Supermacht Europa – Die rechten Konzepte der Paneuropa-Union
»Es ist an der Zeit, dass die Europäer sich dazu entschließen, Europa zu einer souveränen Macht auszubauen, welches mittels der Technologien des 21. Jahrhunderts selbst seine Unabhängigkeit und seine Sicherheit gewährleistet«, sagte Alain Terrenoire nach seiner Wahl zum neuen Präsidenten der Internationalen Paneuropa Union (PEU) Ende 2004. Der französische Konservative ist der Nachfolger von Otto Habsburg (CSU), der die Organisation seit 1972 führte.
Gegründet wurde die PEU 1923 von dem Adeligen Richard Coudenhove-Kalergi, um eine Föderation der europäischen Staaten zu schaffen. Anfänglich war die Organisation mit Sektionen in 23 Staaten populär, denn zahlreiche Politiker und Prominente unterstützten sie. Die Kongresse der PEU waren öffentlichkeitswirksame Großveranstaltungen und mehrere Regierungen und Unternehmen finanzierten den Verband. Doch trotz anfänglicher Erfolge blieb die PEU einflusslos, da sich die europäischen Regierungen weiterhin nationalstaatlich orientierten.
Ständestaat als Vorbild
Paneuropa war in den 20er Jahren nur eines von vielen Europakonzepten, die zur Durchsetzung ökonomischer und politischer Interessen diskutiert wurden. Neben offen imperialen Plänen erschien Paneuropa auf den ersten Blick anti-national und friedlich. Die europäische Einigung sollte aber nur das Mittel zur Errichtung einer Weltmacht sein, um mit der Sowjetunion, Großbritannien, den USA und Asien zu konkurrieren. Das Programm der PEU war antikommunistisch, antidemokratisch, antifeministisch, elitär und kolonial geprägt. Revanchistische Forderungen Deutschlands und völkisch definierte Minderheitenrechte fanden sich ebenso darin. Auf der Grundlage einer eigenen Rassentheorie schwadronierte Coudenhove-Kalergi von »Menschenzucht« und kritisierte den NS-Arierwahn als »Attentat gegen den Begriff der weißen Rasse«. Als Vorbild einer neuen Gesellschaft empfahl der PEU-Chef den autoritären österreichischen Ständestaat und sympathisierte mit Mussolinis Italien.
Mit der Machtübertragung an die Nazis 1933 und dem Anschluss Österreichs 1938 war die PEU tot. In Deutschland löste sie sich 1933 freiwillig auf. Die Verfolgung ihrer Ziele überließ sie nun »einer tatkräftigen Reichsregierung«, erklärten die Paneuropäer. Nach dem Sieg der Alliierten kehrte Coudenhove-Kalergi zurück und warb erneut für seine Idee. Überall entstanden damals Europa-Verbände und die europäische Einigung wurde Regierungspolitik. Gerade in der BRD setzte ein großer Teil der Rechten auf Europa, denn Deutschlands Rückkehr auf die Weltbühne war nur auf diesem Weg möglich.
Antikommunistische Sammlungsbewegung
Trotzdem gelang es dem PEU-Gründer nicht, sich politisch zu verankern. Weder seine 1947 gegründete Europäische Parlamentarier Union noch die wiederaufgebaute PEU gewann bis zu seinem Tod 1972 Einfluss. Seit Mitte der 50er Jahre sammelte sich aber eine Strömung in der PEU, die sie später auf Erfolgskurs bringen sollte. Der Bundestagsabgeordnete und spätere Bundesvertriebenenminister Hans Joachim Merkatz (Deutsche Partei, CDU) sowie der damals parteilose Otto Habsburg, ältester Sohn des letzten Kaisers von Österreich-Ungarn, übernahmen Posten bei den Paneuropäern. Mit Erich Mende (FDP) wurde 1967 ein profilierter Rechter Vorsitzender der deutschen PEU. Seit der Wahl von Habsburg zum Präsidenten der Internationalen Sektion 1973 ging es dann richtig los.
Eine Gruppe prominenter Rechter begann nun, aus den Resten der alten PEU eine Sammlungsbewegung aufzubauen. Die Grundlagen waren ein strikter Antikommunismus, die gemeinsame Europaidee und das Christentum. Parteiübergreifend vereinten sie verschiedene Strömungen, die seit Jahren nebeneinander arbeiteten, z.B. die Abendländische Akademie, das Franco-nahe CEDI, die Deutschland-Stiftung, Teile der deutschen Vertriebenen, Monarchisten sowie Vertreter rechter Parteien und Regierungen Europas. Bis 1989/90 kooperierte die PEU immer wieder mit der extremen Rechten. Heute bestehen nur noch vereinzelt Kontakte dorthin, da der Antikommunismus als einendes Moment bedeutungslos geworden ist. Ein Trennstrich nach rechts wurde nur dann gezogen, wenn es um eine konkurrierende Europa- und Deutschlandpolitik ging.
Denn die »Europäisierung der deutschen Frage« (Franz Josef Strauß) war seit 1973 zentrales Thema der PEU. Ein politisch, militärisch und ökonomisch starkes Europa sollte den sozialistischen Staaten geeint entgegentreten und den Anschluss der DDR an die BRD sowie den Zerfall dieser Staaten unter dem Vorbehalt der Westorientierung vorantreiben und ökonomische Anreize für einen politischen Wandel schaffen. Praktisch wurde dies von der PEU mit subversiver Wühlarbeit in Ost- und Südosteuropa unterstützt (siehe AIB #49). Mit der Transformation der sozialistischen Staaten seit 1989 ist die PEU noch nicht zufrieden. Sie strebt die Neuordnung ganz Europas an.
Volksgruppenzoo
Nachdem die EU-Strukturen aufgebaut, der Kommunismus besiegt und der Zugang zu den ehemaligen Ostgebieten frei ist, stehen neue Aufgaben an. Die PEU will einerseits die Wirtschafts-, Technologie-, Außen- und Militärpolitik auf der Ebene der EU zentralisieren und andererseits die Sozial- und Kulturpolitik gemäß dem katholischen Prinzip der Subsidiarität in die kleinst möglichen gesellschaftlichen Einheiten verlagern. Außerdem sollen die bestehenden Staaten in Regionen und Volksgruppen zersplittert und somit geschwächt werden. Da Deutschland als völkisch fast homogen angesehen wird, bliebe es dagegen erhalten und würde durch die Anbindung »deutscher« Minderheiten in Ost- und Südosteuropa noch gestärkt. Gerade in Russland gebe es noch zahlreiche angeblich unterdrückte Volksgruppen. »Russland muss sich dekolonialisieren«, forderte daher 2000 der PEU-Funktionär Karl Habsburg.
Durch die Verankerung in der CDU/CSU, bei den Vertriebenen und den europäischen Institutionen gewann die PEU seit den 70er Jahren an Einfluss. Habsburg wurde ein wichtiger außenpolitischer Berater der CSU und in das erste frei gewählte Europaparlament zogen 1979 33 PEU-Mitglieder ein. 2003 hatte die PEU-nahe Paneuropa-Intergruppe dort nach eigenen Angaben bereits 100 Mitglieder. Neben konzeptioneller Arbeit versucht die PEU vor allem, sich als Forum zur Koordination konservativer Europapolitik zu etablieren. Über ihre institutionellen Einbindungen gelingt ihr dies auch immer wieder, aber ihr tatsächlicher Einfluss darf nicht überschätzt werden.
Die Wahl eines Franzosen an die Spitze der PEU bedeutet keinen Politikwechsel. Denn die dominante deutsche Sektion ist im internationalen Präsidium mit dem Vizepräsidenten des Europäischen Parlaments, Ingo Friedrich (CSU), dem katholischen Verleger Dirk Hermann Voß sowie dem rechten Multifunktionär und Europaparlamentarier Bernd Posselt (CSU, Sudetendeutsche Landsmannschaft) weiterhin stark vertreten. Der Schwerpunkt der PEU liegt derzeit in der Etablierung eines politisch, technologisch und militärisch starken und souveränen Raumes, der weltweit seine Interessen, auch in Konkurrenz zu den USA, durchsetzen kann. Das Motto des für April 2006 in Wien und Bratislava geplanten Internationalen Kongresses lautet daher: »Europa. Supermacht des Friedens und der Freiheit«.