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Die Mörder von Alberto Adriano und ihr Umfeld

Einleitung

Der gebürtige Mosambikaner Alberto Adriano war am 11. Juni 2000 im Dessauer Stadtpark von drei Neonazis so schwer misshandelt worden, dass er drei Tage später offiziell für hirntot erklärt wurde.

Bild: Faksimile aus »Neue Presse Hannover« vom 23. August 2000

v.l.nr.: Frank M., Enrico Hilprecht und Christian R. zeigten vor Gericht kein Zeichen von Reue für den rassistischen Mord an dem 39-jährigen gebürtigen Mosambikaner Alberto Adriano.

Dieser Mord ist, neben drei weiteren an Obdachlosen in Mecklenburg-Vorpommern und dem Sprengstoffanschlag auf jüdische Migrant_innen in Düsseldorf am 27. Juli 2000, Anlass für eine Debatte, die schließlich in dem sogenannten »Aufstand der Anständigen« mündet. Andere Taten  finden sich eher in der regionalen Presse wieder, obwohl die Täter in ähnlichen Mord(versuch)-Fällen dem gleichen rechten Milieu entstammen.

Der Mord an Alberto Adriano

Es ist der Abend des Pfingstsamstag 2000. Der 24-jährige Enrico Hilprecht aus Burxdorf bei Bad Liebenwerda (Brandenburg) macht sich in Bomberjacke, Neonazi-T-Shirt und 14-Loch-Springerstiefeln auf den Weg zu einem »Oi!-Konzert« nach Jessen. Als er begreift, dass er sich im Tag geirrt hat, entscheidet er sich zu einem Besuch der Eltern in Bernburg. In Dessau verpasst er seinen Anschlusszug und trifft beim Warten auf die zwei 16-jährigen Neonazis, Christian R. und Frank M. aus Wolfen. Die beiden haben das selbe Problem – auch sie haben auf dem Weg von Köthen nach Wolfen keinen Anschlusszug. Die Neonazis erkennen sich an typischer Szenekleidung wie einem »CONSDAPLE«-Hemd als »Kameraden« und vertreiben sich gemeinsam die Zeit mit Alkohol. Nachdem sie noch einen schimpfenden Betrunkenen beim Bundesgrenzschutz gemeldet hatten, verlassen sie den Bahnhofsvorplatz, um sich bei »einem Fußmarsch aufzuwärmen«. Unter Rechtsrock-Liedern und Parolen wie »Sieg Heil!«, »Hier marschiert der nationale Widerstand« und »Juden Raus!« ziehen sie Richtung Stadtpark.

Im Stadtpark läuft ihnen gegen 1.45 Uhr Alberto Adriano über den Weg. Der 39-jährige Fleischer wird rassistisch bepöbelt und schließlich angegriffen. Er geht zu Boden und wird minutenlang vor allem gegen den Kopf getreten. Nach kurzer Pause kehren die Täter zu dem bewusstlosen Mann zurück, rauben ihm Uhr, Schlüssel und Geld, treten wieder minutenlang auf ihn ein und entkleiden ihn auch noch. Dass Anwohner_innen die Polizei alarmieren, verhindert zwar nicht die Tat, führt aber zumindest zur sofortigen Festnahme der Männer.

Der Prozess gegen die Mörder

Schon zehn Wochen später beginnt vor dem Oberlandesgericht Naumburg (es tagt in Halle/Saale) der Prozess. Neben dutzenden Pressevertreter_innen, Angehörigen und Freund_innen des Ermordeten, Antifas und Vertreter_innen aus Politik und Zivilgesellschaft wollen auch Freunde der beiden Wolfener Mörder Adrianos am öffentlichen Teil des Prozesses teilnehmen. Andreas Danger (21) und Marcel D. (16) aus Wolfen singen vor dem Justizzentrum »Alberto hat zu lang’ gelebt, doch Franki hat ihn weggefegt« und werden daraufhin festgenommen. Das Urteil wird eine Woche später auf lebenslang für Enrico Hilprecht sowie jeweils neun Jahre Jugendstrafe für Christian R. und Frank M. wegen Mordes lauten.

Ein weiterer Mord

Am 24. Mai 2001, dem sog. »Männertag«, will der vor dem Adriano-Mord-Prozess auffällig gewordene Andreas Danger zusammen mit Ronny Hackel (21) und Maria B. (18) nach einem Ausflug zum Hexentanzplatz in Thale in der Wohnung von Hackel in Wolfen weitertrinken. Maria B. wird zwei Tage später von ihrer Mutter vermisst gemeldet. Angeblich war sie vom »Nachschubholen an der Tankstelle« nicht zu Ronny Hackel und Andreas Danger zurückgekehrt. Vier Wochen später werden in der Wohnung Blutspuren gefunden. Ronny Hackel und Andreas  Danger werden daraufhin festgenommen. Schließlich führt Danger die Polizei zur Leiche von Maria B. Die beiden Verdächtigen belasten sich gegenseitig. Um zu klären, wer welchen Tatbeitrag geleistet hat, wird auf einer Mülldeponie ein 5.000 Kubikmeter großes Gelände nach Beweisen durchsucht. Das Verfahren wird dadurch mit ca. 1,5 Millionen Euro Kosten eins der bis dahin teuersten der bundesdeutschen Justizgeschichte. Schließlich steht fest: Hackel hatte Maria B. mit Alkohol regelrecht abgefüllt, um sie gefügig zu machen und mutmaßlich zum Sex zu zwingen.

Im Machtrausch holt er ein Messer und sticht mindestens siebzehn mal auf die junge Frau ein. Anschließend wird die Leiche entkleidet, im Bad am ganzen Körper rasiert, wieder angezogen und zwei Kilometer durch die Stadt zur Fuhneaue getragen um sie dort zu vergraben. Unterwegs unterhält sich Andreas Danger sogar noch mit einem Bekannten, ohne dass dieser Verdacht schöpft. Hackel wird im Oktober 2003 wegen Mordes zu lebenslanger Haft verurteilt, Andreas Danger wegen Beihilfe zu acht Jahren und sechs Monaten.

Ein achtfacher Mordversuch

Einen Tag nach dem Fund der Leiche von Maria B., am 28. Juni 2001, findet in Wolfen die Feier zum 16. Geburtstag von Andreas F. statt. Zu den Gästen gehören, wie seine Mutter Karin F. später bei Gericht aussagen wird, 25 bis 30 Leute der »manche würden sagen Naziszene« aus der Region Bitterfeld/Wolfen und aus Staßfurt. Die Mutter dürfte wissen, wovon sie spricht, immerhin war sie zeitweilig für die DVU aktiv. Unter den Gästen die ebenfalls vor dem Adriano-Mord-Prozess auffällig gewordenen Marcel D. und Per »Odin« Meier (19). Zwischen Reichskriegsfahne, Alkohol und Rechtsrock hört Meier davon, dass seine Ex-Freundin Maria B. tot ist. Umgebracht unter Beihilfe des Bruders seines Freundes Marcel D. Angeblich dadurch wird in der Nacht ein lang gehegter Plan in die Tat umgesetzt.

Per Meier, Marcel D. und ein 21-jähriger fahren zu einer Tankstelle, befüllen dort einen Benzinkanister und basteln Molotowcocktails. Dann treffen sie in Jeßnitz wie verabredet zwei 16-jährige, und fahren gemeinsam weiter zum »Asia-Shop«. Dort angekommen werfen Marcel D. und Per Meier je einen Brandsatz in das Geschäft. In der darüberliegenden Wohnung schlafen acht Menschen, darunter ein Baby und zwei Kinder. Diese werden durch den Lärm wach und können sich retten. Noch bevor die Feuerwehr eintrifft, gelingt es ihnen die Flammen zu löschen. Der Sachschaden beträgt 50.000 DM. Im August 2002 werden die beiden Haupttäter wegen achtfachen versuchten Mordes zu sechs bzw. vier Jahren Jugendstrafe verurteilt. Die anderen Strafen liegen zwischen 2 Jahren und 9 Monaten und 5 Jahren und 6 Monaten.

Die politische Einbindung der Täter und ihres Umfeldes

Adrianos Mörder Enrico Hilprecht kann frühestens 2015 mit einer Haftprüfung rechnen. Er beteiligt sich heute aus dem Knast in Brandenburg/Havel heraus an der Erstellung des neonazistischen Blattes »JVA-Report« . Der »Rundbrief für Inhaftierte, Freunde und Kameraden« soll verhindern, dass der Kontakt zu inhaftierten »Kameraden« abbricht. Sowohl Per Meier als auch Marcel D. sind  wieder auf freiem Fuß. Zumindest Per Meier ist nach wie vor aktiv. Als die »Freien Nationalisten Bitterfeld und Dessau« am 3. Oktober 2009 mit einem Aufmarsch durch Bitterfeld ziehen, fungiert er als Anmelder. Als Versammlungsleiter wird er von der zuständigen Polizeidirektion Dessau allerdings nicht akzeptiert, so dass Alexander Weinert (Dessau) übernimmt.

Andreas F. ist in den Folgejahren mehrmals an rechten Angriffen beteiligt. Im Mai 2003 attackiert er Teilnehmer_innen einer antifaschistischen Demonstration in Bitterfeld. Drei Monate später wird er in der Muldestadt unter den Angreifern auf einen dunkelhäutigen Mann erkannt. Im März 2008 stürzt er in Bitterfeld während einer Feier bei rechten Freunden vom Balkon in den Tod. Bei ihm dürfte durch mehrere DVU-nahe Familienmitglieder eine gewisse politische Anbindung eine realistisch Annahme sein.

Seine Mutter Karin F. trat im April 2007 als Wahlkampfhelferin aktiv in Erscheinung. Damals unterstützte sie dem DVU-Kandidaten und Rechtsanwalt Ingmar Knop (heute Stadtratsmitglied, Bundesvize seiner Partei und Mitarbeiter der NPD-Landtagsfraktion Sachsen) bei einem Infostand im Dessauer Kommunalwahlkampf. Zu den Wahlkampfhelfern gehörte außerdem Birgit Fechner - die Tante von Andreas F.  und Zwillingsschwester von Karin F. Sie war damals als brandenburgische DVU-Landtagsabgeordnete tätig.