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Schöner Leben ohne Naziläden !

Einleitung

1.200 AntifaschistInnen demonstrierten am 27. November 2004 im Rahmen der Kampagne »Schöner leben ohne Naziläden« in Pirna. Zunächst hatte das Landratsamt Sächsische Schweiz im Vorfeld versucht, die Demonstration zu verbieten. Als dies nicht gelang, wurde die Demonstration am Tag selbst massiv durch die Behörden be- bzw. verhindert. Auch Neonazis hatten im Vorfeld zu Angriffen auf die Demonstration aufgerufen und letztendlich am Rande provoziert.

Die Ereignisse von Pirna dürften die Kampagne, die ursprünglich eine Kampagne sächsischer Antifagruppen war, weit über die Grenzen des Freistaats hinaus bekannt gemacht haben. Immerhin war es das erste Mal, dass in der Region Sächsische Schweiz, die ansonsten eher für ihre extrem rechte Hegemonie bekannt ist, weit über tausend Antifas demonstrierten.

Auch die Auftakt-Demonstration zwei Monate zuvor in Chemnitz war aus Sicht der Kampagne ein Erfolg. Hier waren die Ansatzpunkte, zwei der weit über Sachsen hinaus relevanten Neonazigeschäfte, den Backstreetnoise und PC-Records, zu thematisieren. Dazu gelang es auch eine Reihe lokaler BündnispartnerInnen zu aktivieren, die sich aktiv in der Demonstration einbrachten. Obwohl im Vorfeld aus dem Umfeld des Backstreetnoise-Betreibers Hendrik Lasch massiv gegen die Antifademo mobilisiert wurde und schlussendlich etwa 150 vorwiegend regionale Neonazis und Hooligans sich bei ihm trafen, konnten diese dennoch nicht den Verlauf der Demo nachhaltig beeinflussen.

Trotzdem ist als neu einzuschätzen, dass die Neonazis in Chemnitz versuchten, die Antifademo direkt anzugreifen, was ihnen jedoch dank der Entschlossenheit und der guten Demonstrationsabsprachen nicht erfolgreich gelang. Im Gegenteil: So erklärte Herbert Hartmann, Chef des Bundesvermögensamts in Chemnitz, welches die Ladenflächen für das Backstreetnoise an Hendrik Lasch bereits vor mehreren Jahren vermietete, dass die Möglichkeiten einer außerordentlichen Kündigung geprüft werden. Sollte dies nicht möglich sein, werde spätestens zum Ende des Jahres 2005 ordentlich gekündigt.

Anderes Herangehen, gutes Bündnis, schnelle Erfolge?

Die Kampagne »Schöner leben ohne Naziläden« hatte sich bereits im Vorfeld der Landtagswahl im September 2004 gegründet. Ausgangspunkt war die gesellschaftliche Realität in Sachsen, welche geprägt ist von einem rassistischen und vor allem nationalen Konsens. Dieser ist zwar seit vielen Jahren im Freistaat vorherrschend, spiegelte sich nun aber auch für jeden ersichtlich in den Wahlergebnissen, sowohl zur Europa- und Kommunalwahl im Juni 2004 und in nochmals gesteigerter Form zur sächsischen Landtagswahl im Herbst diesen Jahres wieder.

In diesem Klima entwickelte sich in den letzten Jahren eine breite extrem rechte Jugendkultur, welche sich nicht mehr auf die »klassische« Neonazisubkultur beschränkt. Vielmehr hat sich eine rechte Ideologie inzwischen in fast allen Jugendkulturen einen subversiv Zugang verschafft. Es kann daher schon seit geraumer Zeit nicht mehr von einer Neonazisubkultur, sondern es muss vor allem im ländlichen Raum von einer extrem rechten Dominanzkultur gesprochen werden. Im Zuge dessen etablierten sich mehrere rechtsextreme Läden ebenso wie Versände. Je stärker eine extrem rechte Struktur ausgebaut ist, umso gefährlicher und unmöglicher wird die Existenz einer nichtrechten Jugendkultur. Der hohe Organisierungsgrad im Bereich der extremen Rechten, wie er in Sachsen aufgrund zahlreicher Bands, Labels und Versände gegeben ist, erleichtert die Ansprechbarkeit und die strukturelle Ausbreitung der Szene.

Wer in solchen Verhältnissen dagegen aktiv wird, wie es die Kampagne »Schöner leben…« tut, ist vor Angriffen nicht gefeit. So kam es wie so oft üblich im Vorfeld zu massiver Hetze seitens der (regionalen) Medien und Politik. Das Herbeireden von »massiver Gewalt der linksradikalen Autonomen aus Kreuzberg« erfüllte seinen Zweck und sollte alle lokalen UnterstützerInnen der Demonstration, die deren Notwendigkeit erkannten, mundtot machen. Es wurde auch von der PDS vernommen, aus deren Reihen die AnmelderInnen der Demo kamen. Während einer Kreistagssitzung drohten gar 13 PDS-Abgeordnete mit Parteiaustritt, sollte die Demo mit Unterstützung der PDS stattfinden.

Einher ging die »Mobilmachung« auch mit Neonaziaktivitäten. Der lokale Herausgeber des Fanzines »Rufe ins Reich«, Karsten Scholz aus Pirna, rief im Vorfeld via Internet zum Mitbringen von »Wurfgeschossen« und »Buttersäure« auf, am Tage selber versuchte er dann nur noch die Demonstration kurz vor der Abreise aus Pirna mit Eiern zu bewerfen. Dazu vermummte er sich mit einer Bart Simpson Maske. Die Neonazis hatten selbst großspurig 500 der Ihren angekündigt. Gekommen waren ca. 100, die einen polizeilich nicht abgesicherten Aufmarsch zum Weihnachtsmarkt durchführen konnten, während die Polizei eben diesen vor den Linken mit Pfefferspray und Knüppeln »schützte«.

Arbeit der Kampagne

Aufgabe einer antifaschistischen Bewegung muss es sein, in solche Entwicklungen erfolgreich zu intervenieren. Die Kampagne hat sich hierfür als konkretes Ziel die Zurückdrängung von extrem rechten Lifestyles aus dem öffentlichen Raum gesetzt, wobei es nicht nur um die Schließung einiger Läden geht. So soll das bisher weitgehend ungestörte Treiben und Wirtschaften der Naziläden be- und verhindert werden. Die Knotenpunkte der Neonaziszene öffentlich gemacht, die Akteure benannt und die schleichende Übernahme subkultureller Milieus zurückgedrängt werden.

Die extreme Rechte ist in den letzten Jahren verstärkt bemüht Klischees über Bord zu werfen und sich in bisher eher nichtrechten Subkulturen einzurichten. Insbesondere Neonaziläden und -labels arbeiten oft unbeachtet jeglicher Öffentlichkeit. Hier ist es Ziel der Kampagne, den BetreiberInnen ihr geschäftliches Treiben so schwer wie möglich zu machen und sie aus der scheinbaren Normalität eines durchschnittlichen Ladenbetreibers herauszuziehen.

In dem Sinne ist die erste Kampagnendemonstration in Chemnitz durchaus als Erfolg zu werten. Dagegen konnten in Pirna, gerade durch die Teilnahme einer bisher nicht gekannten Zahl von Antifas aus dem gesamten Bundesgebiet, die regionalen Antifa-Strukturen motiviert und gestärkt werden. Als nächstes ist hier die Einrichtung eines linken und alter­nativen Jugendhauses angestrebt. Dann kann es gelingen, am »Tor zur Sächsischen Schweiz« eine nichtrechte Jugendkultur dem Neonazi-Alltag entgegenzusetzen.

Weitere Informationen unter:
www.stoppnazilaeden.de.vu