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AfD, JA und IB in Bremen - Ein und das Selbe?

Einleitung

Zur Überschneidungen von AfD, Junger Alternative (JA) und „Identitärer Bewegung“ (IB) in Bremen.

Die Bremer Funktionäre der AfD-Jugend Robert Teske und Marvin Mergard waren bei einer Aktion der „Identitären Bewegung“ in Berlin vor Ort.

Bei der Bundestagswahl 2017 konnte die AfD in Bremen und Bremerhaven insgesamt 10 Prozent der Wähler_innenstimmen für sich gewinnen. In den meisten Stadtteilen Bremens und Bremerhavens  erreichte die Partei im Durchschnitt zwischen 12 Prozent und 15 Prozent.1 Wegen Überhangmandaten konnte auch ein Bremer AfDler — Frank Magnitz2 — in den Bundestag einziehen. Hinter ihm steht ein gestärkter national-völkischer Parteiflügel, der im Landesverband die Oberhand gewinnen konnte.3 Dessen Stärkung gelang auch durch eine Zusammenarbeit zwischen AfD, des Jugendverbandes „Junge Alternative“ (JA) und der „Identitären Bewegung“ Bremen (IB).

So traten AkteurInnen der AfD und der JA während des Wahlkampfes gemeinsam mit der IB auf und auch sonst scheint es, vor allem in Hinblick auf die JA, zu einer Art Personalunion gekommen zu sein.

Frank Magnitz — Netzwerker und  Bundestagsabgeordneter

Frank Magnitz konnte sich während des Wahlkampfes nicht auf die Unterstützung großer Teile der Parteibasis verlassen. Der mangelnden Unterstützung liegen Streitereien über die Ausrichtung der Bremer AfD, aber auch persönliche Animositäten zwischen Parteimitgliedern zu Grunde.4 Magnitz vertritt eine strikt an der Politik Björn Höckes orientierte Linie. Zu diesem pflegt er auch persönliche Kontakte. So trat er als Redner auf einer von Höcke orga­nisierten AfD-Demo in Erfurt am 18. Mai 2016 auf.

Magnitz zog in der Vergangenheit wegen seines autoritären Führungsstils den Unmut von Parteimitgliedern auf sich. Wer den von ihm und Alex­ander Tassis5 eingeschlagenen Kurs kritisierte, lief Gefahr mit Parteiausschlussverfahren überzogen zu werden. Es sollen teilweise bis zu 24 Verfahren im Bremer Landesverband anhängig gewesen sein. Nur einige der Verfahren sind zum jetzigen Zeitpunkt abgeschlossen. Ziel ist es allem Anschein nach, missliebige Parteimitglieder an der Teilnahme an Entscheidungsprozessen zu hindern. Es verwundert also nicht, dass Magnitz bei seinen Wahlkampfbemühungen in erster Linie von Aktiven aus der Bremer JA und der IB Bremen unterstützt wurde.

Die IB in Bremen... es geht los

Als offizieller Ableger der „Identitären Bewegung“ existiert die Bremer IB seit September 2016. Bemühungen eine solche Gruppe in Bremen zu gründen, reichen in die Jahre 2012/2013 zurück. In diesem Zeitraum trafen sich Personen zu einem „Identitären Stammtisch“. Dieser instrumentalisierte den tragischen Tod eines Jugendlichen am Bahnhofsvorplatz im niedersächsischen Kirchweyhe für seine rassistische Hetze.6 Danach nahmen die Aktivitäten ab. Im Zuge der sogenannten „Flüchtlingskrise“ vergrößerte sich der Personenkreis um den „Identitären Stamm­tisch“. Durch die mediale Präsenz, an erster Stelle bei Facebook, konnte offenbar eine Vielzahl an Interessierten dazu gewonnen werden.

Alles ist im Fluss

In der Zusammenarbeit zwischen IB, der JA Bremen und Frank Magnitz nehmen die beiden JAler Robert Teske7 und Marvin Mergard8 , letzterer vertritt die AfD im Beirat Bremen-­Vegesack, eine Scharnierfunktion ein. Neben einer politischen Zusam­menarbeit scheinen auch persönliche Beziehungen eine wichtige Rolle zu spielen.

Sichtbar wurde die Zusammenarbeit zwischen IB und JA am 11. Mai 2017 bei der bis dahin größten Aktion der Identitären in Bremen. Das am innerstädtischen Weserufer im Ausgehviertel „Schlachte“ vor Anker liegende Segelschiff „Alexander von Humboldt“ wurde von AktivistInnen der IB Bremen kurzzeitig im Rahmen ihrer „Defend Europe“ Kampagne „besetzt“.9

Bei der Aktion beobachteten anwesenden Antifaschist_innen wie Robert Teske im Außenbereich eines Lokals an der Schlachte saß — ein merkwürdiger Zufall? Wohl kaum, bei der IB-Demonstration am 17. Juni 2017 in Berlin nahmen neben zahlreichen Identitären aus Bremen auch Robert Teske und Marvin Mergard teil. Einer der bisherigen Höhepunkte der „nicht“ stattfindenden Zusammenarbeit zwischen AfD/JA und IB war eine Protestaktion der IB während eines Wahlkampfauftrittes von Angela Merkel (CDU) auf dem Bremer Marktplatz am 15. August 2017, bei der die IB Flyer verteilte. Fotos belegen, wie Magnitz, Mergard und Teske sich vertraut und angeregt mit AktivistInnen der IB unterhalten. In einem daraufhin erschienenen Artikel im Weser-Kurier äußerte sich der Bundestagskandidat folgend dazu: „(…)  ich ignoriere keine Leute, die ich kenne10 .

Kein Wunder

Dass die genannten Organisationen eine intensive Zusammenarbeit pflegen, ist weder erstaunlich noch im Blick auf AfD Strukturen in anderen Bundesländern verwunderlich.

Die vorhandenen ideologischen Schnitt­mengen bieten die Basis für die gemeinsame politische Praxis und die Vernetzung zwischen AfD/JA und IB. Die für die „Neue Rechte“ charakteristischen Merkmale von Rassismus und Antiliberalismus gepaart mit Kulturpessimismus finden sich auch in verschiedensten Veröffentlichungen der genannten Akteure bzw. Organisationen.

So beschrieb Frank Magnitz in seiner Rede in Erfurt Schulen und Kindergärten als „Halal-Küchen mit Mekkafood“ in denen es keine Würstchen mehr gebe.11

Ebenso  gehen die AutorInnen eines Pam­phlets der IB Bremen zu Werke, wenn sie die Zustände in Bremer Stadtteilen beschreiben, in dem der sogenannte „Große Austausch“ schon im Gange sei. Es wird der Besuch eines Einkaufszentrum im Bremer Westen empfohlen um „ (...) Hijab-­Barbie in Lebensgröße beim besinnungslosen shoppen auf Stütze zu beobachten, dies sei kosmopolitischer Liberalismus in seiner entwurzelndsten Pracht.“9 Der Text, der gewollt intellektuell klingen soll, schlägt einen Bogen vom „Sturm auf die Bastille“ über die Russische Revolution hin zu dem „drohenden Untergang  Europas“ bzw. in diesem Fall Bremens. Die Schuld für den Zustand der Gesellschaft, wird im Liberalismus und bei seinen Vertretern ausgemacht.

Auch die JA um Mergard und Teske bedient sich Positionen der „Neuen Rechten“, wenn sie sich in die Debatte um die Errichtung eines Mahnmals für die Opfer der nationalsozialistischen Arisierungspolitik einmischt. Das Mahnmal sollte ursprünglich vor dem Firmensitz des Logistik-Unternehmens „Kühne und Nagel“ in Bremen errichtet werden. „Kühne und Nagel“ gilt als einer der Hauptprofiteure von der Enteignung jüdischen Eigentums. In einem Statement, das vom Nordwest-Radio gesendet wurde, sorgte sich Mergard um die Motivation der „Kühne und Nagel“-MitarbeiterInnen jeden Tag freudig zur Arbeit zu gehen.12 Im Kern dürfte es der JA aber eher darum gehen, den Nationalsozialismus so weit wie möglich aus der deutschen Geschichte heraus zu streichen, um den positiven Bezug auf die deutsche Nation zu stärken.

Ein weiteres Beispiel für Geschichtsrevisionismus völkisch-nationa­ler Ausprägung zeigt sich in der Pressemitteilung der JA Bremen vom 24. November 2017. Dort ging es um das Vorhaben des Bremer Senats, die ehemaligen Zwangsarbeiter_innen-Lager aus der Zeit des Bunkerbaus in das Konzept des Gedenkortes miteinzubeziehen. „Hier wird gar nicht erst versucht aus Bremen-­Nord eine Zukunftsperspektive abzuleiten, sondern rigoros der Schuldkult zum täglichen Zelebrieren ausgebaut“, schreibt die JA Bremen hierzu.13

Die zitierten Äußerungen zeigen auf, dass es AfD/JA und IB im Kern ihrer Politik auch darum geht, Deutschland vor einem „drohenden Untergang zu retten“. Dieses Vorhaben kann aus ihrer Perspektive nur gelingen, wenn sie das deutsche Volk von der als Last empfundenen geschichtlichen Phase des Nationalsozialismus als auch von den Zumutungen der Moderne befreit. Dies wird in der Praxis von IB und JA klarer deutlich. Die AfD in Bremen versucht dieses Kernanliegen der „Neuen Rechten“ unterschwellig in ihre Politik einzubinden. Mit den Mitteln und Möglichkeiten, die der AfD nach dem Einzug in den Bundestag zur Verfügung stehen, wird es auch für ihre Jugendorganisationen und deren Brüder und Schwestern im Geiste von der IB mehr Möglichkeiten geben, ihre politische Praxis zu professionalisieren.