»Bruderkrieg aufgeflammt«
Das Ende des »Deutschlandpakts«
Die Dementis haben ein Ende. Nach der Europawahl am 7. Juli 2009 erklärte die NPD, der »Deutschland-Pakt« mit der DVU habe keinen Bestand mehr. Der NPD-Bundesvorsitzende Udo Voigt und der DVU-Bundeschef Matthias Faust waren zuvor nicht müde geworden zu betonen: »Nein, die NPD steht zu den Absprachen« und »Selbstverständlich gilt für die DVU der Deutschlandpakt solange, wie er beschlossen worden ist«. Am 1. September erklärte Voigt vor den »Dienstagsgespräche(n)« jetzt auch ihren Alleinvertretungsanspruch als »nationale Wahlpartei«. »Wir als stärkste Kraft müssen es jetzt alleine machen«, sagte er offen.
Zu dem Abend in der gutbürgerlichen Gaststätte im Westen von Berlin waren an die 80 Besucher gekommen. Seit Jahren kommt dieser Gesprächskreis einmal im Monat zusammen. Für jenen Dienstagabend hatte Hans-Ulrich Pieper, einst Referent des CDU-Politikers Kurt Biedenkopf, die Parteichefs eingeladen. In dem Kellergewölbe sollten sie bei der »geschlossenen Gesellschaft« ihre Positionen zur Diskussion stellen. Zu Beginn hob Pieper hervor: »Viele Führungskräfte aus der Wirtschaft sind schon bei uns gewesen, aber auch Militärs und Politiker«. Namen führte Pieper, der sich am rechten Rand von CDU und FDP bewegt, an: der frühere Generalbundesanwalt Alexander von Stahl, der CDU-Politiker Heinrich Lummer und der Bundeswehrgeneral a.D. Gerd Schultze-Rhonhof. Einen Herren musste er allerdings für diesen Abend entschuldigen: Den Parteivorsitzenden der »Republikaner« (REP), Rolf Schlierer. In dem erlauchten Kreis gutbetuchter Damen und Herren machte sich leichte Enttäuschung breit. Aber so recht dürfte keiner erwartet haben, dass der REP-Chef zu einer Diskussionsrunde mit den NPD- und DVU-Vorsitzenden kommt, um sich über eine gemeinsame Zukunft auszutauschen. Die REPs wollen weder mit der NPD noch mit der DVU Absprachen treffen.
Schon 2005, als am 15. Januar beim DVU-Bundesparteitag, NPD und DVU den »Deutschland-Pakt« unterzeichneten, fehlten die REPs. In München unterschrieb der noch amtierende DVU-Chef Gerhard Frey mit Voigt den »Pakt«, in dem bis zum Jahr 2009 festgelegt war, wer wo kandidiert – eine Zäsur in der Geschichte der jahrzehntelang konkurrierenden Parteien. Erstmals gelang es ihnen nachhaltig zu vereinbaren, sich nicht bei Wahlen gegenseitig das Wählerpotential abspenstig zu machen. Vereinbarungen und Absprachen gab es schon früher. Doch nach dem Erfolg der Absprache im Jahr 2004 rangen die Parteiführungen trotz mehr oder weniger häufig sich wandelnder Wünsche zu Kandidaturen um einvernehmliche Lösungen. Die Erfolge in Brandenburg und Sachsen ließen sie hoffen. In Brandenburg war dank der Wahlabsprachen der DVU der Wiedereinzug in den Landtag gelungen, in Sachsen der NPD der Ersteinzug in den Landtag. In der Präambel des »Pakts« betonten DVU und NPD: »Der Bruderkrieg ist eingestellt; es wird nun ausschließlich gegen die wirklichen Gegner gefochten«.
An dem Dienstagabend trafen aber keine »Brüder im Geiste« zusammen. Im Gegenteil: Voigt ließ Faust spüren: Mit der Europawahl ist das Bündnis erst einmal Geschichte. Das Hauen und Stechen begann allerdings gut ein halbes Jahr vor dieser Wahl. In Brandenburg war die NPD längst über die Zusammenarbeit mit der DVU verstimmt. Zu der Wahl in Thüringen konnten sich NPD und DVU noch einigen, dass die DVU, weil sie kaum Strukturen in dem Land hat, zu Gunsten der NPD nicht kandidiert. In Brandenburg gerieten aber immer wieder Funktionäre der DVU und NPD aneinander. Mal warf der NPD-Landesverband um Klaus Beier der DVU vor, sie auszugrenzen, mal klagte die DVU-Fraktion um Liane Hesselbarth, die NPD würde gegen sie arbeiten. Zur Kommunalwahl schafften sie es noch zu vereinbaren, dass beide Parteien in jeweils unterschiedlichen Wahlkreisen um die Wähler buhlen dürfen.
Die Wahlergebnisse entspannten die Situation aber nicht. Denn die NPD erreichte 16 Mandate, die DVU 13. »Und das obwohl die DVU seit zwei Legislaturperioden im Landtag sitzt«, höhnten NPD-Kader. Streit um Listenplätze zu der Landtagswahl folgte. Das Ergebnis der DVU bei der Europawahl befeuerte insofern nur die Kritik. Am Wahltag erreichte die DVU bundesweit 0,4 Prozent. In Brandenburg stimmten 1,7 Prozent für sie. »Ich bin enttäuscht«, räumte Faust ein. Voigt warf der DVU aber gleich vor, sie hätte nicht wie vereinbart mit voller »personeller und finanzieller Kraft« den Wahlkampf geführt. »Die halbherzigen Wahlkämpfe der DVU«, erklärte der NPD-Bundesvorstand später, »haben gezeigt, dass die DVU nicht mehr kämpfen kann oder nicht mehr kämpfen will«. »Vertragsbruch« postulierte die NPD und verkündete: »Der mit der DVU geschlossene ›Deutschland-Pakt‹ hat seine Geschäftsgrundlage verloren«. Sogleich ließen sie verlauten, wider den früheren Vereinbarungen, jetzt auch zur Wahl in Brandenburg anzutreten.
»Verrat«, schimpfte Faust und drohte, wenn die NPD die Kandidatur nicht zurückzöge, trete sie trotz NPD-Kandidatur zur Bundestagswahl an. Eine Drohung, die die NPD nicht bremste. Die NPD schlug bloß vor, die DVU-Spitzenkandidatin Hesselbarth auf der eigenen Landesliste kandidieren zu lassen.
Brüsk lehnte sie ab: »Ich bin nicht käuflich«. Dann eben nicht, dürfte man sich bei der NPD gedacht haben. Denn in der Partei sind einige Kader verbittert darüber, dass Faust sich in die internen Streitereien zwischen dem NPD-Fraktionschef Holger Apfel aus Sachsen und dem NPD-Bundesvize Jürgen Rieger aus Hamburg einmischte. Signalisiert er doch, mit dem vermeintlich moderateren Apfel reale Politik machen zu können.
Vor der »geschlossenen Gesellschaft« in Berlin suchte jetzt vor allem Voigt die Auseinandersetzung. Durch die Wahlergebnisse in Sachsen und Thüringen fühlt er sich bestätigt. Nach den Wahlen zum Bundestag und in Brandenburg, schlug Faust vor, sollte doch wieder über neue Möglichkeiten der Zusammenarbeit nachgedacht werden. Voigts Reaktion auf die Offerte: »Hätte Deutschland sich des Bündnispartners Italien frühzeitig entledigt, hätte man uns im Krieg nicht so über den Tisch gezogen«.
Deutliche Töne, die in dem Kellergewölbe einige Besucher verstimmten. In diesen Kreisen wird seit Jahrzehnten auf »eine Partei rechts von der CSU« gehofft. »So was wie die FPÖ«, meinte ein Herr. Der tödlich verunglückte Vorsitzende der Freiheitlichen Partei Österreichs Jörg Haider war auch mal Gast beim »Dienstagsgespräch«...
Diese Idee, aus zwei Parteien eine werden zu lassen, verriet nach dem Bruch des »Paktes« Rieger, sei gar in den Wahlabsprachen intendiert gewesen. In einer Stellungnahme schrieb er, dass ganz im Sinne von Frey angeblich mit den Absprachen das Klima für einen Zusammenschluss der zwei Parteien hatte vorbereitet werden sollen. Doch Faust, so Rieger, hätte trotz des Bekenntnisses zu einer Fusion nicht so gehandelt. Voigt hätte er gar gesagt, jetzt nur noch eine Verlängerung des »Pakts« vereinbaren zu wollen.
Nach dem Abend erklärte Faust indes wieder, dass alleine die NPD das Angebot der »Gründung einer gemeinsame Rechtspartei« ablehnen würde. Voigt konterte am selben Tag: »Immer wenn es ›konkret‹ werden sollte« hätte die DVU-Führung ein »jetzt noch nicht« verlauten lassen. Mit Blick auf die Wahlen am 27. September meinte die NPD recht gelassen: »Die stärkste Partei wird sich durchsetzen«.