»Hammerskins« - Elitäre Neonazistruktur im Hintergrund
Andrea RöpkeDie Begleitmusik zum rechten Terror ist der »Döner-Killer«-Song von »Gigi & die braunen Stadtmusikanten«. Lange bevor der rassistische Hintergrund der neonazistischen Mordserie gegen acht türkische und einen griechischen Kleinunternehmer bekannt wurde, veröffentlichte der Meppener Sänger Daniel Giese alias »Gigi« das Lied mit Textzeilen wie: »Neun mal hat er es jetzt schon getan / Die SoKo Bosporus, sie schlägt Alarm / Die Ermittler stehen unter Strom / Eine blutige Spur und keiner stoppt das Phantom«.
Ob Sänger Daniel Giese (»Gigi«) direkte Kontakte zur mörderischen »Zwickauer Zelle« hatte, darf angezweifelt werden. Unbestritten jedoch verfügt er über einen Draht zum konspirativ agierende Hammerskin-Netzwerk. Die »Division Deutschland« der internationalen »Hammerskin Nation (HSN)« mit ihren rund zehn Chaptern gibt es seit 1991. Insbesondere in Mecklenburg-Vorpommern sind die Anhänger der radikalen »weißen Bruderschaft« mit ihren Musik- und Konzertgeschäften aufgefallen. Als Kopf der deutschen Division gilt Malte Redeker genannt »Westmark«, Ladenbetreiber und Musikproduzent aus Ludwigshafen. Bei ihm trat Sänger Giese mit Gefolge bereits auf. In mehreren Orten erwarben die Hammerskins große Immobilien, u. a. in Grevesmühlen und Anklam, die als überregionale Treffpunkte gelten. Insider vermuten hinter der Expansion deutscher Hammerskins die Übernahme von Untergrundstrukturen des 2000 verbotenen »Blood & Honour« (B&H)-Netzwerkes. Auch die Streitigkeiten mit dem militanten »Combat 18«-Spektrum scheinen beigelegt, intern lässt die Szene verlauten: »Nie wieder Bruderkampf«.
Ihren zynischen »Döner-Killer«- Song verbreiten »Gigi & die braunen Stadtmusikanten« über den neonazistischen Vertrieb »PC Records« von Yves Rahmel. Der Neonazi betreibt sein Geschäft von einem Betonwürfel im Chemnitzer Plattenbaugebiet aus. Kürzlich erwarb er zudem ein größeres Haus, das als neues nationales Zentrum in der Region dienen soll. Der öffentlichkeitsscheue sächsische Drahtzieher scheint mehrfach Gast bei Hammerskin-Treffen in Mecklenburg-Vorpommern gewesen zu sein. So soll er nicht nur bei der Hochzeit des zur Zeit wegen illegalen Waffenbesitzes und Hehlerei einsitzenden »Bruders« Sven Krüger, ehemaliges NPD-Landesvorstandsmitglied aus Jamel, im August 2010 anwesend gewesen sein, sondern auch bei einer Jubiläumsfeier zum 15-jährigen Bestehen des Kameradschaftsbundes Anklam, der nach Expertenmeinung über gute Kontakte zu den Hammerskins als auch zum verbotenen »B & H«-Netzwerk verfügt. Auch im Szene-Forum »Thiazi.net« tummeln sich die User namens »Westmark« und »PC Records« und tauschen gemeinsam Interna u.a. über die »Crew 38«, eine Supporter-Organisation der internationalen »Crosses Hammers« aus. Bereits 2005 warb »PC Records« bei dem von André Kapke und Ralf Wohlleben organisierten europäischen Szene-Event »Fest der Völker« in Jena mit einem Transparent auf der Bühne. Wohlleben wurde jüngst als Unterstützer des Terrornetzwerkes »Nationalsozialistischer Untergrund« (NSU) festgenommen. Auch Kapke gilt wohl als Verdächtiger.
Ein weiterer Hammerskin-Anführer erzeugte im Frühjahr diesen Jahres regionale Schlagzeilen, weil er als Anmelder der 1.-Mai-Demonstration der Neonazi-Szene in Schweinfurt fungierte. Robert Mohr von den Hammerskins Franken (FHS) stellte auch schon ein Grundstück für Konzerte der rassistischen »Bruderschaft« zur Verfügung, wie Recherchen des »Aida Archiv« aus München belegen. Ebenso umtriebig ist auch Tony Gentsch, der sich im oberfränkischen Ort Oberprex den Gasthof »Zum Egerländer« kaufte und ihn auch den Hammerskins zur Verfügung gestellt haben soll. Der ehemalige Thüringer zählt wiederum zum militanten Kameradschaftsüberbau »Freies Netz«, dem auch die der Terrorunterstützung verdächtigen Jenaer Neonazis Wohlleben und Kapke zugeordnet werden. In deren Umfeld bewegt sich auch Musikproduzent Rahmel. Diese Beispiele deuten auf eine umtriebige Vernetzung und Geschäfte im braunen Hintergrund hin.
Im Zusammenhang mit den neonazistischen Verbrechen der NSU und ihren Verstrickungen fielen bereits die Namen »B & H« und »Hammerskin Nation«. Doch deren konspirative Aktivitäten scheinen jahrelang von den Behörden vernachlässigt worden zu sein. Jetzt wird die Truppe mit dem Logo der gekreuzten Hämmer Medienberichten zufolge mit dem 1998 abgetauchten Mörder-Trio in Verbindung gebracht. Bereits 1993 gründete sich die »Hammerskin Sektion Sachsen« und gab die Szenezeitschrift »Hass-Attacke« heraus. Einer der sich immer wieder gern im »Hammerskin«-Shirt zeigt und zu den langjährigen Hauptaktivisten im kameradschaftsorientierten »Freien Netz« zählt, ist Thomas Gerlach genannt »Ace« aus Meuselwitz. Gemeinsam mit dem festgenommenen Wohlleben organisierte er das »Fest der Völker« in Jena, Altenburg und Pößneck mit. Als sich das thüringische Neonazi-Spektrum um Wohlleben und das sogenannte »Braune Haus« in Jena 2009 dem Freien Netz-Überbau anschlossen, begrüßte »Ace« den führenden Neuankömmling mit »Heil Wolle!« Umtriebig pflegte Gerlach auch Szene-Kontakte in den Raum Zwickau. Dort soll er auch Mandy Struck aus Johanngeorgenstadt kennengelernt haben, immerhin benutzte »Ace« ihren Namen bereits vor sechs Jahren als Passwort für die später gehackten Foren »HatecoreTK« und »Mitteldeutscher Gesprächskreis«. Struck steht inzwischen im Verdacht, der Rechtsterroristin Beate Zschäpe Ausweispapiere zur Verfügung gestellt zu haben. Auch haben sächsische Hammerskins und Freies Netz einen heißen Draht zu den Eidgenossen. So traf sich der bekannte Neonazi Mario Friso von der »Partei National Orientierter Schweizer« (PNOS) mit Thomas Gerlach und dem inzwischen abtrünnigen, ehemaligen NPD-Landtagsabgeordneten Peter Klose im Oktober 2008, eingeladen hatte das Freie Netz Zwickau. Im Zuge der Terror-Ermittlungen tauchten jüngst Spekulationen auf, dass eine der Waffen der NSU aus der Schweiz stammt. Informationen aus Sicherheitskreisen zufolge soll Thomas Gerlach zur Zeit unter laufender polizeilicher Überwachung stehen. Bei Facebook machte er sich gegenüber seiner Anhängerschaft darüber lustig. Inzwischen haben die meisten Neonazis aus Sachsen und Thüringen, die im Verdacht stehen, Kontakt zum Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe gehabt zu haben, ihre Accounts gelöscht, Spuren getilgt. Die Ermittlungen der Behörden aber laufen auf Hochtouren. Der Erfolgsdruck ist hoch. Zu viele Pannen und Pleiten aus der Vergangenheit sind offensichtlich geworden. Versäumnisse und fragwürdige Aktionen vor allem von Geheimdienstlern aus Thüringen und Niedersachsen empören die Öffentlichkeit. Zuviele Fragen sind noch ungeklärt. Ungewiss ist zum Beispiel, welche Rolle die Untergrundstruktur der Hammerskins in Deutschland gespielt haben mag? Gab es außer finanziellen Sammelaktionen der thüringischen Szene für die 1998 abgetauchten »Bombenbastler von Jena« weitere, weitaus professionellere Unterstützungen? Immerhin stammten zwei der sieben Hauptverantwortlichen der Blood & Honour Division Deutschland 2000 aus Gera. Militante Bruderschaften wie die Hammerskins sind verschwiegen. Standen doch auch sie 2001 kurzzeitig vor einem Verbotsverfahren.
Auch blieb bisher ungeklärt, wieviel Sänger Gigi und sein Chemnitzer Musiklabel womöglich vom rassistischen Hintergrund der neun Morde an Migranten gewusst haben können? Auffällig ist: Auch bei den Recherchen zur Frage, woher der Sänger »Gigi« und sein Chemnitzer Musiklabel vom rassistischen Hintergrund der neun Morde an Migranten wussten, kamen Versäumnisse ans Licht. Giese sang bereits vor einem Jahr: »Neun mal hat er bisher brutal gekillt / doch die Lust am Töten ist noch nicht gestillt«. Vieles deutet darauf hin, dass es längst szene-intern Mutmaßungen oder Informationen gegeben haben könnte, die einen Zusammenhang zwischen den untergetauchten Zwickauer Waffenfreaks und der bundesweit ungeklärten Mordserie herstellten. V-Leute innerhalb der militanten Neonazi-Strukturen in Sachsen und Thüringen soll es ja genug geben. Immerhin wurde bereits 2002 der Chef der Hammerskins Sachsen, Mirko Hesse, als bezahlter Spitzel des Bundesamtes für Verfassungsschutz enttarnt.