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Die Paneuropa Union und die Zerlegung Jugoslawiens

Einleitung

Die Tatsache, daß es im Sommer 1991 gerade die Bundesregierung war, die die internationale Anerkennung Sloweniens und Kroatiens als unabhängige Staaten durchsetzte, hat in den Debatten über die Rolle Deutschlands bei der Zerschlagung Jugoslawiens eine wichtige Rolle gespielt. Gelegentlich diskutiert wurde in diesem Zusammenhang auch die ethnische Parzellierung Europas, die die BRD über Organisationen wie die Föderalistische Union Europäischer Volksgruppen (FUEV) oder das Das Europäische Zentrum für Minderheitenfragen (EZM) betreibt. Nicht erwähnt wurde bisher die Jugoslawien-Politik der internationalen Paneuropa-Union, vor allem ihrer deutschen Sektion - obwohl diese eng mit der CDU und vor allem der CSU zusammenarbeitet, über einen gewissen Einfluß zu verfügen scheint und spätestens nach Titos Tod begonnen hat, sich an der Zerlegung Jugoslawiens zu beteiligen.

Bild: wikimedia/Groupsixty/CC BY-SA 3.0

DDR-BürgerInnen nach dem »Paneuropa-Picknick« am 19. August 1989.

Die Paneuropa-Union (PEU) - gegründet 1922 von Richard Nikolaus Graf von Coudenhove-Kalergi - existiert heute in 30 Staaten Europas.

Zusammengefaßt sind die nationalen Paneuropa-Unionen in der internationalen Paneuropa-Union, die Otto von Habsburg,  seit seiner Amtsübernahme als Präsident 1973 zu einer schlagkräftigen Organisation ausgebaut hat. Ihr Ziel ist die Schaffung eines regionalistisch gegliederten Großeuropa vom Atlantik bis zur Ukraine, das mit den anderen Weltmächten - den USA, China, Japan, Rußland - um die globale Vorherrschaft kämpfen soll.

Die ultrakonservative PEU vertritt einen stark christlich geprägten Euro-Chauvinismus. Sie ist vor allem in Gremien der Europäischen Union, insbesondere im Europaparlament aktiv; im letzten Europaparlament bekannten sich etwa 80 ParlamentarierInnen - darunter Prominente wie der ehemalige belgische Ministerpräsident Leo Tindemans - zu ihren Zielen. Die internationale PEU arbeitet teilweise eng mit dem katholischen Klerus zusammen, die PEU Deutschland vor allem mit der CSU und mit den deutschen Vertriebenenverbänden, darunter besonders mit der Sudetendeutschen Landsmannschaft. Ein zentraler Punkt der PEU-Programmatik war von Anfang an ein kompromißloser Antikommunismus. Bis 1989 gehörte es zu ihren unaufgebbaren Zielen, die realsozialistischen Systeme in Osteuropa zu stürzen. Öffentlichkeitsarbeit, unermüdliche Denunziation und Lobbypolitik im Europaparlament, aber auch aktive Unterstützung der antikommunistischen Opposition in zahlreichen osteuropäischen Staaten waren die Mittel, mit denen die PEU ihren Kampf führte. Unter anderem in der Tschechoslowakei, Polen und Ungarn, im Baltikum und in Jugoslawien gründeten sich in den 80er Jahren Paneuropa-Untergrundgruppen.

Den Höhepunkt ihrer antikommunistischen Wühlarbeit stellte das »Paneuropa-Picknick« vom 19. August 1989 dar, das u.a. von der damaligen stellvertretenden Generalsekretärin der internationalen PEU, Walburga Habsburg Douglas organisiert wurde. In Absprache mit den Regierungen der BRD, Österreichs und Ungarns, für die die direkte Öffnung der Grenzen noch zu riskant gewesen wäre, durchschnitten PEU-AktivistInnen, während einer PEU-Großveranstaltung nahe der ungarischen Grenzstadt Sopron den österreichisch-ungarischen Grenzzaun; über 600 DDR-BürgerInnen gelang die Flucht in den Westen.

Bezüglich Jugoslawiens hatte der antikommunistische Kampf eine Besonderheit. Schon in den siebziger Jahren regten sich in jugoslawischen Teilrepubliken separatistische Bewegungen, die auf eine Loslösung aus dem Staatsverband zielten. Dieser Umstand ließ es möglich erscheinen, mit einer langfristig angelegten Politik einen Keil zwischen die beiden (relativ) reichen Teilrepubliken Slowenien und Kroatien und das (relativ) arme Restjugoslawien zu treiben.

Der jugoslawische Selbstverwaltungssozialismus schien darüberhinaus die Gelegenheit zu bieten, marktwirtschaftliche Elemente in den reichen Teilrepubliken zu fördern und perspektivisch deren Annäherung an die (damalige) Europäische Gemeinschaft zu forcieren. Ganz zu diesem Konzept passend beteiligte sich die bayerische CSU-Landesregierung im Jahr 1978 an der Gründung der Arbeitsgemeinschaft Alpen-Adria. In ihr waren außer Bayern sowie den Regierungen einiger österreichischer und norditalienischer Regionen die Regierungen Sloweniens und Kroatiens vertreten; ihre Zielsetzung bestand in einer Verbesserung der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit und damit verbunden in einer Annäherung Sloweniens und Kroatiens an Westeuropa.

An der Gründung der Arbeitsgemeinschaft Alpen-Adria, die in Serbien verärgerte Reaktionen hervorrief, waren zwei CSU-Politiker beteiligt, die ihre Europapolitik im Zusammenhang mit der PEU entwickelt haben: Alfons Goppel, bis 1978 bayerischer Ministerpräsident, ab 1979 Präsident der PEU Deutschland, und Franz Josef Strauß, ab 1978 bayerischer Ministerpräsident, seit seiner Jugend Anhänger der Paneuropa-Bewegung und später Mitglied des Ehrenrates der internationalen PEU. 1981 initiierte dann der Schweizer Vittorio Pons, Generalsekretär der internationalen PEU, den Paneuropakreis Alpen-Adria. In ihm arbeiteten Mitglieder und Sympathisantinnen der PEU aus Österreich, der Schweiz, Italien, Süddeutschland, Ungarn, Slowenien und Kroatien zusammen. Der Paneuropakreis Alpen-Adria sollte ähnlich der Arbeitsgemeinschaft Alpen-Adria Vorschläge zur Verbesserung der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit erarbeiten.

Im Oktober 1988 lockte Otto von Habsburg in der PEU-Zeitschrift Paneuropa Deutschland Slowenien offen mit dem Reichtum der damaligen EG, gegenüber der der Wirtschaftsverband Jugoslawien als Armenhaus erscheinen mußte: »Die Slowenen passen nicht in das jugoslawische System. Ihr Ideal wäre ein unabhängiges Slowenien als Teil der Europäischen Gemeinschaft.« Parallel zu den Projekten, die letztlich darauf abzielten, das realsozialistische Jugoslawien durch das Herausbrechen von Slowenien und Kroatien zu schwächen, unterstützte die PEU seit Beginn der 80er Jahre die antikommunistische jugoslawische Opposition, und zwar - strategisch passend - besonders slowenische und kroatische AntikommunistInnen, die jeweils eigenständig organisiert waren. Vor allem der »Nationalrat der Kroaten im Exil« spielte, so der derzeitige Präsident der PEU Deutschland, Bernd Posselt, eine wichtige Rolle in der Paneuropa-Bewegung. Der damals in New York lebende Präsident des kroatischen Nationalrats, Ivan Meštrović , berichtete seit Beginn der 80er Jahre mehrfach vor der Arbeitsgruppe Mittel- und Osteuropa im Europaparlament über die Situation in Jugoslawien - auf Einladung Otto von Habsburgs, des Präsidenten dieser Arbeitsgruppe. PEU-Chef Habsburg ermöglichte es außerdem dem Slowenen France Bučar, gelegentlich im Europaparlament aufzutreten. France Bučar, wegen antikommunistischer Umtriebe vom Dienst suspendierter Hochschullehrer, organisierte in den 80er Jahren die im Untergrund tätige PEU Slowenien, die 1990 - France Bučar war gerade zum Präsidenten des ersten postsozialistischen slowenischen Parlamentes gewählt worden - ihre offizielle Gründung nachholte.

Die PEU unterstützte den slowenischen und den kroatischen Separatismus nicht zuletzt dadurch, daß sie - vor allem im Europaparlament - die Durchsetzung des »Selbstbestimmungsrechts der Völker«, eingebunden in ein europäisches Volksgruppenrecht, forderte. Zunächst geschah dies vor allem, um die realsozialistischen Staaten in Osteuropa zu delegitimieren: Die Bevölkerungen dieser Staaten sollten selbst entscheiden dürfen, ob sie weiterhin unter realsozialistischer Herrschaft leben wollten oder nicht. Im Falle Jugoslawiens griff die Forderung nach dem Selbstbestimmungsrecht der Völker allerdings weiter. Da an separatistisch-antikommunistische Bewegungen angeknüpft werden konnte, forderte die PEU nicht das »Selbstbestimmungsrecht der Jugoslawen«, sondern gleich das »Selbstbestimmungsrecht der Slowenen und der Kroaten«. Hier wurde das Konzept schon erkennbar, das die PEU durchgängig verfolgt, seit die osteuropäischen Bevölkerungen selbst über die Abschaffung des Realsozialismus entschieden haben: Die Zerlegung Europas in Volksgruppen, für die ein europäisches Volksgruppenrecht gefordert wird, damit sie unabhängig werden können.

Das offensichtlich angestrebte Ziel: Ein regionalistisch strukturiertes »Großeuropa der Volksgruppen«. Im Europaparlament ist die PEU der Verwirklichung eines europäischen Volksgruppenrechts seit 1979 nach und nach näher gekommen, und der Stimmenzuwachs der EVP bei den letzten Wahlen dürfte ihre Chancen verbessert haben. Der nahtlose Übergang von der antikommunistisch inspirierten Forderung nach dem Selbstbestimmungsrecht der Völker zur Forderung nach einem europäischen Volksgruppenrecht zwecks regionalistischer Zersetzung bestehender Nationalstaaten zeigt dabei zweierlei: Zum einen, wie langfristig die politischen Strategien der PEU konzipiert sind; und zum anderen, wie eng die PEU Deutschland dabei mit CDU und CSU zusammenarbeitet. Dies belegt eine gemeinsame Erklärung der PEU und des damaligen Bundeskanzlers Helmut Kohl von 1986. Dort hieß es:

»Europa endet nicht am Eisernen Vorhang, sondern umfaßt selbstverständlich auch alle Völker Ost- und Mitteleuropas. Daher gilt es, für deren Selbstbestimmungsrecht einzutreten, nicht zuletzt, weil die im Grundgesetz verantworte Überwindung der Teilung Deutschlands die Überwindung der Teilung Europas voraussetzt. Schon jetzt ist es eines der wichtigsten Prinzipien einer Europa-Politik, die diesen Namen verdient, auf die Verwirklichung der Menschenrechte, des Volksgruppenrechtes und des Rechtes auf die angestammte Heimat in ganz Europa hinzuwirken.«

Die gemeinsame Erklärung von Kohl und PEU Deutschland endete mit den Worten: »Zur Verwirklichung dieser Zielsetzungen wollen die Bundesregierung und die Paneuropa-Union eng und gut zusammenarbeiten.« Für die Bundesregierung war die PEU dabei recht nützlich; vieles, was als unmittelbare Aktion der Regierung international noch nicht ohne eingrenzbaren Schaden hätte durchgeführt werden können, ließ sich durch eine nicht-staatliche Organisation wie die PEU relativ problemlos bewerkstelligen. Bestes Beispiel hierfür ist das erwähnte »Paneuropäische Picknick«, das einen wichtigen Beitrag zur finalen Destabilisierung der DDR leistete. Nicht anders verhielt es sich mit der Forderung nach Anerkennung Sloweniens und Kroatiens als unabhängiger Staaten. Verschiedene Paneuropa-Unterorganisationen hatten sich seit spätestens September 1990 öffentlich mit dieser Forderung hervorgetan, und im März 1991 gelang es Otto von Habsburg sogar, im Europaparlament ein Bekenntnis zum Selbstbestimmungsrecht der Einzelrepubliken Jugoslawiens durchzusetzen.

Als die Regierung der BRD im Sommer begann, sich international für die Unabhängigkeit Sloweniens und Kroatiens einzusetzen, konnte sie an die Vorarbeit der PEU anknüpfen. Auf dem Weg zu einer Zerlegung Europas in Volksgruppen hat die PEU selbstverständlich auch für eine Unabhängigkeit des Kosovo Pionierarbeit geleistet. 1992 wurde im Untergrund die »Republik Kosovo« proklamiert und Bujar Bukoshi zum Untergrund-Ministerpräsidenten gewählt. Im August 1994 - eine Eoslösung des Kosovo von Jugoslawien wurde offiziell noch gar nicht diskutiert - sprach auf einer Kundgebung der PEU Deutschland ein Mitarbeiter Bukoshis; er wurde dabei als »Vertreter des Ministerpräsidenten der Kosovo-Albaner« bezeichnet. Bukoshi warb 1997 auf dem Andechser Europatag der PEU um Unterstützung für seinen separatistischen Kurs und stieß dabei offensichtlich auf Zustimmung.

Mitte 1998 formulierte die PEU Deutschland ihren »Trierer Appell« zum Thema Kosovo, in dem das militärische Eingreifen des Westens sowie eine Anklage gegen den jugoslawischen Präsidenten Slobodan Milošević vor dem internationalen Menschenrechtsgerichtshof in Den Haag gefordert wurden. Auch im Europaparlament konnte die PEU einige Früchte ihres Einsatzes für die Unabhängigkeit des Kosovo ernten. »Vor dem NATO-Rat und allen anderen internationalen Gremien hat das Europa-Parlament schon Anfang Oktober mit erdrückender Mehrheit erklart, daß für eine militärische Intervention der NATO im Kosovo kein zusätzlicher Beschluß des UN-Sicherheitsrates mehr nötig sei«, berichtete Paneuropa Intern am 23. Oktober 1998. Kurz darauf verlieh das Europaparlament den Sacharow-Preis an den Untergrundpräsidenten des Kosovo, Ibrahim Rugova - auf Initiative des PEU-Chefs Otto von Habsburg. Rugova bedankte sich: Das Europaparlament unterstütze seit einem Jahrzehnt die Kosovo-AlbanerInnen, habe als erste internationale Institution auf ihre Unterdrückung durch Serbien hingewiesen, zahlreiche ParlamentarierInnen hätten dem Kosovo in der Vergangenheit Besuche abgestattet. Namen durfte er natürlich nicht nennen. Deutlicher wurde wenige Wochen später der Gründungsvorsitzende der PEU Albanien, der bei deren Gründungsversammlung den Einsatz für die Unabhängigkeit des Kosovo von Seiten der PEU hervorhob - insbesondere von Seiten zahlreicher PEU-Europaabgeordneter.