Soldaten. Protokolle vom Kämpfen, Töten und Sterben
Sönke Neitzel Harald Welzer»Soldaten« von Harald Welzer und Sönke Neitzel ist ein verstörendes Buch. Die Autoren haben Abhörprotokolle des britischen und amerikanischen Nachrichtendienstes, insgesamt ca. 150.000 Seiten, ausgewertet. Die Alliierten hatten, um militärische Informationen abzuschöpfen, Verhörzentren eingerichtet, in denen sie internierte Kriegsgefangene systematisch abhörten. Die Abschriften der Tonbänder enthalten neben Gesprächen übers »Kämpfen, Töten und Sterben« freimütige Reden über die Beteiligung an Massenerschießungen, Vergewaltigungen und den »sportlichen Ehrgeiz« beim Schießen auf flüchtende Zivilisten. Was die Autoren auf 520 Seiten zusammentragen, bestätigt was HistorikerInnen hinlänglich beschrieben haben.
Den Autoren geht es um etwas anderes. Sie wollen anhand des in den Gesprächen unhinterfragt Vorausgesetzten und dem unwidersprochen Geäußerten herausfinden, »wie nationalsozialistisch« der Krieg der deutschen Wehrmacht war und welche Rolle ideologische Prägungen der Soldaten spielten. Ihr Fazit: Viele der Soldaten mögen Antisemiten gewesen sein und ein rassistisch fundiertes Weltbild gehabt haben. Ausschlaggebend für die Anwendung exzessiver Gewalt sei jedoch vor allem die Verschiebung des »sozialen Referenzrahmens«. Der eröffnete »ganz normalen Männern« (Christopher Browning) einen Handlungsraum, in dem sie taten, was im zivilen Leben undenkbar gewesen wäre. Man muss nicht alle Schlussfolgerungen teilen — die Lektüre von »Soldaten« lohnt dennoch. Das liegt am gut lesbar aufbereiteten Material, das einen Eindruck der Mentalität deutscher Soldaten gibt. Die Autoren vermeiden Fehlschlüsse der affirmativen Militärgeschichtsschreibung und schaffen es, eine nachvollziehbare Skizze der Logiken militärischer Gewalt zu zeichnen, ohne die Spezifik des deutschen Vernichtungskriegs zu relativieren. (SG)
Sönke Neitzel/Harald Welzer
Soldaten. Protokolle vom Kämpfen, Töten und Sterben
Frankfurt am Main 2011
ISBN: 9783100894342