Der Patriarch geht – Erneuerung der DVU?
Mit 37 Jahren wurde Matthias Faust aus Hamburg am 11. Januar 2009 zum neuen Bundesvorsitzenden der neonazistischen DVU (7.000 Mitglieder) gewählt. Dr. Gerhard Frey, der kurz vor seinem 76. Geburtstag stand, trat aus Altersgründen zurück.
Stellvertretende Bundesvorsitzende wurden der Rechtsanwalt Ingmar Knop, Dr. Thomas Mehnert und der altgediente Hans Weidenbach. Gerhard Frey hatte die DVU ursprünglich als überparteiliche Sammlungsbewegung 1971 gegründet und 1987 in eine Partei überführt. Der Multimillionär, geschätztes Vermögen angeblich 250 Millionen Euro, führte die Partei wie ein Privatunternehmen. Die DVU war bisher eine Phantompartei mit einem sehr kleinen Funktionärsanteil und bestand im Wesentlichen aus den Leser_innen der altbackenen »Nationalzeitung«. Sie ist in Brandenburg seit mittlerweile zwei Legislaturperioden als Fraktion im Landtag vertreten und ist dort, wie in anderen Parlamenten zuvor, weitgehend farblos. Bemerkenswert ist, dass Patriarch Frey keinen alten Weggefährten wie Sven Eggers, Hans Weidenbach, Bruno Wetzel oder Ingmar Knop inthronisierte, sondern auf den Newcomer Faust zurückgriff.
Eine wechselhafte Karriere
Faust besuchte ein Gymnasium in Hamburg, als Zeitsoldat Unteroffiziersschulen der Luftwaffe in Schleswig-Holstein und 1997–2001 die Universität Hamburg. Ab 2005 besuchte der Kaufmann die Fachhochschule für Ökonomie und Management in Hamburg und trat eine Stelle bei einem großen Versicherungskonzern an. Ursprünglich war Matthias Faust 15 Jahre lang Mitglied der CDU gewesen und hatte noch 2005 Frey und die DVU heftig kritisiert. 2006 war er dann »Aufbaubeauftragter« eines neu zugründenden Landesverbandes der Republikaner (REP) in Hamburg, scheiterte hier jedoch schnell. Der alte Verband hatte sich Anfang 2005 in die NPD aufgelöst.
Als die Bremer REPs im Herbst 2006 zu einer Antifa-Demo aufriefen, wechselte Faust nun ebenfalls zur NPD. Da er hier aber die ehemalige NPD-Landesvorsitzende Anja Zysk gegen den Flügel um den jetzigen Landeschef Jürgen Rieger unterstützte, musste er im Frühjahr 2007 austreten. Im Herbst 2007 wurde Faust zunächst Pressesprecher der Hamburger DVU, dann zusätzlich Spitzenkandidat zur Bürgerschaftswahl 2008. Im Frühjahr 2008 stieg Faust zum Bundesorganisationsleiter von Freys Truppe auf und inzwischen ist er auch Landesvorsitzender in Hamburg.
Steiler Aufstieg bei der DVU
In gut einem Jahr machte Faust also eine steile Karriere in der DVU. Schon im Bürgerschaftswahlkampf hatte er weitgehend freie Hand in der sonst streng geführten Frey-Partei. Er führte einen stark auf seine Person konzentrierten Wahlkampf und warb mit einer professionell gemachten Homepage, auf die er eigenständig Beiträge stellen durfte – eine Seltenheit bei der DVU. Der hauptsächlich antiislamisch geführte Wahlkampf, wie auch sein Werbevideo, wurden bundesweit, sogar von DVU-Kritikern, in der Neonaziszene gelobt. Nur die Hamburger NPD hielt, aufgrund der Zysk-Affäre, Distanz zu Faust und seiner Partei, Mitglieder der NPD kandidierten nicht auf der Liste. Das Aktionsbüro Norddeutschland hingegen rief offen zum Boykott der Partei auf. Dafür unterstützten, gegen Bezahlung, NPD’ler aus anderen Bundesländern und Christian Worch den Wahlkampf.
Trotz eines kosten- und materialintensiven Wahlkampfes gelang es Faust nicht die Partei über die wichtige Ein- Prozent Hürde zu bringen. Der Wahlkampf war jedoch deutlich professioneller als frühere Versuche in der Hansestadt und wäre mit dem übrigen örtlichen DVU-Personal so nicht möglich gewesen. Somit ist erklärlich, dass Faust schon bald als Bundesorganisationsleiter auch in Brandenburg, wiederum mit Unterstützung von Worch, einen Wahlkampf begleiten durfte.
Das Verhältnis zur NPD und Freien Nationalisten
Seit der Bürgerschaftswahl hat sich das Verhältnis von Matthias Faust zur NPD und zu den »Freien Nationalisten « wieder deutlich entspannt. Über Thorsten de Vries, einem militanten Neonazi mit dem er damals Streit hatte, schreibt er z.B.: »Friese ist ein guter und ehrlicher Kamerad, auf den man sich verlassen kann.« Der örtliche NPD Landesverband, aus dem Faust 2007 gedrängt wurde, gratulierte und erhofft sich eine Fusion beider Parteien. Jürgen Rieger behauptet sogar, 2005 Pate des »Deutschland-Paktes« zwischen NPD und DVU gewesen zu sein. Auch sonst wurde Faust von vielen Neonazis aus NPD und Kameradschaften beglückwünscht.
Faust scheute bisher keine Kontakte zu radikalen Kräften. Der neue DVU-Chef sprach im letzten Jahr beim Bundesparteitag der NPD und nahm am militanten Neonaziaufmarsch am 1. Mai in Hamburg und auch jüngst an dem in Dresden teil. In seiner Heimatstadt versuchte er, weitgehend erfolglos, den Landesverband mittels regelmäßiger Veranstaltungen zu reorganisieren. Dazu kamen nicht nur DVU-Funktionäre, sondern mit Karl-Heinrich Göbel und Kay Ölke auch NPD-Kader aus Hamburg und Schleswig-Holstein als Redner.
Ein Wandel bei der DVU?
Es ist sicherlich schwierig jetzt schon sichere Prognosen über die Zukunft von Faust und der DVU abzugeben. Viele Beobachter und auch viele Neonazis glauben aber, dass unter Faust eine Annäherung an die NPD und die Kameradschaftsszene stattfindet. Was sind also die Ausgangsbedingungen?
1. Die DVU war bei Gerhard Frey immer hoch verschuldet – dies erhielt die Abhängigkeit von seiner Person.
2. Die DVU ist eine Phantompartei ohne aktive Mitglieder und mit sehr wenigen Funktionären. Es gibt keine Schulungen, kein Parteileben, kein offizielles Parteiorgan – die »Nationalzeitung« gehört weiterhin Frey.
3. Bis zur Bundestagswahl im September ist die DVU im »Deutschland-Pakt« mit der NPD verbunden. Die Wahlabsprachen dürften bleiben – nur in Thüringen tritt nun die NPD statt der DVU an.
4. Das Funktionärspersonal bleibt auch nach dem Parteitag dasselbe wie unter Frey. Die, im Vergleich zur NPD, biedere und auf ein konservatives Image bedachte Basis auch.
Matthias Faust muss also sehen wie er zu Geld kommt. Kann er keine neuen Ressourcen erschließen, dann bleibt die DVU eine Phantompartei. Wahrscheinlich wird sie dann sogar schnell weiter Mitglieder verlieren – sie ist jetzt schon stark überaltert. Bekommt die DVU weiterhin Geld von Frey oder dessen Erben, so bleibt die Abhängigkeit. Ein Bündnis unter Einschluss der radikalen Kräfte aus den Kameradschaften ist dann unwahrscheinlich. Auch Faust distanziert sich inzwischen vorsichtig von »neonazistischen Agitatoren«, tritt vordergründig für das Grundgesetz und Rechtsstaatlichkeit ein und lehne »die politische Ideologie des Nationalsozialismus mit allem Nachdruck« ab.
Es bleibt die weitere Annäherung an die NPD, wohlmöglich sogar mittelfristig eine Fusion beider Parteien, ohne die extreme NS-Szene. Unter dem jetzigen NPD-Vorsitzenden Udo Voigt wäre dies ebenso möglich, wie auch unter einem neuen - ob nun Molau oder Pastörs. Faust selbst hält eine gemeinsame Partei für »sinnvoll und möglich.« Denkbar wäre aber auch, dass Faust und Frey die DVU fortführen, um bei einem NPD-Debakel im Superwahljahr als Auffangbecken für frustrierte Neonazis zu dienen.
Das Verhältnis von DVU und NPD, wie auch ihre gemeinsame Beziehung zu den »Freien Kameradschaften«, wird entscheidend davon geprägt werden, wie die beiden Parteien im Superwahljahr bei der Europawahl (DVU), Bundestagswahl (NPD) und verschiedenen Landtagswahlen (beide) abschneiden. Die schlimmste Variante wäre sicherlich, wenn NPD und DVU eine gemeinsame Partei bilden und ein Teil des Freyschen Vermögens zur Finanzierung dienen würde. Selbst wenn dann einige neonazistische Kameradschaften die »Volksfront« aufkündigen würden, bekäme die neofaschistische Formierung damit eine neue Qualität.