„Politische Mitte“?
Alexander HäuslerDeutschland hat gewählt und nahezu 50 Prozent haben ihr Kreuz bei den Rechten gemacht. Dabei konnte die AfD ihr Ergebnis mehr als verdoppeln – Deutschland zeigt wieder, wo es steht. In Ostdeutschland wurde die AfD sogar zur stärksten Kraft und holte viele Direktmandate.

Deutschland hat gewählt
Für die WählerInnen waren die Zuwanderung (38 Prozent) sowie die innere Sicherheit (33 Prozent) bei ihrer Entscheidung ausschlaggebend- kein Wunder, setzten mit Ausnahme der Linken doch alle Parteien auf die Themen Migration und Abschiebung und normalisierten so den Standpunkt der AfD.
Die Brandmauer wurde in Ostdeutschland auf Kommunal- und Landesebene schon seit langem eingerissen und auf der Bundesebene hat Friederich -der Wüterich -Merz bei der Migration mit der AfD noch kurz vor der Wahl gemeinsame Sache gemacht. Doch mit der extrem rechten Partei koalieren, das kann er sich aufgrund vieler Bekundungen vor der Wahl gegen ein Zusammengehen mit der AfD nicht leisten, obwohl beide Parteien seit dem Ausscheiden von Angela Merkel aus der Führungsspitze nicht mehr groß unterscheiden.
Schon früher waren die konservativen Parteien die Steigbügelhalter der extremen Rechten. Das war schon zu Zeiten des Endes der „Weimarer Republik“ so, als von Papen Hitler den Weg bereitete. Die CDU bereitet nun der AfD den Weg. Maximilian Krah, der Europa-Abgeordnete der AfD, hat es offen ausgesprochen. Es sei das Ziel, die CDU zu zerstören. In anderen Ländern Europas sind die „mittigen“ Volksparteien schon verschwunden.
Steigbügelhalter
Es wird die Ähnlichkeit zu Österreich sichtbar, wo die Konservativen das AfD-Vorbild FPÖ fast an die Macht und FPÖ-Chef Kickl fast zum Regierungschef gewählt hätten. Insofern ist die Brandmauer zwischen konservativer und extremer Rechter eingestürzt, das zeigt auf internationaler Ebene die amerikanische CPAC-Konferenz. Die „Conservative Political Action Conference“ (CPAC) ist eine seit 1973 bestehende jährliche konservative Veranstaltung, die das Tor zur extremen Rechten immer weiter geöffnet hat. Die italienische Postfaschistin Georgia Meloni trat dort jüngst und wiederholt auf und auch der ungarische Ultra-Rechte Victor Orban ist dort gern gesehener Gast. Der argentinische libertäre Rechtsaußen Javier Milei übereichte dem amerikanischen Milliardär Elon Musk als symbolisches Geschenk dort eine Kettensäge und der Trump-Einflüsterer Steve Bannon zeigte werbewirksam den Hitler-Gruß.
Der rechte Wüterich Merz
Auch wenn Merz jetzt gemeinsam mit SPD-Chef Klingbeil in die Große, kleine Koalition steigt – was die wohl wahrscheinlichste Variation ist – wird die AfD normalisiert und als zweitgrößte Partei im Bundestag weiter steigen und die anderen Parteien vor sich hertreiben. Solange die anderen Parteien lediglich die Themen der AfD übernehmen, statt dagegen zu halten, wird die extrem rechte Partei nur normalisiert und ihr Zuspruch noch stärker. Merz hat schon früher bei der doppelten Staatsbürgerschaft einen Hang zu Rechtsaußen-Parolen bewiesen - vor der Wahl titulierte er die israelische Flagge als „Judenfahne“ und bediente sich dabei des ultra-rechten Jargons. „Links“ sei vorbei, verkündete er noch vor dem Wahlerfolg der Linken bei den ErstwählerInnen der Bundestagswahl. „Ich werde unsere Interessen wieder in Europa vertreten!“, verkündete Merz in einem Münchener Bierhaus bei der Schwesterpartei CSU und gab ein Versprechen ab: „Wir werden mit niemandem zusammenarbeiten, der nicht bereit ist, einen Wechsel in der Migrations- und Wirtschaftspolitik herbeizuführen“ und er fragte: „,Antifa‘ und ‚Gegen rechts‘: Wo wart ihr, als Walter Lübcke ermordet wurde?“ Dabei war es die CDU selbst, die den Mord und ihren Kampf gegen rechts weitestgehend unter den Teppich gekehrt hatte.
Die AfD
AfD-Chef Tino Chrupalla verkündete: „Wir sind die neue politische Mitte!“. Die AfD hingegen wurde bei den jungen WählerInnen zur zweitstärksten Kraft und holte nicht nur in Ostdeutschland, sondern mit knapp 18 Prozent auch in Westdeutschland ein gutes Ergebnis. Doch die Erwartung, dass ihr die Fürsprache internationaler Rechtsaußenpolitiker – sei es J.D. Vance, Herbert Kickl oder Viktor Orban – in den letzten Tagen vor der Wahl noch mehr Stimmen bescheren würde, ging nicht recht auf.
Besonders bei der Gruppe der Arbeiter zog sie und erreichte beispielsweise in Gelsenkirchen mit 24,7 Prozent und Kaiserslautern mit 25,9 Prozent die Mehrheit der Zweitstimmen. Würde die Union mit „den Linken“ – das sind für die AfD, SPD oder Grüne – zusammengehen, dann würde die AfD - so Alice Weidel – in der Opposition zur stärksten Kraft. Krah und Matthias Helferich – das nach eigenem Bekunden „freundliche Gesicht des NS“ - werden absehbar den radikaleren Flügel der Rechtsaußenfraktion stärken. Zu diesem Flügel können auch drei neugewählte Abgeordnete aus dem direkten Thüringer Umfeld von Björn Höcke gerechnet werden: Stefan Möller, Torben Braga und Robert Teske.
Gestärkt wird dieses Lager unter anderem durch die weiteren Neu-Abgeordneten Dario Seifert (Mecklenburg-Vorpommern), Christoph Birghan (Bayern), Thomas Ladzinksi (Sachsen) und Birgit Bessin (Brandenburg).
Weidel, die sich an der Spitze der AfD gehalten hat und als deren heimliche, alleinige Vorsitzende angesehen werden kann, bezeichnet sich offenherzig als Anhängerin von Friedrich August von Hayek und wahlweise als „Ordoliberale“. Sie besetzt damit den wirtschaftsfreundlichen Kurs der AfD – nicht unähnlich Sahra Wagenknecht vom knapp nicht im Bundestag vertretenem BSW: Auch die Ex-Linke nennt sich eine Anhängerin des Ordo-Liberalismus und ist erklärter Fan des ehemaligen CDU-Politikers Ludwig Ehrhards und hat auch sonst etliche Gemeinsamkeiten in einem Rededuell mit Weidel festgestellt, die sie nicht für eine Rechtsradikale hält – unter anderem in der Migrationsfrage.
Der Kurs der AfD – Radikalisierung bei gleichzeitiger Professionalisierung und weitgehender interner Einigkeit – hat sich aus ihrer Sicht bezahlt gemacht.
„Die Linke“
Die Linke hat einen fulminanten Wahlerfolg erzielt, den sie in Hamburg wiederholen konnte. Doch die Konflikte stehen noch aus, besonders zum Thema Antisemitismus und zur Ukraine-Aufrüstung. Nachdem Trump beim Besuch Selenskis in Kooperation mit seinem Vize Vance so eben die bestehende Ordnung des Westens zerschlagen hat, stellt sich die Frage nach Funktion der NATO und nach der Aufrüstung neu. Da muss auch „Die Linke“ neue Antworten finden, wenn sie den Mitglieder-Hype behalten will. Ihr Mitmischen bei Protesten gegen die Normalisierung der AfD war zwar löblich, hat ihr aber nicht viel mehr Stimmen eingebracht, sondern vielmehr die Mittelschicht ein wenig wachgerüttelt.
Rechter Spendenskandal
Sehr unangenehm könnte die Aufdeckung eines möglichen Spendenskandals kurz vor der Wahl für die AfD werden. Dann nämlich müsste sie zur Strafe sieben Millionen Euro nachzahlen für ein Spendenvolumen von mehreren Millionen Euro in Form einer großen Plakatkampagne. Angeblich sind sie von dem ehemaligen FPÖ-Landesgeschäftsführer in Vorderarlberg, Gerhard Dingler sowie durch dessen angeblichen Verein „Club der Freunde und Förderer von Frieden und Sicherheit“ spendiert worden. Nach ersten Recherchen steht der rechte Immobilienmarkler Henning Cole in Verdacht, als möglicher Hintermann die Kampagne finanziert zu haben. Das wäre nicht nur illegal, sondern auch nicht das erste Mal, dass Cole die extrem rechte Partei unterstützte.
Jedenfalls sind die Drähte von der AfD zur FPÖ kurz- die größtenteils rechtsaußen positionierte Partei dient der AfD als Vorbild und wenn es nach der FPÖ gehen sollte, würde sie mit der AfD im Europaparlament wieder im selben Boot sitzen. Dort nämlich sitzt die FPÖ in der Fraktion „Patrioten für Europa“ (Patriots) und die AfD in der ultra-rechten Splittergruppe „Europa der Souveränen Nationen“ (ESN). Die französische Marine Le Pen vom „Rassemblement National“ (RN) sorgte damals für den Rauswurf der AfD aus den „Patriots“, nachdem die AfD in Person von Maximilian Krah mit der französischen Konkurrenzpartei von Eric Zemmour wiederholt gemeinsame Sache gemacht hatte.
Kickl von der FPÖ dagegen ist virtuell auf nahezu jedem Parteitag der AfD mit einem Grußwort präsent und es ist eine Frage der Zeit, bis die AfD wieder unter das Dach der „Patrioten“ schlüpfen kann.