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Teures »Kulturgut«

Einleitung

Völkisch orientierte Stiftungen

Hohen Besuch kündigte die Kreisgruppe München der Sudetendeutschen Landsmannschaft für den 15. Juni 2005 an: Zur »Feier der Ehrenmitgliedschaft Seiner Kaiserlichen Hoheit Dr. Otto von Habsburg« lud sie ein. Der Ort des von Monarchen-Nostalgie geprägten Geschehens: Eine zentrale Einrichtung der Münchner »Vertriebenen«-Szene, das Sudetendeutsche Haus. Die Sudetendeutsche Landsmannschaft und zahlreiche Institutionen aus ihrem Spektrum haben dort ihren Sitz, darunter die Sudetendeutsche Zeitung, der Sudetendeutsche Rat und das Collegium Carolinum. Und nicht zuletzt eine weitere Institution, deren Aufgabe die Finanzierung zahlreicher solcher Vereinigungen und Aktivitäten ist: die »Sudetendeutsche Stiftung«.

Bild: attenzione-photo.com

Rudi Pawelka, Bundesvorsitzender der Landsmannschaft Schlesien.

Die Sudetendeutsche Stiftung, gegründet per bayerisches Gesetz vom 27. Juli 1970, ist ein recht einprägsames Beispiel für das Stiftungswesen im völkisch orientierten Spektrum. Sie soll, so heißt es in Artikel 2 (»Zweck«) des Stiftungsgesetzes, »das sudetendeutsche Kulturgut (...) pflegen« und es »im Bewußtsein der Vertriebenen, der gesamten deutschen Bevölkerung und des Auslands als bleibendes Zeugnis (...) erhalten«. Insbesondere soll sie »Einrichtungen mit Beziehung zur Sudetendeutschen Volksgruppe (...) betreuen«. Damit dafür eine finanzielle Grundlage zur Verfügung steht, ist es ihre Aufgabe, »Vermögensgegenstände natürlicher Personen sowie sudetendeutscher juristischer Personen des öffentlichen und privaten Rechts aufzunehmen« und für die genannten Zwecke »zu nutzen oder treuhänderisch zu verwalten«. Und damit nicht genug: Zusätzlich zum gebündelten sudetendeutschen »Volksvermögen« erhält die Stiftung auch umfangreiche Mittel von Bund und Freistaat Bayern. Mit einer solchen materiellen Rückendeckung lässt sich's gut politisieren, mag so mancher Sudetendeutsche meinen: Allein von 1974 bis 1984 flossen rund 23 Millionen DM in die Kasse der Sudetendeutschen Stiftung.

Doch ganz so einfach liegen die Dinge nicht. Hochrangig besetzt ist der Stiftungsrat, dem die Entscheidung in allen wesentlichen Angelegenheiten der Stiftung obliegt. Er kontrolliert die Verteilung der Gelder und damit auch die Politik, die mit ihnen gemacht wird. Vorsitzender des Stiftungsrates ist der bayerische Ministerpräsident Edmund Stoiber persönlich, dem Gremium gehört qua Amt auch die Sozialministerin des Freistaats an. Die bayerische Staatskanzlei, das Kultus- und das Finanzministerium schicken ebenfalls einen Vertreter in den Stiftungsrat, auch die Bundesregierung hat einen Abgesandten dort. Viel Geld also, vom Staat penibel kontrolliert, steht hinter der sudetendeutschen Politik und sorgt dafür, dass sie stark, aber berechenbar bleibt. Derlei ist im »Vertriebenen«-Spektrum durchaus üblich. Ein zweites Beispiel, aus dem »schlesischen« Milieu: die »Stiftung Schlesisches Museum zu Görlitz«. Sie wurde 1996 gegründet, ihr Zweck: Aufbau und Betrieb eines zentralen »Schlesischen Museums«. Auch hier gehört die Schlesische Landsmannschaft zu den Stiftern, auch hier gibt es umfangreiche Mittel von Bund und Freistaat Sachsen. Selbstverständlich wird auch hier das Geld, das die Basis für schlesische Aktivitäten bildet, von den staatlichen Gebern sorgfältig überwacht. Dem Stiftungsrat gehört Rudi Pawelka an, der Vorsitzende der Landsmannschaft Schlesien, und von ihm weiß man, dass er unzuverlässig ist: Seine »Preußische Treuhand GmbH & Co. KG a.A.« hat im vergangenen Jahr für größeren öffentlichen Unmut gesorgt. Die politische Kontrolle haben sich die staatlichen Bürokratien jedoch auch in der Stiftung Schlesisches Museum zu Görlitz gesichert. Stiftungsrats-Vorsitzender ist ein Ministerialrat aus dem Haus der Bundeskulturbeauftragten, dem Gremium gehören darüber hinaus Ministerialbeamte aus dem sächsischen Wissenschafts- und dem sächsischen Innenministerium an. Auch der Vorsitzende des Stiftungsvorstandes wird von der Bundeskulturbeauftragten entsandt, die ihrerseits direkt im Bundeskanzleramt angesiedelt ist. Zahlreich sind die völkischen Stiftungen aus dem Umfeld der »Vertriebenen«-Verbände, und in vielen arbeiten maßgebliche »Vertriebenen«-Funktionäre eng mit Vertretern von Bundes- und Landesministerien zusammen. So etwa in der »Kulturstiftung der deutschen Vertriebenen«, die ihren Sitz in Bonn hat und revisionsorientierte völkerrechtliche Arbeiten unterstützt. Mehrere Stiftungen unterstützen konkrete »Vertriebenen«-Institutionen, etwa die »Stiftung Haus Oberschlesien« oder die Düsseldorfer »Stiftung Gerhart-Hauptmann-Haus«. Die »Stiftung Ostdeutscher Kulturrat« hingegen widmet sich der Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses; sie prämiert Dissertationen, »die sich mit den historischen deutschen Ostgebieten und den Siedlungsgebieten der Deutschen im Osten und Südosten Europas beschäftigen«, mit einem Wissenschaftspreis. Was passieren kann, wenn eine völkisch ausgerichtete Stiftung nicht staatlicher Kontrolle untersteht, das zeigt exemplarisch die Geschichte der Düsseldorfer »Hermann-Niermann-Stiftung«. Die Stiftung, die ihre gesamte Tätigkeit der Unterstützung »ethnischer Minderheiten und Volksgruppen« widmet und besonderes Augenmerk auf die »Förderung (...) der deutschen Sprache und Kultur in den Minderheitengebieten Europas« richtet, hat in den vergangenen zehn Jahren 15 Millionen Euro Fördergelder vergeben. Von den Geldern profitieren unterschiedlichste Projekte, die meist das Deutschtum außerhalb Deutschlands stärken, oft in Herkunftsgebieten von »Vertriebenen«. In Tschechien erhielten im Jahr 2004 etwa das Adalbert-Stifter-Zentrum sowie die germanistische Abteilung der »Schlesischen Universität« in Ostrava Geld aus Düsseldorf. In ihren ersten Jahren war die 1977 gegründete Stiftung weitgehend frei von unmittelbarer staatlicher Kontrolle, abgesehen natürlich von der gesetzlich vorgeschriebenen Stiftungsaufsicht. Während dieser Zeit besaß der Gründer der österreichischen Nationaldemokratischen Partei (NDP), Norbert Burger, großen Einfluss in der Institution. Burger teilte ihre völkische Ausrichtung und plädierte ebenfalls für die Unterstützung von »Volksgruppen«, hatte allerdings ein etwas radikaleres Verständnis von einer solchen Tätigkeit. Er war nach dem Urteil italienischer Gerichte in Sprengstoffanschläge verwickelt, mit denen die »Südtirol«-Autonomiebewegung in den 50er und 60er Jahren radikalisiert und der Anschluss an Österreich herbeigebombt werden sollte. 1987 deckte ein von der Stiftungsaufsicht eingesetzter Sachwalter auf, dass für arme Bergbauern bestimmte Stiftungsgelder an separatistische Organisationen umgeleitet wurden und für wissenschaftliche Arbeiten vorgesehene Mittel in die Kassen der österreichischen NDP flossen. Der Spaß war rasch vorbei, noch im Juni 1987 wurde ein Ministerialrat aus dem Bundesministerium für innerdeutsche Beziehungen zum neuen Vorstandsvorsitzenden der Stiftung gewählt. Der räumte auf, und seitdem fördert die Hermann Niermann-Stiftung zwar völkisch orientierte Projekte, aber keine mehr, die öffentliches Aufsehen hervorrufen.