Intervention ums Ganze?
Ein Gespräch mit der »Antifaschistischen Koordination Köln und Umland« (AKKU) und dem »Antifa AK Köln« (AK)
AIB: Stellt doch einmal kurz vor was und aus welcher Motivation heraus ihr als Gruppe im Rahmen der Proteste gegen den »Anti-Islamisierungskongress« von PRO Köln gemacht habt.
AKKU: Wir haben als erste im Frühjahr 2008 ein Bündnis ins Leben gerufen, mit dem Ziel,dieses so breit und groß wie möglich zu gestalten. Das hat auch funktioniert. In das Bündnis haben wir unsere Vorstellung des Blockadekonzepts reingetragen, das stark an Block G8 angelehnt war. Das Konzept ist auf Zustimmung gestoßen. Natürlich mit mehr oder weniger größeren Konflikten. Wir haben auf den Samstag, den 20.9. für Massenblockaden mobilisiert. Wir haben zusammen mit den BündnispartnerInnen, dem Antifa KOK aus Düsseldorf und der Interventionistischen Linken die Blockadepunkte organisiert. Der Rahmen des Bündnisses war, dass alle Gruppen, die der Meinung waren, dass der Kongress verhindert werden sollte und die den Konsens der Massenblockaden mitgetragen haben, teilnehmen konnten Das waren die Rahmenbedingungen für die Teilnahme an dem Bündnis und die inhaltlich tiefgehende Auseinandersetzung innerhalb dieses Bündnisses haben wir bewusst vermieden. Abgesehen von Verhinderungen war uns auch wichtig: Jeder kann mitmachen. Es gibt keine Ausschlusskriterien. Das heißt, wenn die Grüne Jugend mitmachen will und sie unserem Konzept oder den Konzepten des Bündnisses zustimmt, dann ist das in Ordnung.
AK: Der AK hat sich eigentlich bevor das Kölner Bündnis ins Leben gerufen wurde, daran gemacht, eine bundesweite Antifa-Mobilisierung zu starten; vor allem mit zwei Zielsetzungen: Natürlich zum einem die Leute nach Köln zu mobilisieren, um den Kongress zu verhindern. Zum anderen eine inhaltlichen Schwerpunktsetzung vorzunehmen: Zwei Themen zu debattieren und somit die Forcierung einer Standortbestimmung hinzubekommen. Das eine Thema war die Fragestellung, wie der Rechtspopulismus sich in die gesellschaftliche Ordnung eingliedert? Und die andere Fragestellung war nach dem Islam und der Bewegung des Islamismus, inwiefern dort eine Kritik und welche Kritik daran zu formulieren sei. Deswegen haben wir im Rahmen der Mobilisierung neben mehreren Veranstaltungen in verschiedenen Städten auch noch eine Antifakonferenz mit mehreren ReferentInnen zu diesen zwei Schwerpunktfragestellungen initiiert und haben uns an dem Wochenende selbst hauptsächlich auf den 19.September konzentriert, an dem wir eine bundesweite antifaschistische Demonstration mit diversen anderen Antifa-Gruppen und insbesondere mit dem »Ums Ganze«-Bündnis durchgeführt haben. Zentrales Anliegen war, neben der Kritik am Rechtspopulismus und am Islamismus auch zu verdeutlichen, dass mit uns kein Staat zu machen ist. Was dann durch die Aktionsform an der Ausländerbehörde verdeutlicht wurde.
AIB: Wie soll die Antifabewegung mit rechtsextremen Großveranstaltungen umgehen? Was denkt ihr sind im Jahr 2008 noch Möglichkeiten gegen solche Events politisch vorzugehen?
AKKU: Wir glauben, dass generell die Zielsetzung der Verhinderung eine richtige ist, die man auch weiter verfolgen sollte, natürlich unter dem Aspekt, sich nicht aufzureiben angesichts der zahllosen Naziaufmärsche. Wichtig ist aber auch, sich über neue Aktionsformen Gedanken zu machen. Das hat der 20.9. auch gut gezeigt, dass konventionelle Konzepte, wie Demos, Kleingruppenkonzept usw. eigentlich ihre Unwirksamkeit schon ziemlich oft gezeigt haben und es eher darum geht, mit breiten Bündnissen Möglichkeiten zu schaffen, viele Leute auf die Straße zu bringen. Und dann sind auch Aktionsformen wie Massenblockaden viel leichter umzusetzen. Mit 800 Antifas hätten wir am 20.9. den Kongress nicht blockieren können. Wir denken natürlich nicht, dass bei jeder Kleinstneonazidemonstration es möglich und auch sinnvoll, ist monatelange Bündnisarbeit zu machen und ein lang vorbereitetes Blockadekonzept durchzuführen. Man muss sich aber schon die Frage stellen, ob man für die großen Nazidemonstrationen in Deutschland nicht neue Konzepte entwickeln muss, wo solche Aktionsformen und auch bündnispolitische Gesichtspunkte ihren Niederschlag finden.
AK: Ich finde die Frage kann man so pauschal gar nicht beantworten. Es gibt verschiedene Möglichkeiten. Man sollte bei der Planung als Hauptpunkt darauf achten, dass man ein Konzept auswählt, das sowohl berücksichtigt, dass sich die Polizeitaktik, in den letzten Jahren gewandelt hat, aber andererseits auch versucht möglichst effektiv und wahrnehmbar diese Großevents zu verhindern, zu stören und dabei auch einen eigenen Standpunkt zu setzen. Unserer Meinung nach nehmen die rechten Großevents an Bedeutung zu. Sie haben eine große selbstreferentielle Bedeutung für die Nazis. Insofern sollte man sich auch zukünftig mehr darauf konzentrieren diese Großevents aufs Korn zu nehmen. Ob nun Antifademo oder Kleingruppenstrategie das richtige ist, kann nicht per se gesagt werden, jedoch kann man auch nicht bestreiten, dass es in den vergangenen Jahren häufig diesen beiden Konzeptionen nicht geklappt hat effektive die Nazievent zu verhindenr bzw. zu stören Wir würden jetzt aber deswegen nicht die Losung rausgeben, dass die einfache Antwort immer ist, Blockadekonzepte mit zivilgesellschaftlichen Akteuren zu suchen, sondern man sehr konkret in den verschiedenen Situationen in den konkreten Städten gucken muss, welche Möglichkeiten sich ergeben. Darunter fallen z.B. auch direkte Aktionsformen, die noch immer in gewissen Situationen auch praktisch zur Verhinderung beitragen können.
AIB: Ihr von AKKU habt ja auf eine Bündnisstrategie gesetzt. Wo würdet ihr sagen, ist das Ende von einem Bündnis zu setzen? Gibt’s es Punkte, wo ihr nicht mehr mit Gruppen oder mit politischen Organisationen zusammenarbeiten würdet? Ist es richtig in einer Stadt wie Köln mit einem Lokalpatriotismus gegen die Rechtsextremen von außerhalb zu agitieren?
AKKU: Natürlich gibt es Grenzen für uns. Es ist auch völlig klar, dass eine linksradikale Gruppe oder Bewegung jetzt nicht wahllos nach Bündnispartnern sucht, sondern es gewisse Bedingungen und Kriterien gibt, mit wem wir zusammenarbeiten wollen und mit wem auch nicht. Aber ich glaube, dass macht jede politische Gruppe so. Köln hat aber auf jeden Fall gezeigt, dass strategische Bündnisorientierung, die auch in die Breite geht, sehr sinnvoll war. Wir wollten zum Beispiel mit der Gewerkschaft zusammenarbeiten,haben aber an einem gewissen Punkt gemerkt, dass es so nicht funktioniert. Dann sind wir auch eher getrennte Wege gegangen. Nach Ansicht von AKKU hat es auch am Schluss ganz gut geklappt. Aber vor allem weil wir da sehr stark waren und die Gewerkschaft dann quasi hinter uns hergezogen ist. Sie hatte Angst, ihre Leute an uns zu verlieren. Worauf man Wert legen muss, ist sich nicht immer nur abgrenzen und schauen, wer ist irgendwie schlimm, mit wem wollen wir nicht zusammenarbeiten. Sondern versuchen, die eigene Stärke zu vergrößern, dann hat man auch einen ganz anderen Stand in Bündnissen. Dann kann man auch ganz andere Inhalte setzen. Die wir auch durchaus gesetzt haben. Zum Beispiel mit die Entscheidung, das Blockadekonzept in das Bündnis rein zu tragen.
Die Grenze im Bündnis ist natürlich dann erreicht, wenn man die Kontrolle darüber verliert, was da passiert. Da muss man schon gucken, dass man da ein Player ist in diesem Bündnis und nicht hinterher rennt. Und dass was dort passiert den eigenen Vorstellungen und den eigenen Politikansätzen total widerspricht. Darum gab es ja eben auch kein gemeinsames Agieren vom DGB/Parteienbündnis und dem Blockadebündnis. Lokalpatriotismus hat in dieser ganzen Sache natürlich eine Rolle gespielt. Es ist auch in Köln eine spezifische Situation vorhanden. Ich denke aber, dass das weniger für das Blockadebündnis und die Blockade eine Rolle gespielt hat, sondern vielmehr für die Stimmung in der Stadt, welche sehr stark von diesem DGB/ Parteienbündnis instrumentalisiert und gepusht wurde. Ob das jetzt für die Leute, die diese Blockaden organisiert und daran teilgenommen haben, wirklich so eine große Rolle gespielt hat, wage ich zu bezweifeln. Wenn eine solche Stimmung besteht, finde ich es aber auch nicht dramatisch, sie zu nutzen.
AK: Solche Bündnisse, die staatsantifaschistisch oder lokalpatriotisch ausgelegt sind, sind unserer Meinung nach prinzipiell abzulehnen und auch zu kritisieren. Wir sehen aber noch ein weiteres Problem in Bündnissen mit Akteuren aus der nicht linksradikalen Ecke, welches sich auch im September ganz klar gezeigt hat, nämlich dass in solchen Bündnissen die eigenen linksradikalen Positionen häufig vollkommen verschwinden. Es gab in diesem »hingesetzt«-Bündnis, genauso wie im DGB-Bündnis keinerlei Inhalte mehr zu dem was eigentlich passiert, sondern blieb darauf begrenzt: Nazis sind doof und darum gehen wir Bier trinken oder alternativ uns irgendwo hinsetzen. Und das kann nicht der Inhalt oder das Ziel politischer Arbeit sein. Es kann nicht sein, dass man sich ständig nur an Nazievents abarbeitet und diese blockiert oder gezielt stört, sondern es muss immer dabei auch eine eigene politische Position vermittelt und die auch gegen andere Stimmen in so einem Bündnis durchgesetzt werden. Das ist, wie man schon häufig gesehen hat, auch bei anderen Veranstaltungen häufig nahezu unmöglich.
Der Ausgangspunkt für diese strategische Bündnisoption ist häufig das Fehlen einer eigenen linksradikalen Gesellschaftskritik, bzw. der Absicht eine solche Kritik überhaupt zu formulieren und nach außen zu tragen. Daraus entspringt dann ein fatales Praxisverständnis, das die Überschreitung oder Verletzung eines Rechtsgutes zu einer heiligen Kuh macht, welche angeblich eine Bewusstseinsänderung der Menschen, die an der Überschreitung oder Verletzung des Rechtsgutes beteiligt sind, zur Folge haben solle. Dies kritisieren wir, dar erstens diese Bewusstseinsveränderung überhaupt nicht näher bestimmt ist und von daher auch nicht eintreten muss und zweitens das, gekoppelt mit dem Fehlen der Artikulation eines eigenen linksradikalen Standpunkts, dann häufig dazu führt, dass innerhalb des Bündnisses eine Anpassung an das falsche Bewusstsein, zum Beispiel die Verklärung des Staates zum neutralen Akteur (ziviler Ungehorsam), vonstatten geht und überhaupt keine linksradikalen Positionen mehr erscheinen. Das hat dann im Nachgang häufig zur Folge, dass die Einbindung von Leuten in die eigenen linksradikalen Strukturen gar nicht mehr möglich ist, da diese keinen Unterschied mehr darin sehen, ob sie bei Antifa, Attac oder DGB organisiert sind. Wir wollen damit nicht zum Sektierertum raten, was dann wahrscheinlich häufig der Vorwurf wäre, wenn man so etwas formuliert. Wir stehen auch für die Intervention ein, wir wollen uns auch die Hände schmutzig machen, glauben aber nicht, dass das über Bündnisoptionen geschehen muss und würden stattdessen in den Fokus stellen, dass die Praxis als Ableitung aus dem Politischen sehen ist und dazu muss erst mal der eigene politische Standpunkt bestimmt sein.
AKKU: Ich glaube wir haben da einfach verschiedene Definitionen von Linksradikalismus. Ich sehe Linksradikalismus nicht als einen Zustand, in dem man eine möglichst radikale Kritik erstmal findet, die dann in irgendeiner Form aufschreibt und dann guckt, wer so einer radikalen Kritik oder ich nenne es jetzt mal Wahrheit folgt. Ich sehe linksradikales politisches Denken und Handeln als einen Prozess an, in dem man auch Leute für eine linksradikale Option gewinnen muss. Ich sehe das auch nicht so, dass das Bündnis, unsere Option oder unser Wirken im Bündnis inhaltslos war. Es gab auch gewisse inhaltliche Klammern in diesem Bündnis: Keine Meinungsfreiheit für Rassisten und die Legitimität direkter Aktionen. Denn nichts anderes waren die Blockaden und auch andere Aktionen, die zur Verhinderung beigetragen haben,. Das heißt nicht, dass damit unser inhaltlicher linksradikaler Standpunkt erschöpft ist. Aber politischer Inhalt, den man selber hat und den man in ein Bündnis reinträgt sind zweierlei Paar Schuhe.
Ich werde mal konkreter: Zum einen ist es wichtig, sich anzugucken, wer ist AKKU eigentlich? AKKU ist keine Gruppe mit einer 10jährigen Tradition, die politische Texte verfasst und schon lange tiefgehende inhaltliche Arbeit macht. AKKU ist eine Koordination von Antifagruppen und Einzelpersonen, die es de facto erst seit Anfang diesen Jahres gibt. Das muss man auch beachten, wenn man Kritik an AKKU übt. Zum anderen halte ich es für fatal, abzustreiten, dass über Bündnisarbeit ein Politisierungsprozess entsteht. Denn genau das ist passiert. Der 20. 9. hat gezeigt, dass so eine Bündnisorientierung total erfolgreich sein kann, weil die Bündnispartner sich politisiert und auch radikalisiert haben. Die haben letztendlich Sachen gemacht und mitgetragen, die sie am Anfang strikt abgelehnt hätten. Und letztlich waren das die Leute, die mit uns am vehementesten blockiert haben und am ehesten den Nazis den Weg nach Hause gezeigt haben. Und genau so ein Politisierungsprozess über die Organisierung von Aktionen ist durchaus auch inhaltlich. Auch das Anknüpfen an Heiligendamm oder Blockaden von Naziaufmärschen ist eine inhaltliche Aussage. Es wurde von uns auch nie gesagt: Pro Köln sind Neonazis und die sind doof. Da wurde durchaus differenziert. Es wurde vielleicht medial anders aufgegriffen, aber vom Bündnis wurde immer gesagt: Das sind Rechtspopulisten, die greifen Themen und Ressentiments aus der Mitte der Gesellschaft auf und wandeln sie in rassistischer Form um. So wurde das auch nach außen getragen. Das finde ich aber auch richtig. Genauso muss man auch mit Pro Köln umgehen.
AK: Als rückblickendes Resultat muss das Untergehen der Blockaden in einer heiligen Volksfront festgestellt werden. Deswegen sollte eher geguckt werden, was in diesem Politiserungsprozess dann vielleicht schiefgegangen ist. Punkt Nummer 1: Es wird jetzt auch wieder die Praxis, also die konkrete Aktion der Blockade, zu einem politischen Moment erklärt. Nur das Setzen an sich oder die Blockade an sich bedeuten noch nicht eine große theoretische Reflexion des Ganzen und ersetzen nicht die Auseinandersetzung mit dem Rechtspopulismus oder dem Faschismus in der Gesellschaft und der Gesellschaft an sich. Der Ausgangspunkt wäre von linksradikaler Seite erstmal die Bestimmung dessen, was Rechtspopulismus und was Faschismus ist und wie der gesellschaftliche Nährboden des Ganzen aussieht. Und dann die Frage: Wie könnte man das in einem praktischen Prozess und einer Reflexion dieser Praxis in es schaffen auch die eigenen Standpunkte an die Leute heran tragen.
Dann müsste nämlich die Zielrichtung des ganzen Unternehmens auch eine andere, eine inhaltlich fundierte Praxis sein und nicht einfach die Schnittmenge des praktisch Möglichen bzw. von allen Bündnispartnern vertretenden, was am Ende für euer Bündnis stand. Hier ist die große Differenz und wo wir sagen, dass eine linke Intervention sich auch die Fragen gefallen lassen muss: Was ist bei den Leuten hängen geblieben? Was haben sie aus dem, was sie getan haben, reflektiert? Und wenn am Ende übrig bleibt, wir haben die Nazis blockiert, dann haben sich die Leute nicht die Frage gestellt, was sind Rechtspopulisten? Was ist ihr politisches Programm? Und wie hängt das mit der Gesellschaft zusammen? Was die Grundlage für weitere Auseinandersetzungen bzgl. des Rechtspopulismus wäre.
AKKU: Wir haben eine andere Zielrichtung gehabt. Mit diesen Massenblockaden war das Ziel die Verhinderung des Kongresses. Wir wollten verhindern, dass über diesen Kongress der rechtsextreme Populismus in Deutschland eine zukunftskräftige Kraft wird, wie er in anderen Ländern bereits ist. Es war unser Anliegen, dass von diesem Kongress keine Strahlkraft ausgeht, aus Pro NRW nicht bald Pro Deutschland und hier ein politischer Faktor wird. Das war unser Ziel. Unser Ziel war nicht, möglichst viele Leute hinter einer vermeintlich linksradikalen Wahrheit zu sammeln. Unser Ziel war es, Pro Köln bei diesem Prozess dazwischen zu funken und möglichst viele Leuten für ein direktes Vorgehen zu gewinnen.
AK: Ihr habt euch selbst widersprochen. Einaml sagt Ihr, dass das Hinsetzen eure Message wäre, dann wieder, dass es euch gar nicht darum ging, dass Ihr inhaltlich etwas vermitteln wolltet.Ihr verkauft wieder dieses Hinsetzen und das Verhindern als Message, als Inhalt. Und das ist es einfach nicht. Wie weit sollen sich Antifagruppen bei Protesten mit der Themensetzung der Nazis/Rechtspopulisten auseinandersetzen? Oder spielt es für die konkrete Aktion erst einmal keine große Rolle?
AKKU: Es spielt schon eine Rolle, gegen oder für was die Nazis demonstrieren. Wenn sie gegen den Krieg laufen, ist es was anderes als wenn sie sich an Montagsdemos beteiligen wollen oder wenn es gegen »Kinderschänder« geht. Aber nicht jedes Thema das sie wählen, müssen wir auch selbst aufgreifen. Das sollte eine starke Linke auch können. Zum Beispiel hat PRO Köln gegen den Straßenstrich demonstriert: Man kann zum Thema Prostitution wirklich eine Menge sagen aus linksradikaler Sicht, aber letztlich ist es auch legitim, es nicht zu tun. Wenn es jetzt wie in Köln gegen den Moscheenbau geht, ist das kein Einzelfall. Es ist durchaus sehr wichtig, sich mit den Themen Islamophobie und Rassismus aus der Mitte der Gesellschaft auseinanderzusetzen. Da setzt ja Pro Köln auch an und nicht bei der Rolle der Frau oder der Rolle von Religion in islamischen Gesellschaften. Es geht ihnen darum, rassistische Vorurteile zu aktivieren. Da müssen wir ansetzen und nicht den Nazis hinterher rennen, deren Themen aufgreifen und die selber verwursten.
AK: Also die Frage impliziert ein wenig, als würde die Antifa sich die Themen von den Rechten diktieren lassen. Wenn dem so wäre, fänden wir das total verkehrt. Wir sehen es eher so, dass zum grundlegenden Kampf gegen die Nazis oder gegen Rechtspopulisten die Kritik der Gesellschaft, der kapitalistischen Ordnung sowie der Ideologien, die aus diesen Verhältnissen entspringen zu führen ist. Diese Ideologien, wie Antisemitismus, Rassismus, Sexismus, Sozialdarwinismus finden sich natürlich in zugespitzter Form bei den Nazis wieder. Nichtsdestotrotz bildet die Kritik an der Gesellschaft sowie die Kritik an der faschistischen Ideologie, dass man sich teilweise auf die Themen der Nazis zu beziehen hat um diese kritisieren zu können. Darum tauchen die bei Mobilisierungen der Themen überhaupt auf. Wenn man das Beispiel September nimmt, ist es so, dass der antimuslimische Rassismus zu einem ideologiebildenden Moment für den europäischen Rechtspopulismus geworden ist.
Man muss auch in Betracht ziehen, dass diese vermeintlichen Nazithemen oder rechtspopulistischen Themen, wie jetzt der Moscheebau, es eigentlich gar keine Nazithemen sind, sondern der Nährboden aus dem das Ganze entspringt, ist diese Gesellschaft.. Diese Ressentiments gegen Muslime entspringen ja nicht einem Geistesblitz von Markus Beisicht, sondern sind tief in der Gesellschaft verwurzelt. Somit greifen wir gar nicht Nazithemen auf, sondern Themen, die sich sowieso im gesellschaftlichen Meinungsbildungsprozess befinden.
AKKU: Da wird gerade einiges durcheinander gebracht. Es redet hier keiner dagegen sich mit dem Thema Islamophobie und Rassismus auseinanderzusetzen. Ich glaube da läuft auch die Konfliktlinie und nicht bei der Frage: Redet man jetzt über Rassismus oder nicht. Und das ist auch unsere Aufgabe, genau über diesen Moscheenstreit anzusetzen und über Rassismus zu reden und nicht über: Die Moslems gefährden unsere Kultur.
AIB: Da haben wir das Stichwort: Islamophobie, Islamkritik. »Moscheebauproteste« finden sich ja mittlerweile in ähnlicher Form in vielen Städten in Deutschland. Inwiefern muss sich denn die Antifa auseinandersetzen mit dem Islam, mit dem politischen Islam? Ihr vom AK habt das ja in Eurem Aufruf extra aufgeführt, dass ihr gegen Islamismus seid.
AK: Wir haben mehrfach in der Mobilisierung betont, dass wir beim Thema Islamismus einen ganz großen blinden Fleck in der linken Szene ausmachen. Wir bewerten den Islamismus als eine politisch reaktionäre Bewegung, die genauso wie Faschismus/Neofaschismus auch bekämpft gehört: Häufig betrifft das uns Antifas, als meistens weiße männliche Personen nicht so direkt, aber in migrantischen Communities ist die Islamisierung auf jeden Fall zu spüren und aus einem antirassistischen Verständnis, wie wir es haben, gilt diese Bewegung dort auch zu bekämpfen. Man muss dort zwei Aspekte sehen: Wenn ein rassistischer Mob gegen einen Moscheebau mobilisiert, dann muss natürlich im Zentrum - und so stand das auch bei uns – erstmal die Kritik daran stehen, dass dort die Absprechung von bürgerlichen Rechten gefordert wird, darunter auch die Religionsfreiheit. Dies muss als rassistische Mobilisierung kritisiert werden. Und das stand für uns und wird auch in Zukunft im Vordergrund stehen.
Trotzdem sollte immer auch wahrnehmbar sein, dass man eine allgemeine Religionskritik und eine spezifische Islamkritik vertritt. Natürlich macht es wenig Sinn, wenn hundert Nazis vor der Moschee stehen, ein Schild hochzuhalten "Islam is lame". Das würden wir als kontraproduktiv sehen. Nichtsdestotrotz sollte insbesondere die Auseinandersetzung um den Islamismus forciert werden, da es ein wichtiges Thema ist, das sich nicht nur im Nahen Osten abspielt, sondern auch hier in Deutschland für die migrantischen Communities von Bedeutung ist. Wir hoffen, dass wir mit unserer Mobilisierung dazu beigetragen haben, dass die Linke das mehr auf den Schirm bekommt.
AKKU: Natürlich ist der Islamismus eine reaktionäre politische Bewegung. Das sehen wir genauso. Die Frage ist aber erstmal; auf welche Art und Weise man sich damit auseinandersetzt. Und da gehört auch eine Abgrenzung zu antideutschem Kulturkämpfern dazu. Die vermisse ich bei euch. Das ist für mich wichtig, dass man sich da nicht Leute ins Boot holt, die für diesen Krieg der Kulturen stehen. Hinzu kommt auch die Frage der politischen Stärke in einer Mobilisierung. Es wurden aus eurem Spektrum Befürchtungen geäußert: Was tun wenn die Hisbollah, Milli Görüs oder andere Islamisten kommen? Wir hatten manchmal den Eindruck, dass diese Befürchtungen einen ganz großen Raum einnahmen in der Mobilisierung. Davon ist nichts eingetreten. Es ist natürlich klar, dass wir Kräfteverhältnisse schaffen müssen – und die wären sicherlich an dem Tag auch so gewesen - um solchen Leuten genau so den Nachhauseweg zu zeigen. Da wünsche ich mir einfach mal ein bisschen mehr Selbstbewusstsein im Umgang mit solchen Fragen und weniger Ängste, Abgrenzungen und Kritik.
AK: Wir haben es im Aufruf sehr deutlich gemacht, dass es kein Wesen des Islams gibt, womit wir uns von allen Kulturkämpfern auch in aller Deutlichkeit verabschiedet haben. Für unsere immer wieder geäußerten Befürchtungen, es könnten Islamisten kommen, gab es mehrere Anhaltspunkte. Ahmadinedschad hat sich geäußert, der Präsident Malaysias hatte sich geäußert. Wir sind konkret von Islamisten bedroht worden im Vorfeld. Und wir haben das teilweise angesprochen und hatten das Gefühl, dass die Ernsthaftigkeit mit der wir daran gegangen sind, bzw. unsere Befürchtungen überhaupt nicht geteilt wurden. Es gab sehr relativierende Statements, so dass wir unsere Befürchtungen häufig und manchmal auch sehr schroff vorgetragen haben. Wir sind selber froh, dass es so nicht eingetreten ist. Aber damit ist nicht gesagt, dass wir in Zukunft in einer ähnlichen Situation sagen würden, da kommt Milli Görüs nicht. Das wäre fatal, wenn man das jetzt als Schluss daraus zieht und davor würde wir dann auch ganz strikt warnen.
Erläuterung:
Die Antifaschistische Koordination Köln & Umland – AKKU (http://koeln.antifa.net) ist Teil der Interventionistischen Linken (http://dazwischengehen.org).
Der Antifa AK Köln (http://akantifa.servmax.de) ist Teil des Bündnisses ...ums Ganze! (http://umsganze.blogsport.de)