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Nach der Wahl ist vor der Wahl

Einleitung

Am 28. Februar 2009 fand im »Lolos« in Halberstadt der Landesparteitag der NPD Sachsen-Anhalt statt, auf dem nach den unerwarteten Rücktritten im September 2008 ein neuer Vorstand gewählt wurde. Wahlgewinner sind Matthias Heyder und die JN Sachsen-Anhalt, die nun bei den im Juni stattfindenden Kommunalwahlen zum Kampf um die Großstädte antreten.

Die Magdeburger NPD am 1. Mai 2003 bei einem NPD-Aufmarsch in Berlin.

Vor einem halben Jahr traten die NPD-Landesvorsitzende Carola Holz sowie sechs weitere von insgesamt zehn Vorstandsmitgliedern zurück. Sie begründeten diesen Schritt damit, dass ihre Arbeit vom damaligen Geschäftsführer Matthias Heyder, den in Sachsen-Anhalt sehr starken »Jungen Nationaldemokraten« (JN) sowie vier Kreisvorständen »behindert und boykottiert«1 wurde. Dieser Vorstand, dem u.a. Jens Bauer, Judith Rothe und Marcus Großmann angehörten, war erst im März 2008 gewählt worden.

Die 51jährige Holz war von der jüngeren NPD-Generation als Türöffner genutzt worden, um ab Ende 2005 den Landesverband zu modernisieren und zu professionalisieren. Sie löste nach den erfolgreichen Kreistagswahlen 2007 Andreas Karl ab, der die bis dahin eher rückständige und landespolitisch inaktive NPD seit 2000 angeführt hatte. Gleich nach den überraschenden Rücktritten gaben Heyder und seine Mitstreiter bekannt, dass der Vorstand trotz allem weiterhin beschlussfähig ist und tatkräftig auf die Kommunalwahlen in Sachsen-Anhalt im Juni 2009 hinarbeitet. Obwohl zwei Kreistagswahlen sowie flächendeckend Stadt- und Gemeinderatswahlen stattfinden, will die NPD sich auf die beiden größten Städten, Halle und Magdeburg konzentrieren.

NPD in die Stadträte

Der nun durchgeführte Landesparteitag mit Vorstandesneuwahlen fand in einem Lokal in Halberstadt statt, in dem im Dezember 2008 bereits die JN-Weihnachtsfeier war. Für den Bundesvorstand waren Udo Voigt und Frank Schwerdt vor Ort. Von den ehemaligen Vorstandsmitgliedern nahmen allerdings nur wenige teil. Matthias Heyder aus Elbingerode, der bereits seit einem halben Jahr als NPD-Landesvorsitzender auftritt, wurde nun mit einer regulären Vorstandswahl in diesem Posten bestätigt. Der 37jährige arbeitet als Verkäufer in einer Halberstädter Massivbaufirma, gehörte seit Anfang der 90er Jahre der DSU an und wirkte in rechten Kleinstorganisationen mit, bevor er in der NPD aktiv wurde.

Zum stellvertretenden Landesvorsitzenden wurde der 25jährige Politikstudent Matthias Gärtner aus Magdeburg gewählt. Neben seiner Tätigkeit als JN-Bundesvorstandsmitglied und Leiter des »Nationalen Bildungskreises« (NBK) übernahm er Ende 2008 den NPD-Kreisverband (KV) Magdeburg. Mit dem Geschäftsführer Philipp Valenta (27) und Schatzmeister Erik Schulze (24) sind neben Gärtner zwei weitere Mitglieder des JN-Bundesvorstandes im neuen NPD-Landesvorstand als Beisitzer vertreten. Schulze studiert in Halle Soziologie und leitet seit kurzem den dortigen NPD-Kreisverband, während Valenta (27) BWL in Bernburg studiert und zudem im Kreistag des Salzlandkreises sitzt. Kreistagsabgeordnete ist auch die 60jährige Heidrun Walde aus Schneidlingen, die ebenfalls dem neuen NPD-Landesvorstand angehört. Anfang 2007 trat sie mit ihrem Mann Peter Walde und neun weiteren »Republikanern« zur NPD über. Wieder gewählt worden ist der 64jährige Rentner Rolf Dietrich aus Frankleben, der bereits dem letzten Vorstand angehörte und im Kreistag des Saalekreises sitzt. Und mit dem ehemaligen Landesvorsitzenden Andreas Karl (46) aus Billroda, der im Burgenlandkreis seit 2004 ein Kreistagsmandat innehat, ist der mitgliederstärkste KV in Sachsen-Anhalt wieder im Vorstand vertreten.

Verinnerlichte »Volksfront«

Das aufgetretene Zerwürfnis ist nicht, wie oft behauptet, als ideologischer Richtungsstreit zu werten. Personen mit radikalem Ansatz gibt es auf beiden Seiten ebenso diejenigen mit bürgernahem Auftreten. Die NPD in Sachsen-Anhalt betonte in den vergangenen drei Jahre immer wieder ihre Zusammenarbeit mit den sogenannten »freien Kräften«. Diese »Volksfront«- Praxis ergibt sich bei den meisten schon aus der eigenen Herkunft aus dem Kameradschaftsspektrum. Aktivisten der vormaligen »Wernigeröder Aktionsfront«, der »Kameradschaft Festungsstadt Magdeburg« sowie des »Nationalen Beobachters Halle«, die 2005 und 2006 die jeweiligen JN-Stützpunkte bildeten, sind bis heute in der NPD/JN aktiv. Die JN organisierte auch eine Neuauflage des Internetportals »Nationaler Beobachter«, das landkreisübergreifend »freien Kräften« und Parteianhängern die Möglichkeit zur politischen Darstellung bietet.

»Vorwärts für Deutschland! JN Voran!«

Der Vorstand wurde von zehn auf acht Personen verkleinert. Da der amtierende JN-Landesvorsitzende Andy Knape aus Magdeburg diesem qua Amt angehört, besteht er nun zur Hälfte aus JN-Funktionären. Diese versuchen derzeit hochambitioniert ein »elitär-intellektuelles« Selbstverständnis als Avantgarde einer »nationalen Bewegung« zu entwickeln. Während für Heyder die JN als NPD-«Kaderorganisation« von Bedeutung ist, propagiert die JN-Führung gleichzeitig dem Kampf um den vorpolitischen Raum.

Dass sie dabei weder bürgerlich noch gemäßigt sind, zeigte sich u.a. am Tag vor dem Parteitag. In Magdeburg fand eine von der JN und dem NBK organisierte Schulung über das »Tun und Wirken« des SA-Mannes Horst Wessel statt. Damit unterstrichen die Verantwortlichen einmal mehr den national-sozialistischen Kurs, den die JN seit Beginn ihres Bestehens in Sachsen-Anhalt verfolgt. Mit öffentlicher Präsenz und gezielten Provokationen testen Heyder und die JN seit 2006 immer wieder die Grenzen rechtsstaatlicher Regelungen aus. Das Verhältnis zu den »freien Kräften« wird als pragmatisches Agieren auf »völlig unterschiedlichen Schlachtfeldern« beschrieben2 .

Zurück aufs Land

Die ehemaligen Vorstandsmitglieder sind noch in der NPD oder parteifrei regional aktiv. Nach ihrem Rücktritt vom Landesvorsitz soll Carola Holz aus der Partei ausgetreten sein. Von der Bildfläche verschwunden ist sie dennoch nicht. Die Wolfenerin arbeitet weiterhin im Kreistag sowie mit den »Freien Nationalisten Dessau« zusammen und sammelt in der Region Anhalt-Bitterfeld junge Neonazis, mit denen sie auf Demonstrationen fährt. Der bereits langjährig in der NPD aktive ehemalige Landespressesprecher Jens Bauer (27) aus Klein Wanzleben war KV-Vorsitzender in Magdeburg, bevor er nach internen Machtkämpfen von Gärtner abgelöst wurde. Er gehört nun dem neu gegründeten Kreisverband Börde an.

Die 30-jährige NPD/RNF-Multifunktionärin Judith Rothe (30) sowie der aus Halle stammende Marcus Großmann (25) leben in Sotterhausen mit anderen Neonazis auf einem Grundstück, dass als Konzertveranstaltungsort überregional bekannt wurde und auf dem noch immer wöchentlich sogenannte »Kameradschaftsabende« stattfinden. Anfang 2007 verübten mehrere Personen nach einer Party dort einen Brandanschlag auf eine Asylbewerberunterkunft in Sangerhausen, wobei mindestens einer der Beteiligten zum engen Freundeskreis von Rothe und ihrem Lebensgefährten gehört. Mit einem biederem Auftreten erreichte die dreifache Mutter trotzdem bei der letzten Kommunalwahl in ihrem Wohnort für die NPD mit 15,4 % das zweitbeste Ergebnis nach der CDU.

Großmann betreibt einen Internetversand und eine Druckerei, ist weiterhin als Logistiker bei Aufmärschen und im NPD-KV Mansfeld-Südharz als Jugendbeauftragter tätig. In seinem alten Wohnort Halle arbeitet er mit einer Gruppe »freier Kräfte« zusammen, die mit der dortigen NPD/JN im handfesten Streit liegt. Auf Landesebene agiert die NPD Mansfeld-Südharz derzeit unabhängig vom Landesverband. Das zeigte sich u.a. am 20. Februar 2009, als der Bundesvorsitzende Udo Voigt nach Sotterhausen eingeladen wurde, während Matthias Heyder zur gleichen Zeit im eine Stunde entfernten Bernburg eine Veranstaltung mit Udo Pastörs, Voigts Gegenkandidaten um den Posten des NPD-Bundesvorsitzenden durchführte.

Quo vadis Sachsen-Anhalt?

Ein Teil der Neonazis in Sachsen-Anhalt wird in den nächsten Monaten viel Energie in die Stadtratswahlen in den beiden größten Städten investieren und dafür eine arbeitsfähige NPD/ JN-Landesstruktur benötigen. Während dessen gehen andere ihren extrem rechten Alltagsgeschäften nach. Auch wenn Sachsen-Anhalt bisher DVU-Terrain war, kann mit den erwarteten Kommunalwahlerfolgen sowie der weiteren Organisation des Landesverbandes der Antritt der NPD zur Landtagswahl 2011 vorangetrieben werden. Da der parteiungebundene Teil der »Volksfront« keine prinzipiell gestörtes Verhältnis zur NPD hat, entscheiden die jeweiligen »freien Kräfte« weitestgehend selbstständig über eine Zusammenarbeit vor Ort.

  • 1NPD Sachsen-Anhalt: Mitteilung an die Mitglieder des NPD Landesverbandes Sachsen-Anhalt vom 8.9.2008, nachzulesen bei www.altermedia.info
  • 2JN Sachsen-Anhalt: JN-SA unter neuer Führung – 3. Landeskongress der Jungen Nationaldemokraten Sachsen-Anhalt, www.npd-sa.de, November 2008; Michael Schäfer & Matthias Gärtner: Die organisierte Volksfront – Die JN im Kampf um den vorpolitischen Raum. www.jn-buvo.de, Januar 2009