Verhindertes Gedenken für NS-Täter
Jahrzehntelang haben alte NS-Fallschirm- und Gebirgsjäger am 20. Mai zusammen mit jungen Sympathisanten auf dem “Deutschen Soldatenfriedhof“ auf Kreta den Jahrestag der Invasion 1941 durch die Deutsche Wehrmacht gefeiert. Bei diesen Feiern wird von einer „Friedensmission“ auf Kreta geredet und das faschistische Fallschirmjägerlied „Rot scheint die Sonne“ gesungen. Dieses Jahr war Schluss mit lustig. AntifaschistInnen aus Griechenland und Deutschland verhinderten die braune NS-Traditionsfeier in Maleme. Eigentlich wollte Wolf Walther, Kameradschaftsleiter Berlin im Bund Deutscher Fallschirmjäger, am Morgen des 20. Mai 2005 auf dem Soldatenfriedhof zusammen mit etwa 30 zum Jahrestag der Invasion angereisten alten und jungen NS-Traditionalisten auf den Gräbern der »gefallenen Kameraden« der deutschen Invasion vor 64 Jahren gedenken. Bereits zwei Stunden vor dem Anmarsch von Walther und den Seinen wurde der Friedhof in diesem Jahr jedoch von ungefähr 70 AntifaschistInnen aus Griechenland und Deutschland besetzt. Dutzende Schilder erinnerten an die durch die Deutschen niedergebrannten Orte. Die 35 meist in so genannten Sühnemaßnahmen komplett zerstörten Dörfer und über 3500 ermordeten Zivilisten finden bei den deutschen Feierlichkeiten keine Erwähnung. Unverbesserliche, dekoriert mit der Fallschirmjägerspange und Militärabzeichen am Revers, die an den Grabfeldern trotzdem Blumen und Kränze niederlegen wollten, wurden mit Farbeiern vertrieben. Anwesende Touristen wurden mit Flugblättern über die Aktion und den revisionistischen Charakter der deutschen Feierlichkeiten informiert, während Touristen, die nicht aus Deutschland kamen, wenig Verständnis für ein solches Gedenken zeigten, riefen die deutschen Touristen nach einem Einsatz der Polizei.
»Dann hätte ich geschossen«
Die vom Friedhofswärter gerufene Polizei versuchte vergeblich, die AntifaschistInnen zum Aufgeben zu bewegen. Um eine Auseinandersetzung auf dem von der Deutschen Kriegsgräberfürsorge betriebenen Friedhof mit der ebenfalls angerückten Straßenkampfeinheit (MAT) zu vermeiden, wurde letztlich zum Entsetzen der deutschen Revisionisten die NS-Traditionsfeier abgesagt. So mussten die ehemaligen NS-Soldaten und ihr Anhang unverrichteter Dinge abziehen, nicht ohne die unverhohlene Drohung eines Fallschirmjägers »Wenn ich eine Pistole gehabt hätte, dann hätte ich geschossen«. Der Organisator der Feier, Wolf Walther, wartete gemeinsam mit einem Erfurter Bundeswehrsoldaten auf den Abzug der AntifaschistInnen. Vergeblich – und so machten dann auch einige Farbeier seinen persönlichen Rückzug etwas bunter. Im Anschluss an die erfolgreiche Aktion wurden im nahen Dorf Maleme Plakate und Flugblätter zur Aktion verteilt. Die Bewohner der Ortschaft waren zum einen erfreut über die verhinderte Feier, aber auch enttäuscht, dass sie nicht vorher informiert wurden. Eine öffentliche Mobilisierung war in diesem Jahr vermieden worden, um zu verhindern, dass die Polizei den gesamten Friedhof absperrt. Eine größere öffentliche Aktion könnte aber im kommenden Jahr ein Ziel sein. Die Forderung einiger Einwohner, dass nicht nur die Deutschen, sondern auch gleich alle Immigranten von der Insel zu verschwinden hätten wurde von den AntifaschistInnen zurück gewiesen.
Gedenken – nicht nur in Maleme
Der Friedhof bei Maleme ist jedoch nicht der einzige Wallfahrtsort alter und junger NS-Traditionalisten. So steht in der Stadt Chania das bereits 1941 von den deutschen Besatzern errichtete Fallschirmjägerdenkmal. Für den Erhalt dieses NS-Denkmals streitet der sogenannte »Freundeskreis zur Erhaltung eines Fallschirmjäger – Ehrenmals auf Kreta e.V.«, dessen Vorsitzender der katholische Prälat Msgr. Hermann Völck ist. Der Freundeskreis preist »die außergewöhnliche Einsatzbereitschaft, den Mut und die Leistungen der Deutschen Fallschirmjäger im ́Kampf um Kreta«. Zum Jahrestag der Invasion gedenken auch hier etliche alte und junge Fallschirmjäger aus Wehrmacht und Bundeswehr 1 , der deutschen Besatzung. Auch hier sorgten griechische und deutsche Forderungen für eine sofortige Entschädigung der Opfer auf dem Denkmal bei den Revisionisten für Unmut. Eine langjährige Forderung, die der deutsche Botschafter in Athen bereits im Jahre 2000 mit den Worten kommentierte: »Dies würde wahrscheinlich auch Ansprüche für Deutsche [im Bezug z.B. auf die Bombardierung Dresdens] eröffnen« 2 wenn dieser Forderung nachgegeben würde. Der seit Jahren fehlende herabstürzende Adler mit Hakenkreuz in seinen Krallen wurde bereits in den 90er Jahren von kretischen AntifaschistInnen gesprengt. Entschädigung, um die der 82jährige Joanni Papaitiakis aus der Ortschaft Kandanos sich seit Jahren erfolglos bemüht. Sein Heimatort wurde als »Vergeltung« für einen Angriff auf die NS-Besatzer von der Wehrmacht knapp zwei Wochen nach dem Überfall auf Kreta am 3. Juni 1941 vollständig zerstört. Die BewohnerInnen aus Kandanos und den umliegenden Dörfern hatten sich zunächst erfolgreich gegen die Besatzer gewehrt und einen Zug Fallschirmjäger, sowie einen Halbzug Pioniere bei der Verteidigung ihrer Bergregion getötet. Als Vergeltung wurde das gesamte Dorf niedergebrannt und sollte nach dem Willen der deutschen Faschisten »nie wieder aufgebaut werden«. Papaitiakis war mehrere Jahre in deutscher Gefangenschaft, eine Entschädigung hat er bislang nicht erhalten. Nach dem Ende der Besatzung bauten die Überlebenden den Ort neu auf.
Widerstand gegen die NS-Besatzung
Entschieden hatte die kretische Bevölkerung gleich beim Anblick der ersten Fallschirme am Himmel zu den Waffen gegriffen. Ihre Waffen hatten sie zwar vorher zur Zeit der Metaxa-Diktatur abgeben müssen. Diese lagen jedoch meist noch in den Polizeikasernen und wurden kurzerhand reaktiviert. Von Seiten der britischen Besatzungsmacht erhielt die Bevölkerung keinerlei Informationen über deutsche Invasionspläne, obwohl die Briten informiert waren. Die Koordination der Partisanengruppen war überwiegend regional begrenzt. Ideologische Streitigkeiten wurden zumindest in den ersten anderthalb Jahren der deutschen Besatzung verdrängt. Die Briten versorgten ab Ende 1942 in erster Linie die nicht kommunistischen Partisanen mit Ausrüstung und Essen. Diese SOE genannten Gruppen operierten unter britischer, neuseeländischer oder australischer Führung. Mit sogenannten »Sühneaktionen« nahmen die Deutschen oftmals Rache für Partisanenangriffe und Sabotageaktionen und terrorisierten die Bevölkerung. Der besonders sadistische Deutsche Leutnant Hans Wachter wurde vom ehemaligen Partisan Nikos Melogajanis im Mai 1944 erschossen. Wachter war verantwortlich für ungezügelten Terror und wahllosen Erschiessungen. Der damals 24jährige Melogajanis entdeckte Wachter zufällig auf einer seiner Fahrten in einem kleinen Dorf und verfolgte den Wehrmachtsleutnant zwei Tage und Nächte lang. Auf einer Bergstrasse gelang es der Partisanengruppe von Nikos Melogajanis den Deutschen zu erschiessen. Dessen Begleiter wurden verschont und mit einem Bekennerschreiben zu ihrer Einheit geschickt. Das namentlich unterzeichnete Schreiben sollte eine wahllose Racheaktion verhindern. Als die 17.000 stationierten deutschen Soldaten am 9. Mai 1945 kapitulierten standen sie nur 2.000 britischen Soldaten aber 45.000 Partisanen gegenüber. Und noch bis Juni 1945 kämpften die Deutschen mit Billigung der britischen Armee gegen kommunistische Partisanengruppen. Der anschließende Bürgerkrieg in Griechenland führte bis zum Ende der Militärdiktatur 1974 zu einem Verschweigen des kommunistischen Widerstandes. Dies führt heute – 60 Jahre nach Kriegsende – in einigen Dörfern Kretas zu heftigen Diskussionen um die »Ehre des Widerstandskämpfers«.
Proteste in Maleme – jetzt jedes Jahr?
Da der Überfall der deutschen Wehrmacht auf Kreta im kommenden Jahr 65 Jahre zurück liegt und die bisherigen Veranstalter nach dem Verhindern ihrer Gedenkfeier wahrscheinlich Flagge zeigen wollen, wäre eine breite Mobilisierung auch für 2006 wichtig. Revisionistisches Gedenken verschweigt Kriegsverbrechen. Dass dies für die Familien der kretischen Opfer –die bisher in keinem Fall entschädigt wurden – unsäglich ist, braucht nicht ausgeführt werden. Gemeinsam mit ihnen auch in Zukunft das Gedenken verhindern, könnte die deutschen Revisionisten vielleicht endgültig von der Insel vertreiben.