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Bundeswehr zieht Trennungsstrich zum VdS

Einleitung

Da war der Schreck groß beim Bundesvorstand des Verbands deutscher Soldaten (VdS). Mitte März erreichte ihn ein Schreiben des Führungsstabes der Bundeswehr, in dem der VdS davon in Kenntnis gesetzt wurde, dass »mit sofortiger Wirkung alle dienstlichen Kontakte der Bundeswehr zum VdS und seinen Unterorganisationen eingestellt« werden. Hintergrund der Entscheidung ist die Veröffentlichung von Beiträgen von Richard Tedor im Verbandsblatt »Soldat im Volk«. Tedor ist stellvertretender Vorsitzender der Nationalsozialistischen Partei Amerikas (NSPA).

Der Verband deutscher Soldaten (VdS) ist einer der seit über 50 Jahren bestehenden bundesweit organisierten Traditionsverbände von Wehr­machts­soldaten. In der ursprünglichen Satzung bezeichnete sich der VdS als »Organisation zur Wahrung und Förderung kameradschaftlicher, rechtlicher und ideeller Anliegen aller Angehörigen der ehemaligen Wehr­macht einschließlich der Waffen-SS, der deutschen Bundeswehr und ihrer Hinterbliebenen. In der aktuellen Satzung ist vom »Eintreten für Recht und Freiheit in Treue zum deutschen Vaterland«, der »Pflege der soldatischen Wertbegriffe«, der »Förderung des Wehrgedankens« und der »Be­käm­pfung jeder Diffamierung des deutschen Soldatentums« die Rede.

Wurde der Posten des VdS-Bundesvor­sitzenden zwischen 1951 und 1962 immer von Generalsdienstgraden be­setzt, die in Reichswehr und Wehr­macht aufgestiegen waren, so hatten ihre Nachfolger diese Dienstrangstufe alle in der Bundeswehr erworben. Dem langjährigen VdS-Bundes­vorsit­zenden Generalmajor a.D. Schreiber folgte im April 2001 mit Oberst­leutnant Horst-Erich Hoppe erstmals ein Soldat, der seine gesamte Lauf­bahn in der Bun­des­wehr absolviert hatte. Hoppe war u.a. als Stabs­offizier der Gebirgs­jä­ger­­brigade 23 in Bad Reichenhall tätig, verstarb jedoch im August 2003.

Der VdS ist föderalistisch in Lan­des­verbänden organisiert; darunter gibt es zum Teil Bezirks-, Kreis- und Ortsverbände. Auf verschiedenen Ebe­nen sind dem VdS Traditions­ge­mein­schaften kooperativ angeschlossen, so dass für Ende der 90er Jahre von etwa 75.000 Mitgliedern ausgegangen werden kann. Der VdS wiederum ist größter Verband im Ring deutscher Soldatenverbände (RDS), dem Schrei­ber ebenfalls lange als Präsi­dent vorstand. Die Zahl der Einzelmitglieder im RDS betrug Ende der 90er Jahre nach eigenen Aussagen etwa 380.000. Zu den im RDS zusammengeschlossenen Verbänden gehö­ren u.a. der Kyff­häuserbund e.V., der Deutsche Marine­bund e.V., die Ordens­­gemeinschaft der Ritterkreuz­träger e.V., der Stahl­helm – Kampf­bund für Europa, die Gemein­schaft ehem. Heeresrichter oder die Förder­gemeinschaft für Soldaten­ver­bände im Landkreis Marburg-Bieden­kopf e.V., die sich an den rechten Aktionen gegen die Ausstellung ›Ver­nich­tungs­krieg – Verbrechen der Wehr­macht 1941 bis 1944‹ beteiligt hatte.

Zwar hatte das für die Bundeswehr zuständige Ministerium mit Wirkung vom 5. März 1999 entschieden, die Zusammenarbeit mit der Ordens­ge­mein­schaft der Ritterkreuzträger einzustellen, ansonsten jedoch, so hieß es offiziell, hätten »Aktivitäten von Traditionsverbänden keinen Grund gege­ben, auf Ministeriumsebene gegen sie vorzugehen«. Nun soll es also eine Abgrenzung gegenüber dem VdS geben.

Besonders empört zeigte sich nun ein Jochen Arp in der extrem rechten Jungen Freiheit und unterstellte den verantwortlichen Redakteuren Naivi­tät im Umgang mit den Autoren, denn jene hätten von der Existenz einer Organisation namens NSPA schlicht nichts gewußt, aber vielleicht doch die Identität des Autors Richard Tedor prüfen sollen. Dabei hatte der VdS-Bundesvorsitzende Hoppe im Sommer 2001 die Umstellung von »Soldat im Volk« auf eine zweimonatige Erschei­nungsweise doch gerade damit be­grün­­det, um »für wichtige Berichte besser recherchieren zu können«.

Da stimmt wohl eher die ebenfalls von Hoppe gemachte Ansage, dass im Blatt auch weiterhin »Dinge angesprochen [werden], die woanders nicht zu lesen sein werden, weil sie unter Umständen dem herrschenden Zeitgeist nicht entsprechen«. Der nun für Schlagzeilen sorgende Artikel war in Soldat im Volk mit der redaktionellen Vorbemerkung versehen worden, der Autor sei »freier Journalist und gilt in den USA als Experte für die Geschichte des II. Weltkriegs«, auch arbeite er »eng mit den amerikanischen Veteranenverbänden zusammen.« Der Beitrag aus »einer US-amerikanischen Zeitschrift« (Arp) sei von einem VdS-Mitglied in deutscher Übersetzung angeboten worden.

Bei diesem Blatt, das verschweigt die Junge Freiheit, handelt es sich um The Barnes Review (TBR), die von Willis A. Carto seit 1994 herausgegeben wird. Zuvor war Carto an führender Stelle am Institute for Historical Review (IHR) tätig gewesen, der bedeutendsten nordamerikanischen Orga­nisation von Holocaustleugnern. Bis heute verschafft Carto Auschwitz­leugnern ein Forum und verbreitet Lobpreisungen der Mörder von der Waffen-SS, etwa in Gestalt eines Videobandes des belgischen Faschis­ten und späteren Generals der Waffen-SS, Leon Degrelle. Diese Akti­vi­täten entsprechen der redaktionelle Leit­linie seines Blattes, derzufolge – so Carto – die zur Veröffentlichung kommenden Titel »wahr und interessant« sein müssten.

Die Bundeswehr handelt spät

Das VdS-Blatt Soldat im Volk hätte für eine Bundeswehrführung, der es um eine konsequente Abgrenzung zu extrem rechten und geschichtsrevisionistischen bzw. das ‚deutsche Soldatentum‘ verherrlichenden Posi­tio­­nen und Akteuren geht, bereits viel früher Anlass sein müssen, einen klaren Trennungsstrich zum VdS zu ziehen. Denn in dem VdS-Blatt waren laufend Beiträge erschienen, die von ähnlichen Artikeln in Publikationen der extremen Rechten kaum oder gar nicht zu unterscheiden waren. Auf eine Kleine Anfrage der PDS-Fraktion im Bundestag hatte das Bundes­innenministerium im Oktober 2000 immerhin davon gesprochen, dass verschiedene Ausgaben von Soldat im Volk »tatsächliche Anhaltspunkte für einen rechtsextremistischen Hinter­grund« gehabt hätten. Von Seiten der Bundeswehr passierte jedoch nichts Entscheidendes.

In seiner Eigenschaft als Präsident von VdS, RDS und Deutschem Luft­waffenring wurde Generalmajor a.D. (BW) Jürgen Schreiber mehrfach wiedergewählt. Im Verbandsorgan Soldat im Volk verfasste er häufig den Leitartikel. Neben der Verteidigung der »Ehre des deutschen Soldaten« forderte er statt eines Denkmals für die ermordeten Juden eine »schlichte Gedenkstätte mit der Inschrift: Den Opfern von Krieg und Gewaltherr­schaft«. Solche Versuche der Eineb­nung der Unterschiede zwischen Tätern und Opfern wurden begleitet von anderen revisionistischen Beiträ­gen, etwa von Heinz Splittgerber, der sich in Soldat im Volk im Jahr 2000 für die Holocaustleugner stark machte. Mehrfach erschien eine Werbe­anzeige für die bedeutendste deutsch­sprachige Zeitschrift der Auschwitz­leugner, die Vierteljahres­hefte für freie Geschichtsforschung. Schreiber selbst, der regen Anteil an der Hetze gegen die Ausstellung über die Verbrechen der Wehrmacht nahm, veröffentlichte u.a. in dem extrem rechten Türmer-Verlag.

Immer wieder wurden in der Rubrik ›Unser Buchangebot‹ auch Veröffent­lich­ungen aus extrem rechten Verla­gen vorgestellt und empfohlen, so etwa das Deutsche Soldatenjahrbuch 1998, das ein Geleitwort des in der extrem rechten Szene noch immer aktiven Oberst a.D. Hajo Herrmann enthält; so das Buch »Wagnis Wahr­heit«, herausgegeben von Bundes­wehr­­general a.D. Reinhard Uhle-Wettler anlässlich des 60. Geburts­tages des Auschwitz-Leugners David Irving; so ein Band von Klaus Sojka, einem früheren DVU-Funktionär, über die Wehrmacht; so ein Heldenepos auf den SS-Verbrecher Jochen Peiper, usw. usf. Das alles war über lange Jahre kein Grund für die Bundeswehr, den Trennungs­strich zu ziehen.

Ein Beschluss – was nun?

Die aktuelle Entscheidung der Bundeswehrspitze dürfte für den VdS, aber auch etliche Bundeswehr­solda­ten ernsthafte Probleme mit sich bringen, denn die Kontakte waren eng und vielseitig, erstreckten sich von der Bereitstellung von Räumlich­keiten über die logistische Unterstüt­zung bis hin zu gemeinsamen Veran­staltungen und der Besetzung von Leitungspositionen im VdS durch Bun­des­­wehrsoldaten. Nun erstreckt sich das Verbot der Unterstützung von VdS-Veranstaltungen auf Truppen­be­suche wie auf die Bereitstellung von Räumlichkeiten oder Liegenschaften der Bundeswehr. Bereits zugesagte Besuche seien abzusagen; offizielle VdS-Vertreter sind zu Veranstaltungen der Bundeswehr nicht mehr einzuladen und die Teilnahme von aktiven oder ausgeschiedenen Soldaten in Uniform an VdS-Treffen ist untersagt. Dies dürfte dann auch die erst im Sommer 2003 getroffene Vereinba­rung zwischen dem Deutschen Bundes­wehrverband und dem VdS, dem RDS und der Stiftung Deutscher Offizier Bund über das Wiederaufleben eines gemeinsamen Ausschusses betreffen, in dem u.a. über Fragen der Tradi­tionspflege der Streitkräfte beraten werden sollte.

Ob es dauerhaft bei einer Abgren­zung der Bundeswehr vom VdS bleibt, ist indes abzuwarten. Angesichts der personellen, persönlichen und formalisierten Beziehungen zwischen Bun­des­wehr und VdS dürfte eine konsequente Umsetzung der nun verkündeten Linie, zu der auch die Diszipli­nie­rung der nicht Folgsamen gehören würde, noch für Unmut in Teilen der Streitkräfte sorgen. Eine Möglichkeit besteht daher darin, dass es an der Spitze des VdS einen personellen Austausch gibt, der aus Sicht des Ministeriums sicherstellt, dass ‚Aus­rutscher‘ wie die Beiträge von Richard Tedor, d.h. Beiträge von nazistischen Autoren, nicht mehr ins Heft kommen. Für die Veröffentlichung der nun skandalisierten Beitäge hat der Nachfolger Hoppes, Günter Pautke, die Verantwortung übernommen und für die nächste Sitzung des VdS-Bundesvorstandes seinen Rücktritt angekündigt. Gleichsam zur Demons­tra­tion der Linientreue druckte das VdS-Blatt mehrere Beiträge über die jüngste NATO-Konferenz in München ab – erst im hinteren Teil fanden sich erneut Nachdrucke aus der rechten Jungen Freiheit. Daran schließ­­lich hatte auf der Hardthöhe bisher niemand Anstoß genommen.

Einzelne Landesverbände des VdS, die – wie etwa in Schleswig-Holstein – bereits eng mit dem Kyffhäuser-Ver­band kooperieren, schlüpfen zu­dem vielleicht vollständig unter diesen weithin unverdächtigen Namen. Un­lös­­bar bleibt aber bis auf weiteres, dass die Bundeswehr sich nicht tatsächlich von jenen an den verbrecherischen NS-Kriegen beteiligten Soldaten abgren­­zen kann, die später die Bun­des­wehr mit aufgebaut, sie lange Zeit geprägt haben und die noch immer positive Bezugspunkte in ihrer Tradi­tions­pflege bilden.