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»Grenzschutzkonferenz« des Compact-Magazins

Steven Hummel (chronik.LE) (Gastbeitrag)
Einleitung

Eine Frau mit wehenden, langen, blonden Haaren im Kettenhemd. In ihrer Hand ein Schwert. Neben ihr gut sichtbar ein Grenzstein in schwarz-rot-gold. Im Hintergrund eine Kirche. Wofür diese anachronistische Bildsprache steht? Für die  Bedrohung des deutschen Volkes und den deswegen notwendigen wirksamen Grenzschutz. Mit eben diesem Bild wurde monatelang für die „Grenzschutzkonferenz“ des Compact-Magazins geworben, welche am 29. September 2018 in Garmisch-Partenkirchen stattfand. Wie gewohnt kamen hier VertreterInnen verschiedener rechter Spektren zusammen, vernetzten sich und bestärkten sich in ihrem Kampf gegen das „Merkel-Regime“. Doch wie lässt sich die Konferenz und die organisierende Zeitschrift eigentlich einordnen und was wurde auf der Konferenz besprochen?

Bild: Christian Ditsch

Compact-Fans im Juni 2016 in Dresden.

Die Zeitschrift

Compact ist ein seit 2010 monatlich erscheinendes Magazin. Nach Recherchen der "Die Zeit"  erscheint es mit einer Auflage von 80.000 Exemplaren.1 Seit 2013 trägt die Zeitschrift den Zusatz „Magazin für Souveränität“, was auf eine vermeintlich fehlende Souveränität Deutschlands verweist. Deutschland sei nämlich kein souveränes Land, sondern werde – wahlweise durch die EU, die „Ostküste“2 oder aber Personen wie George Soros3 –  fremdbestimmt und -gesteuert. Politiker_innen seien in diesem Zusammenhang keine Volksvertreter_innen, sondern lediglich Erfüllungsgehilf_innen der wahren Herrschenden der Welt. Da andere Medien eben diese Hintergründe und Zusammenhänge verschweigen  würden, müsse Compact dies aufdecken und die Menschen aufklären. Dazu auch der passende Slogan „Mut zur Wahrheit“. Durch die Ausrichtung und professionelle Aufmachung avancierte das Magazin „in den vergangenen Jahren zu einem der zentralen Diskursorgane für reaktionäre Bewegungen im deutschsprachigen Raum.“4

Der Chefredakteur

Gründungsmitglied und heutiger Chefredakteur des Compact-Magazins ist Jürgen Elsässer. Dieser war lange Zeit in linken Gruppen aktiv (u.a. Kommunistischer Bund),  schrieb für diverse linke Zeitungen (u.a. Junge Welt, Bahamas, Jungle World, Konkret, Neues Deutschland) und gilt einigen als Stichwortgeber der antideutschen Bewegung. Nach der Jahrtausendwende trennten sich aufgrund zunehmend antiamerikanischer und rechter Positionen nach und nach alle Zeitungen von Elsässer. Bereits 2007 forderte er eine „Koalition zur Verteidigung der nationalen Souveränität“. Diese solle von links bis rechts reichen. Solche Querfrontbestrebungen finden sich auch im Compact-Magazin, allerdings in der Anfangszeit stärker als heute.

2009 gründete Elsässer die „Volksinitiative gegen das Finanzkapital“, ein antiamerikanischer Vorstoß, wie er später noch öfter zu beobachten sein wird. Von seiner früheren antideutschen und Antisemitismus-kritischen Haltung ist nicht viel übriggeblieben.

Elsässer schreibt regelmäßig selbst in Compact und tritt auf diversen Veranstaltungen oder Demonstrationen als Redner auf. Seine Beiträge sind dabei in einer klaren und deutlichen Sprache verfasst. Er inszeniert sich als Vertreter des kleinen Mannes, dessen Stimme sonst nirgendwo Gehör fände.

Verhältnis zur AfD

Schon früh entstand zwischen Teilen der AfD und dem Compact-Magazin ein freundschaftliches Verhältnis. Parteigründung und Entwicklung wurden im Magazin  wohlwollend begleitet. Mehrfach illustrierten AfD-Parteivorsitzende das Titelblatt (03/2016 Frauke Petry: „Die bessere Kanzlerin. AfD vor dem Durchbruch“ und 10/2017 Alice Weidel: „Das Blaue Wunder. Wahlsieger AfD. Macht was draus!“). Prominente Parteivertreter wie Alexander Gauland sind mit eigenen Beiträgen vertreten (etwa Ausgabe 11/2017). Immer wieder kommt es zu gemeinsamen Auftritten von Chefredakteur Elsässer und AfD-Abgeordneten.

Dabei ist festzustellen, dass Elsässer und Compact meistens den rechteren Parteiflügel und das mit ihr verbundene Personal unterstützen. Mit dem völkischen Flügel entwickelte Compact eine Art symbiotisches Verhältnis. Partei und Magazin arbeiten dabei oft Hand in Hand an ihrer Vision der Gesellschaft – eine Gesellschaft, in welcher Männer und Frauen endlich wieder ihre angestammten Plätze einnähmen, Deutschland seine Souveränität zurückerlange, keine Geflüchteten nach Deutschland kämen und Frieden mit Russland herrsche.

Auf der „Grenzschutzkonferenz“ spricht Elsässer mit Blick auf die bayrische Landtagswahl davon, nicht  für eine bestimmte Partei Wahlkampf zu machen, äußerte sich aber auf der Veranstaltung mehrfach deutlich für die AfD. Er sieht Compact dabei in einer Art  „Wächterfunktion“. Es gehe darum, der AfD immer kritisch auf die Finger zu schauen – ob dies tatsächlich der Fall ist, darf bezweifelt werden.

Bisherige Konferenzen

Um die Reichweite des Magazins zu erhöhen, rechte Bewegungen zu stärken und die eigene Lesendenschaft an sich zu binden, veranstaltet Compact seit 2010 diverse Konferenzen (mit). Seit 2012 findet jährlich eine sogenannte »Souveränitätskonferenz« statt. Als Redner_innen der bisherigen Konferenzen treten verschiedenste Rechte wie der Autor und SPD-Mitglied Thilo Sarrazin, das Gesicht der "Identitären Bewegung Österreich" Martin Sellner, die ehemalige AfD-Vorsitzende Frauke Petry, der neurechte Autor Ulrich Schacht, der rechte Staatsrechtler Karl-Albrecht Schachtschneider, der ehemalige Landesvorsitzende der AfD in Sachsen-Anhalt André Poggenburg, der PEGIDA-Gründer Lutz Bachmann sowie der Mitbegründer der rechten Scheingewerkschaft „Zentrum Automobil“ Oliver Hilburger auf. Diese Auswahl der RednerInnen vergangener Konferenzen mag als Illustration der Bandbreite der rechten Organisationen und AkteurInnen dienen, welche auf den Konferenzen zusammenkommen. Das Compact-Magazin sieht sich dabei als Schnittstelle, um den gemeinsamen Kampf weiter voranzutreiben und zu einen.

Während alle bisherigen Konferenzen in Berlin oder in/bei Leipzig stattfanden, motivierte einerseits die bayrische Landtagswahl und andererseits das „Volksbegehren Grenzschutz“ zu einem Ortswechsel.

„Volksbegehren Grenzschutz“

Mit dem eingangs erwähnten Bild der wehrhaften deutschen Frau wurde nicht nur die „Grenzschutzkonferenz“, sondern auch das im August 2018 gestartete „Volksbegehren Grenzschutz“ beworben. Für dieses sollen 25.000 Unterschriften gesammelt und die bayrische Regierung schlussendlich gezwungen werden, die bayrischen (Außen-)Grenzen umfassend zu kontrollieren. Dazu solle der bayrische Grenzschutz aufgestockt und aufgerüstet werden.

Die Begründung für das Volksbegehren hat der emeritierte Staatsrechtler Karl Albrecht Schachtschneider, der auch auf der Konferenz sprach, geschrieben. Schachtschneider war bis 2005 Professor für öffentliches Recht an der Universität Erlangen-Nürnberg. Er legte im Laufe seines Wirkens mehrere Verfassungsbeschwerden ein, welche alle scheiterten. Schachtschneider ist Kuratoriums-Mitglied der "Desiderius-Erasmus-Stiftung" der AfD und Mitbegründer von „einprozent“, einer rechten Kampagnen-, Vernetzungs- und Spendenplattform. Für einprozent reichte er auch 2016 Verfassungsbeschwerde gegen die aus seiner Sicht illegale Grenzöffnung im Sommer 2015 ein, welche ohne Begründung abgewiesen wurde.

Die Kampagne wird u.a. von AfD-PolitikerInnen, Vertretern von PEGIDA-Ablegern in München und Nürnberg sowie vom rechtspopulistischen Verein „Bürgerbewegung Pax Europa“ unterstützt. In gewohnt professioneller Aufmachung wird den Besucher_innen der Kampagnenseite von „Volksbegehren Grenzschutz“ erklärt, warum es wichtig sei. das Volksbegehren zu unterstützen. Informationen und aktuelle Infos zur mittlerweile bereits mehrere Monate laufenden Kampagne sucht man allerdings vergeblich. Die zur Kampagne gehörige Homepage ist über mehrere Wochen nicht abrufbar.

Der Veranstaltungsort

Ursprünglich wurde als Veranstaltungsort lediglich München beworben. Der geheim gehaltene Tagungsort im Landkreis Freising wurde dann wenige Tage vor der Konferenz vom antifaschistischen a.i.d.a. Archiv öffentlich gemacht. Daraufhin kündigte der Wirt fristlos und die Konferenz zog ins Gasthaus „zum Rassen“ nach Garmisch-Partenkirchen um. In einem Beitrag in der Compact von Juni 2017 wird Garmisch-Partenkirchen als „Goldenes Landl“ in welchem man den „Herzschlag der Volkstradition“ spüre, beschrieben. Die Idylle müsse sich aber gegen „linke Umerzieher und moslemische Landnehmer behaupten“.

Der Ortswechsel nach Garmisch-Partenkirchen zog einen deutlich kleineren Saal nach sich. Verglichen die Redner auf der Vorjahreskonferenz in Leipzig den Saal noch mit der Frankfurter Paulskirche (Martin Sellner), so wurde beim Gasthaus „zum Rassen“ lediglich die „urbayrische“ Atmosphäre betont. Nach Angaben von Comapact besuchten dennoch 400 bzw. 500 Personen (unterschiedliche Angaben) die Konferenz. Beobachter_innen gehen von weniger Personen aus

Die Redner

Wie auch in den vergangenen Jahren finden sich unter den Rednern Rechte verschiedenster Coleur. So sprachen auf der diesjährigen Konferenz u.a. der  Verschwörungstheoretiker Gerhard Wisnewski, PEGIDA-Mitbegründer Lutz Bachmann und der Begründer der "English-Defense-League" Stephen Yaxley-Lennon ("Tommy Robinson"). Letzterer wurde durch Bachmann als „europäischer Patriot des Jahres“ ausgezeichnet. Analog dazu wurde der Begründer von PEGIDA Nürnberg Gernot H. Tegetmeyer als „Patriot des Jahres“ ausgezeichnet. Beide Ausgezeichneten hielten Reden, welche sich – wenig überraschend – hauptsächlich mit Flucht, Asyl und Migration auseinandersetzten.

Ein Dauergast auf Compact-Konferenzen ist seit einiger Zeit das Gesicht der „Identitären Bewegung Österreich“ (IBÖ) Martin Sellner. Dieser sprach über den Prozess gegen die IBÖ. 17 Mitglieder der IBÖ waren wegen Verhetzung sowie Bildung einer kriminellen Vereinigung angeklagt, im Juli 2018 allerdings in den zentralen Anklagepunkten freigesprochen worden.5 In diesem Prozess will Sellner ein "maoistisches Prinzip" erkennen, welches er mit den Worten „Bestrafe 17, erziehe Millionen“ zusammenfasst.

Nennenswert ist weiterhin ein internationaler Gast: der Lega-Politiker Marco Tirapelle. Dieser berichtete von den Bestrebungen des italienischen Innenministers Matteo Salvini, welcher Migration kontrollieren wolle, um für die Sicherheit der Menschen und die Bewahrung der Identität einzutreten. In einem Kommentar zum Beitrag von Tirapelle freute sich Elsässer über diese neuen Kontakte nach Italien. Er hoffe auf den Beginn einer wunderbaren Freundschaft, „um nicht zu sagen Achse“. Die Anspielung auf die historische „Achse Berlin-Rom“ zwischen dem nationalsozialistischen Deutschland und dem faschistischen Italien wird von vielen Anwesenden freudig aufgenommen.

Ausblick

Wie bereits in den vergangenen Jahren treffen sich auf der „Grenzschutzkonferenz“ Vertreter_innen der verschiedenen Spektren der Rechten. Neben einer Bestätigung der eigenen Ideologie und Politik dient das Treffen der Vernetzung des Milieus.

Von antifaschistischer Seite kam der Konferenz vor diesem Hintergrund in den vergangenen Jahren zu wenig Aufmerksamkeit zu. Für 2019 hat Elsässer angekündigt, eine Konferenz in Sachsen zu organisieren. Es ist davon auszugehen, dass auch hier an die Landtagswahlen vom 01. September 2019 angeknüpft werden soll. Wünschenswert wäre in diesem Zusammenhang eine antifaschistische Intervention, welche eben diese Zusammenkunft unmöglich macht.

  • 1Vgl. zeit.de: "Compact: Hauspost für die Wütenden. Die Zeitschrift "Compact" feiert die AfD. Chefredakteur ist Jürgen Elsässer – der früher an der linken Front kämpfte." von Christian Fuchs und Fritz Zimmermann, 18. Juni 2016.
  • 2Die „Ostküste“ dient in verschwörungsideologischen und antisemitischen Kontexten als Chiffre für ein angeblich von Juden dominiertes Banken- und Finanzsystem an der US-amerikanischen Ostküste, durch welches die Geschicke der Welt gelenkt würden.
  • 3Dem jüdischen US-Milliardär George Soros wird oft in antisemitischer Manier vorgeworfen, hinter den Kulissen Strippen zu ziehen und einen wesentlichen Einfluss auf die Entwicklung der Welt zu haben. Genau diese Argumentation wird in der Compact-Ausgabe 06/2018 in einem Dossier mit dem Titel „Drahtzieher Soros. Das Spinnennetz der Asylindustrie“ ausgebreitet. Um den Vorwurf der Verschwörungstheorie abzuwehren, werden vermeintlich neutrale Autoritäten wie der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu, der FPÖ-Vorsitzende und Vizekanzler Heinz-Christian Strache oder der ungarische Premierminister Victor Orban ins Feld geführt.
  • 4Culina, Kevin/Fedders, Jonas (2016): Im Feindbild vereint. Zur Relevanz des Antisemitismus in der Querfront-Zeitschrift Compact. Münster: Edition Assemblage, S.87.
  • 5Vgl. AIB Nr. 120