Die „Freiheitspartei“ in Westberlin: Neonazi-Tarnorganisation
Unbeachtet von der jetzt auf einmal so empörten bürgerlichen Öffentlichkeit über den Wahlerfolg der „Die Republikaner“ (REPs) haben sich militante Neonazis in Westberlin mit der „Freiheitspartei“ (FP) eine legale Organisation geschaffen. Schon lange hat die Westberliner „Freiheitliche Deutsche Arbeiterpartei“ (FAP) an einer legalen Organisationsform gearbeitet, um das Alliierte Verbot des öffentlichen Auftretens zu umgehen. Die „Freiheitspartei“ wurde als Wählergemeinschaft im Berliner Bezirk Wedding vom Landeswahlausschuß zugelassen und konnte bei den Wahlen 208 Stimmen erreichen.
Die Westberliner FAP
Der veröffentlichte Vorstand der „Freiheitspartei“ setzt sich aus bekannten Neonazis aus den Kreisen der Westberliner FAP zusammen. Die Berliner FAP Führung um Reinhard Golibersuch und Ingmar Raband versucht schon seit Jahren (militante) Neonazis zu organisieren. Als führende FAP Aktivisten traten in Westberlin u.a. Lutz Schillok, Tim Wöhrle und Günter Bernburg auf. Die Arbeit an einem Parteiprogramm, mit dem es möglich ist das Alliierte Verbot von Nazi-Organisationen zu unterlaufen begann bereits Anfang 1987, nachdem die Westberliner Polizei ein Gautreffen der Berliner FAP in der Gaststätte "Jägerhäuschen" in Berlin-Spandau aufgelöst hatte und über 100 Neonazis vorübergehend festnahm. Dabei ist die Berliner Polizei jedoch nicht aus eigenem Antrieb aktiv geworden, sondern erst auf Anweisung der Alliierten Kommandantur. Im April 1987 folgte vom "Gausekretär" Herbert Molkenthin eine Einladung des FAP "Referat Propaganda" (Hamburg) zu einer Feier anläßlich des Geburtstages des NS-Politikers Rudolf Heß in der Gaststätte "Alte Fischerhütte" in Berlin Zehlendorf. Als Redner wurden die Alt-Nazis Otto Riehs und Ernst Remer angekündigt.
Das FP Programm
Das Grundsatzprogramm der FP ist entsprechend geglättet. In diesem "Programm" geben sie sich besorgt über das "Wohl des Volkes", prangern das "herrschende System in seiner Gesamtheit" an, die "Steuerordnung", das "Aushalten fragwürdiger Künstler" und preisen "Treue und Anständigkeit". Weiter gehts mit der "Überbevölkerung und Weiterexistens des deutschen Volkes", was sie dann mit dem Umweltschutz zusammenbringen, der nach ihrer Ansicht in einem übervölkerten Land nicht möglich sei. Sie wenden sich gegen eine multikulterelle Gesellschaft als "ein buntes Gemisch aus verschiedensten Rassen, Völkern ..." und propagieren eine "humane Rückführung". Das "FP-Programm" steht für eine neue Linie der Neonazis: Nach außen hin verfassungstreu wirken, um unter Vermeidung allzu deutlicher NS-Propaganda eine Verankerung in der Bevölkerung zu erreichen.
DER FP Vorstand
Wenn wir uns den Vorstand der FP näher ansehen wird deutlich, daß es sich lediglich um einen Mantel für die legale Organisierung der militanten FAP-Neonazis handelt:
Reinhard Golibersuch kam 1983 nach Westberlin um hier Michael Kühnens „Aktionsfront Nationaler Sozialisten/Nationale Aktivisten“ (ANS/ NA) mit aufzubauen. Deswegen stand er gemeinsam mit Günter Bernburg, Michael G., Marc K. und Karl-Heinz Sch. vor Gericht. 1984 war er bei der Gründung der Berliner FAP dabei und gehört zu ihrer Führung. Zeitweilig soll er der Berliner FAP-Führer gewesen sein. Seit Oktober 1988 sitzt er, wegen der ANS/NA Gründung, eine eineinhalbjährige Freiheitsstrafe im Moabiter Gefängnis ab. In der neonazistischen Gefangenenzeitung "HNG-Nachrichten" (Zeitung der Hilfsorganisation für nationale politische Gefangene und deren Angehörige e.V.), werden seine Briefe aus der Haft abgedruckt. Reinhard Golibersuch ist FP "Präsidialschriftführer" und stand auf Platz 1 der FP-Kandidatenliste.
Lutz Schillok war früher in den Kreisen der Berliner "Wiking Jugend" tätig. Heute ist er ein führender Aktivist der Berliner FAP für den Bereich "Nord". Er kandidierte auf Platz 3 der FP-Liste und ist ihr "Parteipräsident". Arne Kaupat und Oliver Schweigert galten als Anheizer für die (militanten) Aktionen der FAP in den Berliner Stadtteilen Steglitz und Lichtenrade. Gegen beide liefen Prozesse u.a. wegen Körperverletzung bei Überfällen auf AntifaschistInnen. Beide sind nun FP-Vorstandsmitglieder. Arne Kaupat führt den "Vorsitz" im "Rechnungsausschuß" und Oliver Schweigert hat die Funktion des "Präsidialsprechers" übernommen. Ingmar Raband war ebenfalls eine der zentralen Figuren der FAP-Berlin und soll an Wehrsportübungen in Westdeutschland teilgenommen haben. Ingmar Raband ist nun der Stellvertreter des jetzigen FP-Präsidenten. Tim Wöhrle trat zeitweilig als ein Kameradschaftsführer der FAP in Westberlin auf. Jetzt ist Tim Wöhrle der stellvertretende FP "Parteivorsitzender". Der frühere FAP-Aktivist Thomas Givens tritt als "Rechnungsprüfer" der FP auf.
Neben den oben erwähnten Aktivisten aus den Berliner FAP-Kreisen sind noch weitere bekannte Namen aus der Westberliner Neonazi-Szene zu nennen, die im FP-Vorstand ein Amt bekleiden: Manfred Hollmann als "Parteivorsitzender", Marten Scheuch als "Parteischatzmeister", Andreas Lampke als "Parteischriftführer", Andreas Tucholski als weiterer "Rechnungsprüfer" und die "Beisitzenden" Uwe Branke und Detlev von Wrycz Rekowski.
Damit möglichst alle Weddinger Neonazis ihre Stimme für die neue Organisation abgeben, traten mit Andreas Pohl ("Pole") und Arnulf Priem auch Vertreter anderer Neonazifraktionen auf zwei weiteren FP Kandidatenplätzen an.
Andreas Siegfried Pohl gilt als der Anführer des Westberliner Ablegers der "Nationalistischen Front" (NF) und als Gründer der Neonazi-Skinhead Band "Kraft durch Froide" (KdF). Außerdem soll er im rechten Hertha-Fußball-Fanclub "Endsieg" aktiv sein. Er stand auf Platz 2 der FP Kandidatenliste. In einem Radio-Interview mit dem SFBeat bekannte er: "(...)Und wenn ein Türke totgeschlagen wird, das interessiert mich nicht. Wenn er am Boden liegt, dann tritt man natürlich rein (...)"
Arnulf Winfried Horst Priem, war 1977 Führer der "Kampfgruppe Priem", die Teil der 1977 verbotenen "NSdAP/ AO" war. Bei einer Durchsuchung 1977 fand die Polizei vier SS-Uniformen, ein Maschinengewehr, Stahlhelme und verschiedene Naziorden in seiner Wohnung. In der DDR saß er u.a. wegen „faschistischer Umtriebe“ in Haft und wurde von der Bundesregierung als "politischer Häftling" freigekauft. Das ihm in der DDR neben "Körperverletzung" auch "Kindesmißbrauch" vorgeworfen sein soll, war anscheinend kein Hindernis für eine Karriere in der westdeutschen Neonazi-Szene (1974 Kandidat der NPD in Baden Württemberg). Er verfügt über weitreichende internationale Kontakte, die bis nach Südamerika gehen. Heute ist er außerdem Anführer der Neonazigang "Wotans Volk", die hauptsächlich im Wedding rumhängt. Er wurde auf den FP Listenplatz 4 gesetzt.
Westberliner Netzwerke
Zwischen den verschiedenen Westberliner Neonaziorganisationen besteht eine gute Zusammenarbeit. Der Grundstein dafür ist im Januar 1986 auf einem "FAP-Gautreffen Berlin", mit dem Beschluß einer "Zusammenarbeit aller nationalen Kräfte", gelegt worden. Diese gemeinsame Arbeit von FAP, NF u.a., ist in der "Deutschen Jugeninitiative" (DJI) verwirklicht worden (Eine Kontaktadresse der DJI führte zu Andreas Pohl). Das Ziel war eine koordinierte Arbeitsteilung, um mehr Leute für die "nationalen Kräfte" rekrutieren zu können. Wie das Funktionieren der DJI und die Kandidatenliste der neuen Parteiorganisation FP zeigen, ist die Zusammenarbeit in Westberlin so eng, daß kaum noch Unterschiede zwischen FAP und NF ausgemacht werden können. Im früheren Treffpunkt der Westberliner "Nationalistischen Front" (NF) in der Weddinger Koloniestraße fanden gemeinsame Treffen der Neonazis aus den verschiedenen Organisationen statt. Ein am 2. Oktober 1988 von AntifaschistInnen verhinderte Neonazi-Treffen in Berlin-Reinickendorf ist ein weiterer Beweis dafür, daß die Zusammenarbeit nicht nur unter den Neonazis so gut funktioniert. Dort waren neben Anderas Pohl, Lutz Schillok, Arne Kaupat und Oliver Schweigert auch der Landespressesprecher der Berliner NPD, Thomas Salomon, und Wolfgang Wilkening aus den Kreisen der Westberlinern "Die Republikaner“ anwesend.
Ausblick
Die Zulassung dieser Partei zu den Wahlen, die lediglich das "A" aus der "FAP" gestrichen hat, ist eine Förderung der neonazistischen Organisierung auch hier in Westberlin. Dadurch wurde den Neonazis eine noch bessere Vorraussetzung für die Koordinierung ihrer Aktionen gegeben. Diese Unterstützung finden die FAP und die NF in Westdeutschland schon seit langem. Die FAP und andere Neonazi- Organisationen können dort völlig legal arbeiten. Schon eine simple Programmglättung reichte um das Alliierte Verbot in Westberlin zu umgehen. Formal ist damit dem Gesetz genüge getan. Offenbar gibt es ein Interesse daran, daß Neonazis Menschen gegeneinander aufhetzen und daß sie Linke und AusländerInnen angreifen. Wenn die Auflösung und Zerschlagung aller neonazistischen Verbände und Organisationen gefordert wird, dann ist das eine Forderung an den antifaschistischen Widerstand. Eine Ausbreitung des Neonazi-Terrors ist nur durch den aktiven selbstorganisierten Widerstand von Unten zu verhindern.