Der Heilige Vater
Gerhard Feldbauer»Was ist von Joseph Ratzinger als Papst zu erwarten? Nichts Gutes wäre eine vereinfachende Antwort. Zutreffender dürfte sein, dass bei ihm mit weit Schlimmerem als bei seinem Vorgänger zu rechnen ist«. Zu dieser treffenden Einschätzung gelangt Gerhard Feldbauer, der mit diesem Buch eine kompakte und gelungene Einführung über Wesen und Wirken der katholischen Kirche, insbesondere aber des deutschen Theologen Joseph Ratzinger als Papst Benedikt XVI., liefert.
Im ersten Kapitel geht der Autor der Frage nach wie die rechten und reaktionären Kirchenkreise, nach den Liberalisierungsbestrebungen Johannes XXIII. (1958-1963) wieder an Einfluss gewinnen konnten. Bestimmendes Merkmal dieser Bestrebungen war die Wahl Johannes Paul II. 1978 zum Papst und dessen »Heilige Allianz gegen den Kommunismus« die eine regelrechte Gegenreformation einleitete. Mehr als nur tatkräftige Unterstützung erhielt der amtierende Papst hierbei seit 1981 durch seinen Chefideologen in Gestalt des Präfekten der Glaubenskongregation, Joseph Ratzinger. Dieser konnte als gewiefter Taktiker, seit seiner Priesterweihe 1951, immer wieder Akzente setzen und hat bereits 1977 mit dem Aufstieg zum Kardinal, den Weg in den »Kreis der Mächtigen der Kurie« geschafft. Im weiteren Verlauf legt Feldbauer ein Reihe von Kontakten, Maßnahmen und politischen Taktierereien offen, die Ratzingers Zielen der reaktionären Gegenoffensive innerhalb der katholischen Kirche und außerhalb der Gesellschaft dienten. Der Kampf gegen die Befreiungstheologie als herausragenden Schwerpunkt seines inquisitorischen Wirkens und die Ernennung zum Papst runden dieses Kapitel ab.
Wie sich die Entstehung der Papstmonarchie und die Festigung der katholischen Kurie, unter zur Hilfenahme der Kreuzritter und der Inquisition gestaltete wird im zweiten Kapitel übersichtlich dargestellt. Die Unterstützung des italienischen Faschismus und des deutschen Nationalsozialismus durch die katholische Kirche, dem weiterführenden Engagement für nationalsozialistische Täter in Form von Fluchthilfe nach Südamerika nicht zu vergessen, ist Aufgabe eines weiteren Kapitels. Dies schließt mit einer Bestandsaufnahme der Begünstigungen der im Dezember 1946 zugelassenen Mussolini-Nachfolgepartei »MSI« in den Anfängen der italienischen Demokratie.
Seligsprechung von 498 faschistischen Anhängern Francos, Rücknahme der Exkommunikation von vier Bischöfen der »Piusbrüder«, unter ihnen der britische Holocaustleugner Richard Williamson, und das Zusammenspiel mit dem klerikal-faschistischen »Opus Dei«, machen deutlich, worauf das Pontifikat Ratzingers abzielt: Benedikt XVI. setzt die reaktionäre Gegenoffensive seines Vorgängers nicht einfach nur fort, er verstärkt sie noch.
Fällt diese Thematik in der alltäglichen politischen Auseinandersetzung mit extrem rechten bzw. reaktionären Kräften häufig unter den Tisch, gibt dieses gut lesbare Buch einen gelungenen Einstieg für alle, die sich intensiver mit dem Thema befassen wollen.
Gerhard Feldbauer
Der Heilige Vater
Benedikt XVI. – Ein Papst und seine Tradition
ISBN 978-3894384159
PapyRossa Verlag Köln, 2010
209 Seiten; 14,90 EUR