Chinesisches/Russisches Geld für die AfD
Die Vorwürfe wiegen schwer. Haben die AfD-Abgeordneten Petr Bystron (Bundestag) und Maximilian Krah (Europaparlament), die beiden ersten Kandidaten auf der Wahlliste der AfD für die Europawahl, für ihre politischen Aktivitäten Geld aus Russland bekommen? Hat Krah darüber hinaus spezielle Leistungen aus China erhalten, ganz davon abgesehen, dass einer seiner Angestellten im Europaparlament mutmaßlich ein chinesischer Spion war? Treffen die Vorwürfe zu, dann wären exponierte Abgeordnete der AfD womöglich im Auftrag fremder Mächte im Parlament tätig geworden – ein gravierender Vorgang.
Die AfD hat seit je her eine gewisse Nähe zu Russland. Immer wieder sind Funktionäre der Partei in das Land gereist, sind dort als Wahlbeobachter tätig gewesen, haben Wirtschaftsforen besucht. Von russischer Seite sind sie dabei stets wohlwollend empfangen worden. Es gibt eine Reihe verbindender Interessen. Teile der AfD stehen in der Tradition desjenigen Teils der deutschen Rechten, der in Russland stets einen loyalen Verbündeten gegen die westlichen Mächte sieht. Moskau wiederum sucht kontinuierlich die Zusammenarbeit mit diesem Spektrum, weil es in seinem Machtkampf gegen den Westen Verbündete braucht. Es kommt hinzu, dass die AfD sich mit den gegenwärtig in Russland herrschenden Kräften in der Ablehnung jedes gesellschaftspolitischen Liberalismus, in der Treue zu repressiven Geschlechterstereotypen und in ihrem Kampf gegen linke Kräfte einig ist.
Die AfD-Spitze ist dabei allerdings bemüht, die Nähe der Partei zu Russland nicht überhand werden zu lassen. Ihr sei wichtig, teilte die Parteivorsitzende Alice Weidel im März mit, dass die Position der AfD „nicht verwechselt“ werde „mit einer angeblichen Nähe zum russischen Präsidenten Wladimir Putin“.
Zu denjenigen, die sich gewöhnlich besonders intensiv auf Russland orientiert haben, zählen Bystron und Krah. Bystron hat im März 2021 an Weidels Seite Moskau besucht und hat im Herbst 2022 im Anschluss an eine Dienstreise nach Litauen einen Abstecher nach Belarus eingelegt, das überaus enge Beziehungen zu Russland unterhält. Vor allem aber hat er dem Onlineportal „Voice of Europe“ ein Interview gegeben.
„Voice of Europe“, von 2023 bis zur erzwungenen Schließung Ende März 2024 in Tschechien ansässig, war überaus prorussisch orientiert und wurde von Wiktor Medwedtschuk, einem prorussischen Oligarchen aus der Ukraine, der dem russischen Präsidenten Wladimir Putin nahesteht, zumindest unterstützt, mutmaßlich auch finanziert. Bystron soll nun – dieser Vorwurf wurde Ende März 2024 unter Berufung auf tschechische Geheimdienste laut – wie andere Politiker der (extremen) Rechten aus dem direkten Umfeld von „Voice of Europe“ größere Geldbeträge erhalten haben, also von russischen bzw. von stark prorussischen Kreisen finanziert worden sein. Am 16. Mai 2024 hob der Bundestag Bystrons Immunität auf; unmittelbar darauf wurden sein Abgeordnetenbüro und mehrere Liegenschaften in Bayern wie auch auf Mallorca durchsucht. Die Ermittlungen dauern an.
Ähnlich liegen die Dinge bei Krah. Bereits im Jahr 2020 empfingen er und Bystron Medwedtschuk im Namen der AfD im Bundestag. Im November 2021 besuchte Krah den Oligarchen, gegen den die ukrainischen Behörden Hausarrest verhängt hatten, in Kiew. Auch Krah wurde von „Voice of Europe“ interviewt, dies sogar zweimal – und auch er soll, so sagen es tschechische Geheimdienstquellen, von dem Onlineportal selbst oder aus dessen direktem Umfeld Geld erhalten haben. Verstärkt wird der Verdacht durch Informationen des FBI, die bekannt wurden, als US-Ermittler den AfD-Abgeordneten auf der Heimreise von einem Treffen mit Anhängern von Donald Trump in New York vernahmen. Sie legten ihm eine Chatnachricht vor, die ihm einst Oleg Woloschyn geschickt hatte. Woloschyn, ein prorussischer Politiker aus dem direkten Umfeld von Medwedtschuk und ein alter Bekannter von Krah, hatte darin „Kompensationen“ erwähnt – in einer Formulierung, die anzudeuten schien, Krah habe aus Medwedtschuks Umfeld Zahlungen erhalten. Auch gegen Krah wurden Ermittlungen gestartet, die noch andauern. Und das ist nicht alles: Krah steht auch wegen seiner Beziehungen zu China gewaltig unter Druck.
Das Verhältnis der AfD zu China ist anders gelagert als dasjenige zu Russland. Sympathien für die Volksrepublik an sich sind, vorsichtig formuliert, dünn gesät. Als 2019 die internationale Kampagne gegen den chinesischen Mobilfunkhersteller Huawei auf Hochtouren zu laufen begann, suchte die Partei sich als Hardliner zu profilieren: „Einzig die AfD-Fraktion hat rechtzeitig davor gewarnt, Huawei-Technik für das hochsensible 5G-Netz einzukaufen!“, behauptete damals ihr Bundestagsabgeordneter Uwe Schulz. Anfang 2023 forderte sein Parlamentskollege Markus Frohnmaier, die Vergabe von KfW-Krediten an die Volksrepublik müsse schnellstens beendet werden, und als Krah sich im Juli 2023 um die AfD-Spitzenkandidatur bei der Europawahl bewarb, attackierten ihn parteiinterne Gegner auf Telegram mit der Behauptung, er wolle „an der Seite der rotchinesischen Kommunisten ... das freie Taiwan von der Landkarte tilgen“. Wer so argumentiert, vermutet zumindest starke antichinesische Strömungen in der Partei hinter sich.
Komplexer ist die Lage in der Außenpolitik. Ihre deutschnationale Orientierung bringt die AfD tendenziell in Gegensatz zu den USA; entsprechend hat die Partei kein Interesse daran, im US-Machtkampf gegen China Washington zu unterstützen. Als im Sommer 2022 die Wellen hoch schlugen, weil die Sprecherin des US-Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi, mit einem Besuch auf Taiwan die Spannungen eskaliert hatte, forderte AfD-Chef Tino Chrupalla dann auch auf X: „Die Bundesregierung muss die legitimen Sicherheitsinteressen Chinas respektieren!“ Sich für – aus ihrer Sicht – US-Interessen in Ostasien zu verkämpfen, das käme für die AfD prinzipiell nicht in Frage. Dies wiederum weckt in Beijing ein gewisses Interesse an ihr. China, einem Wirtschaftskrieg und stark zunehmendem militärischen Druck aus den USA ausgesetzt, ist für jede auch nur einigermaßen relevante Option im Westen, dem US-Druck etwas entgegenzusetzen, auf taktischer Ebene erst einmal offen.
So erklärt es sich, dass im Sommer 2023 eine dreiköpfige AfD-Delegation auf offizielle Einladung für rund eine Woche zu Gesprächen nach China reiste. Parteichefin Alice Weidel hat, gefördert vom DAAD, während der Arbeit an ihrer Dissertation mehrere Jahre in der Volksrepublik gelebt; sie spricht Chinesisch und kennt das Land. Ihr Ziel ist es – soweit erkennbar –, Deutschland aus dem US-Machtkampf gegen die Volksrepublik herauszuhalten. Mit ihr reisten die Bundestagsabgeordneten Petr Bystron und Peter Felser. Was die beiden antrieb, zeigen Bystrons Äußerungen zur China-Strategie der Bundesregierung: Unter Bezug darauf, dass die Strategie den Druck auf Beijing zu intensivieren sucht, sprach der AfD-Außenpolitiker sich dagegen aus, „die geopolitischen Interessen der USA unter dem Deckmantel einer Strategie für die deutsche Außenpolitik durchzusetzen“. Zugespitzt: Berlin soll sich nicht für Washington in Ostasien verkämpfen, sondern seine eigenen Interessen verfolgen.
Krah vertritt ähnliche Positionen, ist aber dennoch ein Sonderfall. Er beschäftigte seit September 2019 als Mitarbeiter im Europaparlament den gebürtigen Chinesen Jian Guo, eine dubiose Figur, die über lange Jahre zumindest Kontakt mit dem "Bundesamt für Verfassungsschutz" hielt und nun wegen Spionage für China inhaftiert ist. Krah selbst suchte im Europaparlament immer wieder, aggressive Beschlüsse gegen Beijing zu dämpfen; er trieb dies aber deutlich weiter als etwa Weidel und wurde von anderen AfD-Abgeordneten schon bald scharf kritisiert, „immer nur die Interessen des chinesischen Staats“ zu vertreten, wie der AfD-Europaabgeordnete Nicolaus Fest es ausdrückte. Im April 2023 berichtete „The European Conservative“, Krah gelte in Brüssel als exponiertester Repräsentant des „anti-atlantischen“ Teils der AfD-Fraktion; der Artikel ließ zudem erhebliche Zweifel am Hintergrund seines Mitarbeiters Guo erkennen. Ob Krah im Europaparlament nur die AfD-Strategie, in Ostasien nicht im US-Interesse zu handeln, auf die Spitze getrieben hat; ob er mit seinen Aktivitäten vielleicht Guo auf den Leim gegangen ist oder ob er sogar stumpf käuflich war, werden wohl künftige Gerichtsverfahren zeigen.
An Krah hat sich schließlich im Mai 2024 ein heftiger Streit in der Europaparlamentsfraktion „Identität und Demokratie“ entzündet. Offizieller Auslöser war, dass er in einem Interview erklärt hatte, nicht alle Waffen-SS-Mitglieder seien Verbrecher gewesen; daraufhin erklärte Marine Le Pens „Rassemblement National“ (RN), die Fraktionsgemeinschaft mit der AfD aufzukündigen, was wiederum dazu führte, dass die Fraktion die AfD ausschloss. Nun ist die Verharmlosung von Waffen-SS-Verbrechern eigentlich nichts, was in der extremen europäischen Rechten als Tabu gilt. Die Vermutung liegt nahe, dass Krahs dubiose, womöglich strafrechtlich relevante Affären der Hauptgrund für den Bruch mit der AfD waren.