Die US-amerikanische CPAC und ihr Ableger in Ungarn
Inhaltlich konnte kein Zweifel bestehen: Die Konferenz, die am 4.und 5. Mai 2023 unter dem Titel „CPAC Hungary“ in Budapest stattfand, war politisch sehr weit rechts angesiedelt. „No Woke Zone“ war eines der Panel überschrieben, „Nations First“ ein zweites; und wer wollte, konnte sich von bekannten Rednern zum Thema „In God We Trust“ beschallen lassen. Angekündigt waren Beiträge von Politikern der parlamentarisch aktiven (extremen) Rechten in ganz Europa, von US-Republikanern, von ultrarechten Journalisten – und mittendrin der Ex-Präsident des Bundesamts für Verfassungsschutz, Hans-Georg Maaßen.
Die „Conservative Political Action Conference“, kurz: CPAC, ist ursprünglich ein Produkt einer hierzulande fast vergessenen Zeit: jener Ära, in der die politische Orientierung der beiden großen Parteien in den USA noch längst nicht so klar festgezurrt war wie heute und man etwa in der Republican Party nicht nur hart konservative bzw. rechte Kräfte fand. Um konservative bzw. rechte Politiker zu vernetzen und bei Wahlen gezielt für sie zu werben, hatte sich 1964 die „American Conservative Union“ (ACU) gegründet. Von 1974 an hielt die ACU, um ihre Aktivitäten zu bündeln, einmal im Jahr eine zentrale Tagung ab – die „Conservative Political Action Conference“ (CPAC). Einige Aufmerksamkeit verschaffte ihr der damalige Gouverneur des Bundesstaates California, Ronald Reagan, der seine Rede auf der ersten CPAC am 25. Januar 1974 unter das Motto stellte: „Wir werden eine Stadt auf einem Hügel sein.“ Das Zitat aus der Bergpredigt („Ihr seid das Licht der Welt. Eine Stadt, die auf einem Berg liegt, kann nicht verborgen bleiben“) wird seit 1630 als Slogan des US-Auserwähltheitsdenkens genutzt.
Ein Umschwung für die CPAC kam zu Beginn der Präsidentschaft von George W. Bush. Die Republican Party hatte sich mittlerweile klar als Partei der US-amerikanischen Konservativen bzw. Rechten etabliert; die Politik der Neokonservativen innerhalb der Bush-Regierung schob sie noch etwas weiter nach rechts. Die CPAC begann, sich vom Vernetzungstreffen hin zu einer Massenveranstaltung zu transformieren – und sie schlug einen scharf rechten Kurs ein. Auf der CPAC 2007 etwa nannte die ultrarechte Publizistin Ann Coulter Ex-Senator John Edwards von der Democratic Party, der sich um die Präsidentschaftskandidatur bewarb, eine „Schwuchtel“. Im Jahr darauf hetzte sie, das Beste, das der damaligen Wahlkampagne von „B. Hussein Obama“ widerfahren sei, bestehe darin, dass er „halb schwarz“ geboren worden sei. Es gab – und gibt – bei der CPAC durchaus Grenzen: Als der Rassist Richard Spencer, Propagandist einer herbeifantasierten „weißen Überlegenheit“, 2017 an der CPAC teilnehmen wollte, wurde er hinausgeworfen. Zu dem Rechtsaußen-Blogger Milo Yiannopoulos hingegen ging die CPAC erst auf Distanz, als seine Verteidigung von Pädophilie an die Öffentlichkeit drang.
Seit 2011 ist die CPAC mit dem Namen Donald Trump verbunden. Der Milliardär, der sich damals noch nicht als Politiker hervorgetan hatte, trat in diesem Jahr zum ersten Mal auf der Konferenz auf und erntete mit der Behauptung, fremde Länder beuteten die Vereinigten Staaten nach Strich und Faden aus, tosenden Beifall. Falls er sich entscheide, Präsident zu werden, so tönte Trump, dann „wird unser Land wieder großartig sein“. Sein Auftritt auf der CPAC gilt als erster Schritt seiner politischen Karriere. Mit Trumps Präsidentschaft hat der Trumpismus faktisch die Hegemonie über die CPAC übernommen. Der Ex-Präsident tritt ebenso regelmäßig auf ihr auf wie zahlreiche Personen aus seinem politischen Umfeld: Matt Gaetz etwa, Rechtsaußen aus Florida mit Sitz im US-Repräsentantenhaus; Marjorie Taylor Greene, die für Georgia im Repräsentantenhaus sitzt und sich mit extrem rechten Positionen und Verschwörungsideologien einen Namen gemacht hat; und Steve Bannon natürlich, der einst als Trumps Chefstratege internationale Bekanntheit erlangte.
Zentral für die CPAC: der Kampf nicht nur gegen die Linke, gegen Rechte von Frauen und von LGBTQI* und natürlich gegen Migration, sondern der lautstarke Protest gegen jede liberale Modernisierung.
Bereits in Trumps erstem Amtsjahr hat die CPAC begonnen, sich zu internationalisieren und gemeinsam mit einheimischen Kräften Konferenzen auch in anderen Ländern durchzuführen. Die erste davon fand im Dezember 2017 in Japan statt; sie wird seitdem jährlich wiederholt. Aus den USA traten unter anderem Bannon und Trumps Ex-Stabschef Mick Mulvaney auf, aus Japan einflussreiche Politiker aus der regierenden Liberaldemokratischen Partei, darunter die Ex-Verteidigungsminister Gen Nakatani und Tomomi Inada. Auch taiwanische Politiker waren bereits bei der japanischen CPAC präsent. Im Jahr 2019 verweigerten die chinesischen Behörden dem Aktivisten Andy Chan Ho-tin aus Hongkong die Ausreise: Der Mann, der für die Abspaltung der ehemaligen britischen Kolonie von China kämpft, hatte gleichfalls an der CPAC in Japan teilnehmen wollen.
2019 fanden erstmals auch eine CPAC in Australien und eine CPAC in Südkorea statt. In Australien traten unter anderem Ex-Premierminister Tony Abbott (Liberal Party) sowie der britische Rechtsaußen und Ex-UKIP-Chef Nigel Farage auf. Zum gemeinsamen Nenner, den die asiatisch-pazifischen CPAC-Ableger teilen, gehört ihre erbitterte Gegnerschaft zur Volksrepublik China.
2019 konnte die CPAC zudem ihren ersten Ableger in Lateinamerika gründen – in Brasilien. Dort hatte zu Jahresbeginn Jair Messias Bolsonaro das Präsidentenamt angetreten, ein ultrarechter Trump-Fan, der angab, sich im Wahlkampf von Bannon beraten lassen zu haben. Sein Sohn Eduardo Bolsonaro, Abgeordneter im brasilianischen Parlament und politisch ganz auf der Linie seines Vaters, hielt nicht nur persönlich Kontakt zu Trump und Bannon; er half auch, die CPAC in Brasilien zu etablieren.
Im November 2022 fand zudem die erste CPAC in Mexiko statt. Mit dabei unter anderem, neben Eduardo Bolsonaro und Bannon: José Antonio Kast, ein führender Politiker der extremen Rechten in Chile; Friedensnobelpreisträger Lech Wałęsa aus Polen; zudem Jianli Yang, ein im US-Exil lebender Chinese, der sich als Aktivist und Gegner der Volksrepublik einen Namen gemacht hat. Einig sind sich die Ableger der CPAC in Lateinamerika – neben vielem Anderen – auch in der Gegnerschaft zur lateinamerikanischen Linken von Bolivien bis Kuba.
CPAC-Ableger gibt es seit dem vergangenen Jahr auch in Israel, wo auf der ersten Konferenz neben vielen US-Amerikanern der ehemalige Likud-Minister Amir Ohana auftrat, und in Europa – und zwar in Ungarn.
Dort ist Ministerpräsident Viktor Orbán schon früh von Trump begeistert gewesen; auch zu Bannon nahm er spätestens im Mai 2018 Kontakt auf, als Trumps Ex-Chefstratege sich zu einer rechtslastigen, mit Unterstützung des ungarischen Außenministeriums durchgeführten Konferenz in Budapest aufhielt. Zur ersten CPAC in Ungarn kam es allerdings erst im Mai 2022; eine weitere fand im Mai 2023 statt. Zu dieser waren nicht nur CPAC-Aktivisten aus aller Welt angereist – vom ACU-Vorsitzenden Matt Schlapp über Eduardo Bolsonaro bis zu Hiroaki Aeba, dem Leiter der Japanese Conservative Union, die die CPAC in Japan organisiert. Es waren auch bekannte US-Republikaner gekommen, darunter Trumps Ex-Stabschef Mark Meadows. Ungarns Ministerpräsident Viktor Orbán konnte zudem, als er am 4. Mai 2023 die zweite CPAC Hungary eröffnete, eine Rednerliste ankündigen, auf der große Teile der parlamentarisch verankerten (extremen) Rechten Europas vertreten waren.
Die Liste reichte von den Parteivorsitzenden des französischen Rassemblement National (RN, Jordan Bardella), der portugiesischen Partei Chega (André Ventura) und der FPÖ (Herbert Kickl) über den Vizepräsidenten der spanischen Partei Vox, Jorge Buxadé, und Europaabgeordnete des Vlaams Belang (Gerolf Annemans) bzw. der Dansk Folkeparti (Anders Vistisen) bis zum Chefredakteur der Schweizer Weltwoche und Politiker der SVP Roger Köppel.
Mit Janez Janša und Andrej Babiš waren ehemalige Ministerpräsidenten Sloweniens bzw. Tschechiens präsent, mit Milan Krajniak und Martin Helme zudem Ex-Minister aus der Slowakei und Estland, die jeweils extrem rechten Parteien (Sme rodina bzw. EKRE) angehören. Aus Georgien war mit Irakli Garibaschwili sogar ein amtierender Ministerpräsident gekommen.
Das Spektrum der (extrem) rechten Kräfte aus Europa, die auf der zweiten CPAC Hungary vertreten waren, ist breit. Die Konferenzserie bietet zudem die Chance, sich mit der Rechten insbesondere aus den USA, aber auch aus der Asien-Pazifik-Region und Lateinamerika zu vernetzen.
Hans-Georg Maaßen, seit Januar 2023 Bundesvorsitzender der Werte-Union – beworben hatte er sich mit einem Bekenntnis „gegen jede Art von Ökosozialismus und Gender-Wokismus“ – und ansonsten für AfD-nahe Positionen sowie für gute Kontakte zu AfD-Politikern bekannt, passt da gut hinein. Womöglich wächst da unter dem ideologischen Dach des Trumpismus eine globale Internationale der Nationalisten heran.