Tattoos und mehr – Über Outlaws, Insider und Modetrends
Über Jahrzehnte galt das Tragen von Tätowierungen in Europa als Zeichen für Kriminalität und Devianz. Tatsächlich fanden sie sich vor allem bei den »Outlaws«, womit nicht Verbrecher gemeint sind, sondern Menschen jenseits enger bürgerlicher Vorstellungen. Tattoos trugen Fahrende Gesellen, Seeleute und Gefängnisinsassen. Etwas von dieser Exklusivität und der Abgrenzung vom »Normalen« haben sie auch heute noch. Dies kommt zum Ausdruck, wenn zum Beispiel die RechtsRock-Band Knock-Out auf ihrem neuen Album singt »Ich bin tätowiert – mein Leben lang markiert. Für immer involviert bei den Außenseitern. Nicht akzeptiert – von der Gesellschaft isoliert. Steh ich im Abseits und scheiß auf eure Welt – die mir eh nicht gefällt.« Man stilisiert sich selbst zum Outlaw.
Tatsächlich sind Tattoos heute aber in weiten Kreisen, gerade unter jungen Leuten, gesellschaftsfähig, ein modisches Accessoire. Und so findet sich in den Regalen der Bahnhofsbuchhandlungen gleich ein ganzes Sortiment farbiger Tattoo-Magazine. Das hat jedoch nicht dazu geführt, dass die Tätowierungen in ihren klassischen Bereichen an Bedeutung verloren haben. Noch immer sind sie Zeichen von Zugehörigkeit, Abgrenzung, politischer Orientierung und Teil der Identität ihrer zumeist männlichen Träger.
Auch im politischen Bereich haben Tattoos eine lange Tradition, man denke nur an die Blutgruppentätowierungen der SS-Männer oder die unter Zwang eingestochenen Häftlingsnummern der KZ-Insassen. Heute haben Tattoos gerade in der subkulturell codierten Szene der rechten Skinheads bzw. des RechtsRock eine hohe Bedeutung. Der Boom der modischen Tattoos ermöglicht es Aktivisten aus der extremen Rechten, ihre Motive und ihr Handwerk einem größeren Publikum zu präsentieren. Ökonomisch wichtige Strukturen in Form eigener Studios werden aufgebaut. Diese entwickeln sich darüber hinaus nicht selten zu Treffpunkten der lokalen Szene. Und solche Studios ermöglichen den Kontakt zu vielen Menschen, bei denen sie durch ihre handwerklichen Fähigkeiten Anerkennung finden und die sie dann auch mit ihren politischen Ansichten agitieren können. In diesem Artikel wollen wir der Funktion und der Bedeutung der Tattoos für die extreme Rechte und deren Agieren im öffentlichen Raum nachgehen.
Wer, Wie, Was
Tattoos und mehr...
(4 Fotos)Woher kommt der Name, was sind Tattoos, welche Geschichte und Bedeutung haben sie? Dass Tattoos Bilder oder Schriftzüge sind, die mittels unter die Haut eingebrachter Farbe entstehen, ist allgemein bekannt. Schon bei der Herkunft des Namens und der Schreibweise herrscht Uneinigkeit. Zumeist wird die Herkunft der Tattoos durch exotisch-archaisch anmutende Bilder der Südsee oder anderen »Stammeskulturen« zugeordnet. Historisch falsch, da sich Tattoos bei Funden weltweit nachweisen lassen, auch in hiesigen Gefilden. Hier sei nur darauf verwiesen, dass auch der »Ötzi« tätowiert war.
Die Tattoos als archaische Stammes-Symbole zu beschreiben, lädt diese jedoch in der modernen Industriegesellschaft mystisch auf und vergrößert die Distanz zum Leben hier und jetzt, erhöht also die Exklusivität der Tattoos. Auch die Herkunft des Begriffs »Tattoo« wird einerseits in Polynesien vermutet, andererseits als aus der englischen Militärsprache entlehnt. So mystisch verklärt Tattoos sind, so haben sie doch eine klare Funktion.
Auf ewig zusammen
Bekannt sind Liebesschwüre, die unter die Haut gestochen oftmals die Liebesbeziehungen überdauern. Zu den Eigenschaften, welche Tattoos ihren besonderen Reiz geben, gehört aber eben ihr dauerhafter Charakter. Tattoos entfernen zu lassen ist schwierig und teuer, lange Zeit war es nahezu unmöglich. Daher ist eine Tätowierung so etwas wie ein »Bekenntnis fürs Leben«. Tätowierungen eignen sich daher gerade dort, wo ein besonders enger und dauerhafter Zusammenhalt dargestellt werden soll, oder eine extreme Bindung zum Ausdruck gebracht werden soll.
Historisch ist dieses im politischen Kontext in der SS zu finden, deren Mitglieder ihre Blutgruppe unter die Arme gestochen bekamen. Dieses war nicht vor allem ein Hilfsmittel, um für eine schnelle medizinische Versorgung zu sorgen, sondern ein unauslöschliches Erkennungszeichen und Bekenntnis. Die grausamste Form als Zeichen von Unterdrückung und Entmenschlichung war es, den KZ-Gefangenen Zahlen einzutätowieren und ihnen mittels dieser Körperverletzung klar zu machen, dass sie nicht mehr über den eigenen Körper verfügen und für die faschistischen Machthaber nur eine Nummer darstellen.
Mitgliedschaften müssen besiegelt werden, ein nicht zu leugnendes Zeichen, also eine Tätowierung ist gerade bei informellen Gruppen wie bei Rockern aber auch bei politischen Untergrundgruppen eine gute Möglichkeit hierfür. Im Rahmen des Prozesses gegen die zum Blood & Honour Umfeld gehörende Gruppe Combat 18 Pinneberg wurde öffentlich, dass auch deren Mitglieder eine einheitliche Tätowierung, eine schwarze Billardkugel mit einer 28 trugen.
Probleme traten erst auf, als eines der Mitglieder sich zurückzog. Prompt bekam er Besuch, der ihm klar machte, dass eine solche Tätowierung zu verschwinden habe. Häufiger finden sich Tattoos bei informellen Cliquen, wie z.B. bei der »24 Road Crew«, einer Clique rund um die aus dem Rheinland stammende RechtsRock-Band Barking Dogs. Die Mitglieder der Road Crew haben alle eine annähernd gleiche Tätowierung. Die Band widmete der Crew das Lied »Tattooed Rebels«. Gerade bei Skinheads und im RechtsRock finden sich heutzutage die meisten politischen Tätowierungen.
Politische Botschaften die unter die Haut gehen
Politische Botschaften wurden mittels Tätowierungen schon seit der Französischen Revolution übermittelt, als sich Revolutionäre egalisierende und zugleich das revolutionäre Bekenntnis ausdrückende Symbole als Tattoos einstechen ließen. Große Verbreitung fanden Tattoos mit politischen Botschaften erst mit dem Aufkommen der proletarischen Skinheadbewegung in England Ende der 70er Jahre. Bei den sich selbst als »Underdogs« verstehenden Skinheads dieser Zeit gehörten Tattoos zum Lebensgefühl, dem »Way of Life«. War diese Bewegung in den ersten Jahren politisch diffus, so orientierten sich ab Anfang der 80er Jahre Großteile der Skinheads sowohl in England als auch auf dem Kontinent nach rechts. Tätowierungen gehörten aber immer noch zum Selbstverständnis.
»Tätowiert und Kahlgeschoren« lautet der Titel des Debütalbums der RechtsRockband »Body Checks«, »Die Glatze poliert Du bist dreckig, kahl und hundsgemein. Und bist oben an den Schultern tätowiert Gehaßt und gejagt, und trotzdem voller Stolz« sang Störkraft »Dein Schädel ist geschoren, deine Arme tätowiert, so gehst du in die Kneipe, was immer auch passiert« formulierte es Reichssturm, »Kahlgeschoren und Tätowiert. Der Niederrhein wird tyrannisiert« sang Division Germania, »Rechtsrocker sind die Macht, kahl geschoren und tätowiert« gröhlte Oidoxie. Tätowierungen gehören einfach dazu.
Der stigmatisierenden Wirkung war man sich jedoch auch damals schon bewusst. »Egal was man auch tut, kahlrasiert und tätowiert, heißt für sie assozial« formulierte Störkraft, »Für euch sind Skinheads nur Mörder, tätowiert und radikal« die Vollstrecker. Eine jedoch bewusst in Kauf genommene Selbststigmatisierung, die Bekenntnis-Charakter besitzt und nur all zu oft die Realität trifft. »In keiner anderen Jugendszene sind Tätowierungen so selbstverständlicher Bestandteil des Alltags, in Liedern und im ganzen Auftreten« stellt Erik Meisterhoff 2001 im Vorwort des von ihm zusammen mit dem Ex-Blood&Honour-Aktivisten Bernd Peruch herausgegebenen ersten von zwei Tattoobüchern fest.
Oi – The Tattoobook
Betrachtet man die beiden Büchlein, so ergibt sich ein erster Einblick in die Motive, welche sich Rechte unter die Haut stechen lassen, sie ermöglichen auch einen ersten Blick auf jene, die hinter den Tätowiermaschinen stehen, also die Tätowierer und ihre Struktur.
Betrachtet man die in den Büchern abgebildeten Motive, so ergeben sich einige Schwerpunkte. Neben klassischen Motiven wie Drachen, Teufeln oder Spinnennetzen findet man in den Büchern vor allem klassische Skinheadmotive, also den Crucified Skinhead, Motive aus dem Kultfilm Clockwork Orange oder Stiefel. Teilweise sind diese durch Zugabe von Symbolen eindeutig zu verorten, so durch Keltenkreuze, schwarz-weiß-rote Fahnen oder Ähnliches. Die Symbole, von der White Power-Faust über die Schwarze Sonne, die Irminsul bis zum Thorshammer bilden einen weiteren Schwerpunkt.
Ebenfalls häufig zu finden sind heidnische Motive oder Wikinger, oftmals kämpfend und drohend dargestellt. Zu den wohl häufigsten Motiven aus dem RechtsRock gehören Abbildungen des Skrewdriver-Sängers Ian Stuart. Er findet sich fast ebenso häufig wie unterschiedlichste Motive aus dem Formenkreis der Nazi-Wehrmacht. Daneben finden sich noch einige modische Tribals und Motive, welche von der Gestaltung her in die Hard Core-Szene gehören, was nicht weiter überrascht, hat sich doch auch hier eine größere rechte Anhängerschaft entwickelt. Verbotene Motive wie Hakenkreuze finden sich in dem Buch aus verständlichen Gründen nicht, wer sich jedoch mal einen Neonaziaufmarsch im Sommer aus der Nähe anschaut, der wird einige abgeklebte Tätowierungen sehen, bei denen sich unter den Pflastern verbotene Symbole befinden. Auch diese bringen manches Mal unerwarteten Ärger mit sich, und zwar nicht nur juristischen. So berichtet der inzwischen angeblich ausgestiegene Neonazi Michael Bar, dass ihm in der Haft ein tätowiertes Hakenkreuz von Mithäftlingen mittels eines Tauchsieders weggebrannt wurde.
Die Aktivisten
»Get yourself tattooed« heißt ein RechtsRock-Song von Ken Mc Lellan und Stigger, welcher die damalige Praxis in der Szene wiedergibt. In den 80er Jahren standen in der Szene keine professionellen Tätowierer zur Verfügung und so griff man selbst zur Nadel. Die Ergebnisse waren bescheiden. In den letzten Jahren hat sich das verändert. Einige rechte Tätowierer haben sich professionalisiert und eigene Studios eröffnet. Diese sind teilweise zu Kristallisationspunkten der rechten Szene geworden.
Letzte Zuflucht
Als bundesweites Beispiel zur Überschneidung von Nazi- und Tattoo-Szene sei hier das Hildesheimer »Last Resort« Tattoostudio angeführt. Das von Johannes ("Hannes") Knoch geführte Studio gehörte im April 2002 zu den durchsuchten Objekten bei den bundesweiten Razzien wegen der Weiterführung von Blood & Honour (B&H). Betrachtet man im Internet die Galerie, findet man sowohl heidnische Wikingermotive, aber auch Wehrmachtssoldaten oder ein Ian Stuart-Bild. Sie zeigen, was hier für die rechte Lebenswelt produziert wird.
Dark Image
Das Tattoo-Studio in Rinteln ist mit einigen Bildern in den Tattoo-Books vertreten. Das B&H-Tattoo, das dem Sänger der B&H-Band Nemesis gestochen wurde, ist bis heute im Internet zu sehen. Die Website des Studios ist inzwischen auf Marco Martin, den Betreiber des rechten Black-Metal Labels Christhunt, angemeldet. Frank vom »Dark Image« Studio gehört nicht zuletzt durch seine offen neo-nazistischen Motive zu den auffälligsten abgebildeten »Künstlern«.
Dark Sun
Das Dark Sun Tattoo Studio in Nottuln bei Coesfeld wird von Dylan Briggs betrieben. Lassen sich auf der »Dark Sun« Homepage noch dezente Kostproben von Dylans Talent finden, so finden sich im »Oi ! – The Tattoobook« die politisch eindeutig rechten Motive.
Tattoo-Digger
Sowohl mit einer Werbung für sein seit 1993 bestehendes Studio in Halberstadt als auch mit einer ganzen Reihe von Tattoos ist Digger, alias Olaf Dankworth im »OI ! – The Tattoobook« präsent. Mal ist von ihm ein Landser-Symbol abgebildet, mal ein Wikinger, mal ein Skrewdriver-Emblem. Digger weiß, wo er seine Kunden findet, so fand sich Werbung für sein Studio z.B. auf der CD der RechtsRockband »Skinheads Sachsen Anhalt«. Scheinbar erfolgreich, Ableger entstanden in Wernigerode und Aschersleben.
Mystic Art Tattoo
Nicht besonders auffällig sind die im Buch abgebildeten Tattoos von Veit, welcher jedoch nicht aus Zufall in diesem Kontext auftaucht. Veit Kelterborn ist ein Liedermacher der rechten Szene, welcher auch überregional bekannt ist. Veit Kelterborn soll u.a. für die thüringische RechtsRock-Band "Volksverhetzer" auf der CD "Unsere Einigkeit bringt uns zur Macht" mitgewirkt haben. In diesem Zusammenhang soll es im April 1998 zu einer Durchsuchung bei Kelterborn gekommen sein. Er betreibt ein Tattoo-Studio in Rudolstadt. Dieses ist nach außen hin unauffällig, in seiner Galerie finden sich keine rechten Motive.
Mückes-Tattoo
In der rechten Szene ebenfalls bekannt und im Tattoo-Buch vertreten ist Mückes Tattoo und Piercing Studio in Chemnitz. Hinter der »Art of Lars M.« verbirgt sich Lars Mücke, dessen Website gleich zeigt, was die Kunden oder der Betreiber neben den Tattoos noch schätzen, ein Link führt zum RechtsRock-Label Backstreetnoise.
Neben diesen durch ihre im »OI ! –The Tattoobook« abgebildeten Arbeiten bekannten Studios gibt es allerdings auch noch unzählige andere, die zur rechten Szene gezählt werden müssen, oder die zumindest Tattoos mit einem rechten Hintergrund anfertigen. Diese sollen in den nächsten Ausgaben auch noch dargestellt werden. Das Problem mit rechten Tattoos lässt sich aber nicht nur auf einen kleinen Kreis an Studios begrenzen, sondern verbreitert sich zusehends weit über den Bereich der extremen Rechten hinaus.
Rechts wird Mode – Tattoos auch
Die Tätowierer-Szene, welche noch vor einigen Jahren fest in der Hand diverser Rockergruppen war, ist breiter und diffuser geworden. Zudem hat auch die Akzeptanz rechter Motive zugenommen. Beispielhaft lässt sich die mangelnde Abgrenzung an einem Interview im Tätowiermagazin verdeutlichen.
Ende 2005 stellte das Tätowiermagazin, eine der großen, bundesweit vertriebenen Zeitschriften in dieser Sparte, den Tätowierer Marcel Datz, genannt Datzmann, unter dem Motto »a Tattoo Star is born« vor. Datz, der ein Studio in Reichenbach betreibt, gehört inzwischen zu den bekanntesten grau-schwarz Tätowierern Deutschlands und gewann eine ganze Reihe von Auszeichnungen. Auf seinem Hals trägt er das Kürzel WAW, für »Weißer arischer Widerstand« eingestochen. Der Autor thematisiert dieses auf Wunsch der Redaktion. Datz sagt dazu: »ich bin Skinhead und Nationalist und bekenne mich zu meiner nationalen Einstellung. Das sollen die Leute ruhig wissen. Aber ich gehe damit niemandem auf den Sack.« Der Autor stellt sich selbst die Frage »Macht sie (die nationale Einstellung, d.A.) seine Tattoos schlechter? Sollte man ihn wegen seiner politischen Gesinnung schief ansehen, gar ächten?« und beantwortet diese mit »Ich meine, Nein, obwohl ich rechtsradikales Gedankengut für dumm und gefährlich halte.«
Durch die Trennung zwischen den Tattoos und den vertretenen Inhalten lässt sich der Künstler Datzmann feiern, während man den Neonazi Datzmann einfach ignoriert. Datzmann ist kein Einzelfall, immer wieder finden sich in den Tätowiermagazinen, die in den Bahnhofskiosken zu kaufen sind, Fotos mit eindeutig rechten Motiven oder Werbung für deren Studios. Ein Problembewusstsein muss hier scheinbar erst noch hergestellt werden.
Gänsehaut
Betrachtet man die Entwicklung innerhalb der Tätowier-Szene, so ist festzustellen, dass eine ganze Reihe rechter Tattoo-Studios gegründet wurden. Teils mit offen rechtem Hintergrund und somit vor allem für die engeren Szenekreise interessant, teils unauffällig »normal« wirkend, was dazu führt, dass diese auch von an modischen Tattoos interessierten aufgesucht werden. Die Zahl und die Bedeutung der rechten Tattoo-Studios kann zur Zeit von uns noch nicht eingeschätzt werden.