die Autoren, dass Menschen sich heute zumeist aus ästhetischen Motiven solche Tribals tätowieren lassen, fragen jedoch gleich rhetorisch: »Doch kann dieser Ursprung, dieser Tribe, eigentlich verloren gehen? Besteht er nicht für immer...« Die Autoren wittern die Chance, Menschen die sich für Tribals interessieren, und sei es auch nur aus ästhetischen Gründen, mit völkischen Gedanken aufzuladen, denn das ist für sie als nicht Tätowierte, wie sie selbst bekennen, ihre Verbindung zum Thema: »nämlich die Suche nach dem Stammesleben in unserer heutigen Zeit.« Auch welche Werte es sind, die Ulbrich und Warneck an diesen Urkulturen faszinieren »gesellschaftlicher Status, Tapferkeit, Zeugungskraft, Stärke.« Was hier benannt ist, nannte man früher Heldentum, Sozialdarwinismus, Männlichkeitskult und Führergesellschaft, nur dass hier die Begriffe etwas der Zeit und dem Verständnis der Leser angepaßt wurden. Danach wird ein Hohelied auf die Stammeskulturen dieser Welt von Neuseeland über Borneo, Samoa, Japan und China bis nach »Nordland« gesungen. Eine kritische Reflexion findet dabei nicht statt. Nur am Rande wird erwähnt, dass z.B. bei den Maoris Gesichtstattoos den familiären und sozialen Status repräsentierten und nur die »Sklaven und niederen Stammesangehörigen« nicht tätowiert waren. Eine Kritik einer solchen gesell­schaftlichen Formierung und Reglementierung sucht man vergebens. In einer Logik, in der eine solche als »archaisch« und somit angeblich nicht von der Moderne entfremdete, sondern ursprüngliche und gute Gesellschaft gesehen wird, auch nicht zu erwarten.

Alles über Tattoos – Die Brücke zur Szene

Tattoos sind in Mode, die Bahnhofskioske bieten gleich eine ganze Handvoll Magazine zum Thema an, regelmäßig finden große Treffen statt. An diese Szene dockt Ulbrich mit der Veröffentlichung »Alles über Tattoos« von Gabriele Hofmann an. Der »Praxisratgeber« ist in Zusammenarbeit mit dem »Tätowier Magazin« erschienen, welches mit seiner Druck-Auflage von 34.560 Exemplaren eine weite Verbreitung des Buches garantiert. Das Buch hat keinen rechen Inhalt, sondern bietet Tipps zur Motivwahl, der Pflege und Anfertigung der Tattoos und ein Branchenverzeichnis. Mit seinem DIN A4 Format und dem 4 Farbdruck ein attraktives Buch, also ein praktisches Einsteigerwerk, mit dem Ulbrich der Einstieg in die Szene gelungen ist.

Stefan Björn Ulbrich und der Arun-Verlag

Ulbrichs politische Sozialisation be­gann in der extrem rechten und mittlerweile verbotenen Wiking-Jugend (WJ), wo er bis zum Horstführer aufstieg. Da ihm die WJ zu altbacken war, wechselte er zur sog. »Neuen Rechten«, ins Umfeld des Thule Seminars, ab 1991 arbeitete er als Redakteur im Ressort Politik der Jungen Freiheit. 1989 gründete er den Arun Verlag, der heute seinen Sitz im thüringischen Engerda hat. Dort veröffentlichte er seine eigenen Werke wie »Gedanken zu Großdeutschland« (1990) oder „Multikultopia – Gedanken zur multikulturellen Gesellschaft« (1991). Zum Verlagsprogramm gehören desweiteren »neurechte« Autoren wie z.B. Sigrid Hunke (Das Nachkommunistische Manifest) oder Claus M. Wolfschlag (Hitlers rechte Gegner).

Spezialisiert ist der Verlag jedoch auf (rechte) heidnisch-esoterische Literatur, so die Neuauflage von »Revolte gegen die moderne Welt«, des italienischen Faschismustheoretikers Julius Evola und diverse Veröffentlichungen zu den Mystikern der SS Otto Rahn und Karl Maria Willigut. Ergänzt wird das Programm durch alles, was irgendwie vermeintlich nicht durch die Moderne verfälscht wurde, also Indianer, weise Frauen, Kelten, etc. Der Umsatz des Arun Verlag beträgt jährlich etwa 450.000 Euro. Einer­­seits, um noch mehr Geld zu verdienen, andererseits, um seinen Einfluß zu erweitern gründete Ulbrich 1996 den Gaja Versand, dessen Angebot auf die Esoterik-Szene abzielt. Ulbrich ist dynamisch und immer auf der Suche nach neuen Bereichen in denen er seine Ablehnung der Moderne vermitteln kann. So erschien im Arun Verlag ein Buch zu Piercing, in dem Ulbrich ebenfalls einen Ausdruck der Sehnsucht nach dem Ursprünglichen sieht.

Gefährliche Dynamik 

Einen neuen Nationalsozialismus be­schwört Ul­brich nicht, seine Gesellschaftsvorstellungen sind jedoch zu­tiefst antihumanistisch und antidemokratisch. Da er nicht mit der Hakenkreuzfahne in der Hand durch die Lande zieht, sondern die Versatzstücke seiner Ideologie eher an Modethemen ankoppelt, erreicht er ein weitaus breiteres Publikum. Dass er bis heute immer noch in der extremen Rechten verankert ist, ist dazu kein Widerspruch, sondern Programm. Eher als Versehen dürfte dagegen die Mitautorenschaft des Neonazis Veit Kelterborn, RechtsRock-Barde und Betreiber des Tattoostudios »Mystic Art Tattoo« in Rudolstadt zu werten sein, denn den Stallgeruch des Neonazismus läßt Ulrich gerne hinter sich.