»Historisches Ereignis« – NPD beschließt Fusion mit der DVU.
Andreas SpeitNach dem NPD-Bundesparteitag in Hohenmölsen machte nicht die NPD-Bundesführung die nachhaltigen Schlagzeilen. Ein SPD-Bürgermeister, Hans Püschel aus Krauschwitz, löste vielmehr eine breite Berichterstattung aus. Die NPD-Führung um Udo Voigt stört's nicht. Erklärte das langjährige SPD-Mitglied doch nach seinem Besuch des NPD-Parteitags, dass mit den »Verteufelten« gesprochen werden sollte, denn die hätten »gar nicht so schlechte Ideen«.
Der Parteitag am 6. November in der sachsen-anhaltinischen Provinz verlief ganz nach dem Plan der NPD-Führung. Kein öffentlicher Machtkampf, keine sichtbaren Personalintrigen. Im Bürgerhaus der Stadt feierten an die 400 NPD-Mitglieder und -Gäste an jenem Samstag die Verschmelzung mit der DVU. Die gefällten Entscheidungen entsprachen den großen Erwartungen. Am Ende des Parteitags hatten von 207 Delegierten 194 für die Fusion gestimmt. »Ein historisches Ereignis«, wie der NPD-Bundesvorsitzende Udo Voigt und der Noch-DVU-Bundeschef Matthias Faust vor den Gästen betonen.
Unter den begeisterten ZuhörerInnen hatte da auch schon Püschel Platz genommen. In einem Leserbrief an die »Mitteldeutsche Zeitung«, die ihn nicht veröffentlichte, den aber die NPD Sachsen-Anhalt auf ihre Website stellte, schildert er »viele junge Leute, Frauen, sogar Kinder« gesehen zu haben: »Beinah wie auf einem SPD-Parteitag! Keine Springerstiefel, keine Schlägertypen«. In den Reden, erzählt er weiter, habe er »kaum einen Satz gefunden«, den er »nicht selbst hätte unterschreiben können!«
Aussagen, die der NPD im Vorfeld der Landtagswahl in Sachsen-Anhalt sehr gelegen kommen. Auf der Website »Kompakt Nachrichten«, die der NPD-Stadtrat Matthias Gärtner aus Magdeburg verantwortet, folgte gleich ein langes Interview mit Püschel, in dem er darlegt: »Unsere Gesellschaft wird dermaßen von diversen mächtigen Lobby-Interessen – also im Wesentlichen immer Finanzinteressen – (...) dirigiert, befindet sich praktisch in deren Würgegriff (...) als dass einer der (...) Verantwortlichen sich trauen würde bzw. frei genug von ihnen wäre, diese Probleme anzusprechen«. Längst prangen auf der Website des NPD-Landesverbandes Bilder des NPD-Spitzenkandidaten Matthias Heyder und Püschel mit dem Werbesatz: »Warum stimmt der SPD-Bürgermeister NPD-Positionen zu?«
Auf dem Parteitag gab sich Heyder bereits sehr zuversichtlich und kündigte eine »Generalmobilmachung« für den Kampf um den Einzug in den Landtag an, weil seine Parteigänger »das asoziale System da draußen verachten«.
Im Bürgerhaus herrschte unter den NPD-Gästen meist auch Harmonie. Ein »Parteitag der Einheit«, versicherte Voigt. Getreu dem Motto »Gemeinsam stärker« beschwor Faust nicht minder die kommende »starke Rechte« für Deutschland. Die NPD-Führungskader aus Berlin und Dresden bemühten sich so auch darum, nicht den Eindruck zu erwecken, sich eine desolate DVU ohne politisches Profil, geringen personellen Ressourcen und kaum vorhandenen finanziellen Mitteln einfach einzuverleiben. Vor der Abstimmung für die Verschmelzung mit der DVU musste Faust dann doch noch einmal deutlich versichern, dass auf die NPD keine neuen Schulden zukommen würden, sondern gar zusätzliche Geldeinnahmen. Der Noch-DVU-Chef berichtete, dass die DVU eine größere Erbschaft mitbrächte, zu der auch ein Haus in Freiburg gehöre, dessen Verkauf rund 450.000 Euro eingebracht hätte. Nicht unerwähnt blieb, dass der DVU-Gründer Gerhard Frey der DVU ihre Schulden in Höhe von 980.000 Euro erließ. Im Bundesanzeiger konnte schon gelesen werden, dass diese Entschuldung am 25. Oktober 2010 auf dem DVU-Konto verbucht wurde.
Auf dem Parteitag schimmerte dennoch kurz durch, dass in der NPD nicht jeder die DVU als gleichberechtigten Partner betrachtet. Auf Nachfragen musste Voigt einräumen, dass sich von den 4.000 DVU-Mitgliedern höchstens 1.000 der NPD anschließen würden. Alles jedoch »aktive Kader«, redete Voigt die Zahl schön. Ein Initiativantrag, von der mecklenburg-vorpommerischen NPD um den Fraktionschef Udo Pastörs forciert, wollte prompt den geplanten Namenszusatz zur NPD »Die Volksunion« torpedieren. Das war jedoch nicht opportun. Buhrufe kamen auf und Voigt sprach ein Machtwort: Die NPD wird 2011 »NPD. Die Volksunion« heißen. Er ließ aber auch durchblicken, dass nicht bei jedem öffentlichen Auftreten der Zusatz zwingend sei.
Die DVU-Gäste, hinten links vom Podium aus an einem Tisch platziert, ließen sich nichts anmerken. Im Gegenteil: Faust entschuldigte sich für so manche verbale Attacke gegen die NPD. Nicht ohne Grund, kandidierte er doch für das Amt des NPD-Vize. Vergeben und vergessen? Mit 160 Ja-Stimmen von 201 abgegebenen Stimmen wurde er einer von drei Vize-Vorsitzenden. Der Gesichtsausdruck von Thomas Wulff, der in Hamburg den Vorsitz anstrebt, deutete nicht auf eine neue Freundschaft hin.
An der Elbe ist Faust wenig wohlgelitten, hatte er doch den verstorbenen Jürgen Rieger als politisch kaum tragbar ausgemacht. Das gefällt den Ziehsöhnen Riegers, die die Hamburger Parteispitze bilden, wenig. In Bremen wird Faust so nun im Mai 2011 für die NPD in den Bürgerschaftswahlkampf ziehen. Um die Fusion nicht wegen Kritik an ihm zu gefährden, wurde in einem Entwurf des Verschmelzungsvertrages extra ausgeführt: »Die zukünftige Tätigkeit von Herrn Faust muss gesondert außerhalb des Verschmelzungsvertrags (...) geregelt werden«. In den NPD-Bundesvorstand wählten die Delegierten sogleich den Noch-DVU-Vize Ingmar Knop und das Noch-DVU-Bundesvorstandsmitglied Heiner Höving.
Auf dem NPD-Parteitag musste Faust jedoch einräumen, dass in seiner Noch-Partei Widerstände zu überwinden seien. Läuft alles nach Plan der NPD, müsste nach dem Ja des DVU-Bundesparteitags zur Fusion eine jeweilige Mitgliederbefragung erfolgen. Per Briefwahl soll in beiden Parteien diese Urabstimmung erfolgen. »Wenn wir dies alles noch in diesem Jahr schaffen, gibt es zum Neujahrsauftakt eine neue, starke NPD in Deutschland«, versicherte Voigt. Am 25. November 2010 wurde aber das Chaos in der DVU sichtbar. Vier Tage vor dem geplanten DVU-Parteitag sagte Björn Neumann von der DVU-Hamburg den Termin gegenüber der taz ab: »Aus organisatorischen Gründen«. Aber auch aus Sorge vor den Kritikern der Vereinigung. »Bei den Einladungen ist etwas schief gelaufen, was nicht zum Anlass genommen werden soll, den Parteitag anfechten zu können«, räumt Neumann ein. Die NPD schweigt offiziell.