Elon Musk und die AfD
„Glückwunsch, Alice Weidel! Bei dieser Wachstumsrate wird die AfD in der nächsten Wahl die Mehrheitspartei sein“: Mit dieser Gratulation meldete sich Elon Musk am 24. Februar 2025, dem Tag nach der Bundestagswahl, auf X zu Wort. Vorher hatte er, wenn es stimmt was Weidel berichtete, noch versucht, der AfD-Chefin telefonisch seine Freude über den Erfolg ihrer Partei zu übermitteln; die ging allerdings nicht ans Telefon – sie schlief wohl noch. Musk ließ jedoch keinen Zweifel daran: Er unterstützt auch weiterhin die AfD.

Wie kam es zur Bildung der bizarren Achse Musk-AfD, die den reichsten Mann der Welt in den Vereinigten Staaten mit einer extrem rechten Partei im fernen Deutschland verbindet?
Der Weg, der den Tech-Milliardär Musk zur AfD führte, begann in Rom. Dort hielt er sich am 15. Juni 2023 zu Gesprächen mit Außenminister Antonio Tajani und mit Ministerpräsidentin Giorgia Meloni auf, die sich unter anderem um Autos und um Raumfahrt drehten; Musk ist in diesen Branchen mit Tesla, SpaceX und Starlink tätig. Besonders mit Meloni soll er sich gut verstanden haben – und so ist es kein Wunder, dass er im September 2023 auf einen Zwist aufmerksam wurde, der die Regierungen Italiens und Deutschlands entzweite: Berlin griff deutschen Hilfsorganisationen, die im Mittelmeer Flüchtlinge retteten, unter die Arme; Rom protestierte lautstark dagegen. Musk repostete nun auf seiner Plattform X einen Beitrag, der – in denunziatorischer Absicht – über die finanzielle Unterstützung der Bundesregierung für die Seenotretter berichtete; er fragte: „Ist sich die deutsche Öffentlichkeit dessen bewusst?“ Der Beitrag, den er wiedergegeben hatte, endete mit der Äußerung: „Lasst uns hoffen, dass die AfD die Wahlen gewinnt“.
Musk war damals dabei, sich öffentlich schrittweise als Unterstützer rechter und extrem rechter Kräfte zu profilieren. Im Herbst 2022 hatte er zunächst mitgeteilt, er werde bei den bevorstehenden Zwischenwahlen in den USA erstmals nicht für die Demokraten, sondern für die Republikaner stimmen. Dann hatte er erklärt, er wolle im Präsidentschaftswahlkampf den republikanischen Gouverneur von Florida, Ron DeSantis, unterstützen, falls er kandidiere. 2023 streckte er vorsichtig seine Fühler in die (extreme) Rechte in Europa aus. 2024 verstärkte er seine Beziehungen zu ihr.
Im April 2024 nahm er Kontakt zu der social media-Aktivistin Naomi Seibt auf, die die AfD unterstützt, und erkundigte sich bei ihr über die Partei. In den folgenden Monaten erwähnte er die AfD gelegentlich auf X; gegen Jahresende steigerte er die Frequenz. Am 20. Dezember 2024 schrieb er auf X in einer Antwort an Seibt: „Nur die AfD kann Deutschland retten.“ Am 28. Dezember 2024 erschien in der "Welt am Sonntag" ein Artikel von Musk, in dem es hieß, die AfD sei „der letzte Funke Hoffnung für dieses Land“. Am 9. Januar 2025 führte Musk auf X ein Interview mit AfD-Kanzlerkandidatin Alice Weidel; am 25. Januar 2025 ließ er sich per Video zum AfD-Wahlkampfauftakt hinzuschalten. Mehr Werbung ging von außen kaum.
Wozu das Ganze?
Warum lassen sich der reichste Mann der Welt auf eine extrem rechte deutsche Partei und diese wiederum auf einen – nicht mal Deutsch sprechenden und schreibenden – Typen aus den in der deutschen (extremen) Rechten nicht wirklich populären Vereinigten Staaten ein?
Was die AfD anbelangt: Sie profitiert von ihrem Kontakt zu Musk gewaltig. Dessen „lässige Vorstöße“ hätten ihr eine „Entdämonisierung“ und damit eine „Entlastung“ gebracht, konstatierte im Januar 2025 Götz Kubitschek. Andere sprachen von einer „Normalisierung“. Der Tech-Milliardär hat der AfD darüber hinaus zu einer ungeahnten Reichweite verholfen. Die Zahl der Weidel-Follower auf X etwa, das stellte im Februar die britische Onlinezeitung "The Independent" fest, schnellte von Ende Dezember 2024 bis Mitte Januar 2025 – in der Zeit, in der Musk am intensivsten mit der AfD interagierte – von rund 500.000 auf 985.000 in die Höhe: Musk erwies sich als exzellenter Multiplikator. Sein X-Gespräch mit Weidel verschaffte dieser zusätzlich Popularität. Und, last but not least: Dass die Trump-Administration wilde Deportationen startete, Diversity-Programme schrottete, Schluss mit Rücksichtnahme auf Minderheiten zu machen verspricht, lässt die Herzen auch deutscher Rassisten, Sexisten und Chauvinisten höher schlagen.
Was aber treibt Musk dazu, sich ausgerechnet für eine extrem rechte Partei in Deutschland herzugeben, die in der Lebenswelt der Tech-Milliardäre und anderer US-Oligarchen, ist man ehrlich, nun wirklich keine Rolle spielt?
Manche verweisen auf Musks Herkunft: Geboren und aufgewachsen im Apartheid-Südafrika, sei er durch dieses stark geprägt worden, urteilte Ende Januar William Shoki, ein südafrikanischer Journalist. Das mag zutreffen und könnte ihn ganz persönlich dazu motiviert haben, Politiker wie Trump und Parteien wie die AfD zu unterstützen. Nur: Er tut (bzw. TAT) dies auch als Berater des US-Präsidenten und faktischer Boss des „Department of Government Efficiency“ (DOGE), einer neuen Einrichtung der US-Regierung, die zur Zeit hemmungslos die US-Regierungsapparate zusammenstutzt.
Dass die Interessen, die sich mit Musks AfD-Unterstützung verbinden, weiter reichen, belegen die jüngsten Aktivitäten von US-Vizepräsident James David Vance. Anfang Januar 2025 hatte Vance bezüglich der AfD noch eine andere Haltung eingenommen als Musk. Dessen Beitrag in der „Welt am Sonntag“ und die darin enthaltene Wahlempfehlung kommentierend, hatte er auf X geäußert, der Text sei zwar „ein interessantes Stück“; doch sei Deutschland „nicht mein Land, und wir hoffen, gute Beziehungen zu allen Deutschen zu unterhalten“, weshalb er „bei den deutschen Wahlen keine Partei unterstützen“ werde.
Sechs Wochen und einen Tag später, am 14. Februar 2025, sah die Sache allerdings auf einmal völlig anders aus. Der 14. Februar war der Tag, an dem Vance eine weltweit wahrgenommene Rede auf der Münchner Sicherheitskonferenz hielt. Er nutzte sie, um „die Massenmigration“ zur bedeutendsten unter den vielen „drängenden Herausforderungen“ der Gegenwart zu erklären und unter dem Vorwand, bloß für die freie Meinungsäußerung einzutreten, zu fordern, es dürfe „keinen Platz für Brandmauern“ geben. Dass sich das auf die AfD bezog, war klar, und man konnte das auch in einem Vance-Interview im „Wall Street Journal“ lesen, das ebenfalls am 14. Februar veröffentlicht wurde. Nach seiner Münchener Rede empfing Vance in seinem Hotel noch AfD-Chefin Weidel zu einem 30-minütigen Gespräch.
Auch bei Vance mag man persönliche Motive für seine Positionierung auf Seiten der AfD erkennen. Der Tech-Millionär verdankt seine Unternehmerlaufbahn und auch seine politische Karriere dem ultra-rechten Tech-Milliardär Peter Thiel; der hatte einst geschrieben, er sehe „die gewaltige Aufgabe“ der heutigen Politik vor allem darin, Auswege aus der „sogenannten Sozialdemokratie“ zu finden, die vom „nicht denkenden Volk“ gesteuert werde. Vance steht Thiel, der ihm auch den Weg zur Vizepräsidentschaft zu bahnen half, bis heute nahe.
Darüber hinaus beruft er sich zuweilen auf den Blogger Curtis Yarvin, den manche offen als eine Art Neofaschisten einstufen; Yarvin hat sich einmal dafür ausgesprochen, in Washington eine Art „nationalen CEO“ mit Kompetenzen nach Art eines Startup-Chefs an die Macht zu bringen – das, „was man einen Diktator nennt“, erläuterte er. Vance hat diese Formulierung, soweit bekannt, nicht übernommen. Er hat aber im Februar geäußert, die Justiz solle die Kompetenz, Trumps Dekrete auf ihre Kompatibilität mit dem geltenden Recht zu überprüfen, nicht haben; schließlich dürften Richter ja auch keine Urteile über militärische Operationen fällen, die Generäle führten. Da klang der „nationale CEO“ zumindest an.
Und die AfD?
Zuweilen wird die Einschätzung geäußert, die Trump-Administration fördere sie in der Hoffnung, eine Regierungsbeteiligung einer Anti-EU-Partei werde die „Europäische Union“ schwächen, von der Donald Trump immer wieder behauptet, sie sei geschaffen worden, um die USA abzuzocken.
Ultrarechte Kräfte in Europa, die tendenziell auf weniger Integration in der EU zielen, werden von Trump-nahen Milieus tatsächlich seit Jahren unterstützt. Die „Conservative Political Action Conference“ (CPAC) etwa unterhält zu diesem Zweck seit 2022 einen Ableger in Ungarn, die CPAC Hungary (vgl. AIB Nr. 139).
Kämen europaweit extrem rechte Parteien an die Macht, dann formierte sich der Kontinent ganz wie zur Zeit die USA: autoritär geführt, Ressentiments und Aggression schürend, international seine Interessen rücksichtslos durchsetzend – und das alles in enger Anbindung an die trumpistisch geprägte USA. Die wiederum suchen aktuell auf Teufel komm raus ihre globale Dominanz gegen aufstrebende Rivalen zu sichern. Ein gleichgesinntes Europa wäre für sie dabei eine wertvolle Hilfe.