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AfD-Hinterbänkler auf pro-russischem Parkett

Einleitung

Die Ukraine ist kein zentrales Thema in der AfD, nur wenige AnhängerInnen äußern sich über das Land. Diese dafür um so intensiver. Grundsätzlich lässt sich beobachten, dass die Ukraine vor allem als Krisenregion und hierbei primär als Gegnerin Russlands eine Rolle spielt. In der Regel dominiert Einseitigkeit ihre Positionen, Themenfelder jenseits des Konflikts werden selten kommentiert. In den Wahlprogrammen der AfD tauchen Positionen über die Ukraine nur indirekt auf, indem Sanktionen und andere Maßnahmen gegen Russland, die aufgrund der Krimannexion und seinen militärischen Aktivitäten in der Ostukraine aufgestellt wurden, unisono abgelehnt werden.

Foto: Screenshot YouTube/Newsfront

Richard Gretzinger, Henning Zoz und Gunnar Lindemann werden im Februar 2020 durch die Ostukraine geführt

Auch andere Ereignisse werden durch eine Art „Russlandbrille“ gedeutet. So kommentierte der AfD-MdB Armin-­Paulus Hampel den Wahlausgang im Juli 2019, dieser lasse „auf den Ausgleich mit Putin“ hoffen, wenn die „westlichen Nationen dem neuen Präsidenten Selenskyi keine Steine in den Weg legen“. Ansonsten freut sich Hampel lediglich darüber, dass die „viel geschmähten, sogenannten ‚popu­listischen Parteien’ (…) auch dort in der unübersehbaren Aufstiegszone“ seien.

AfD-PolitikerInnen waren zwar mehrfach in der Ukraine, aber lediglich auf der Krim bzw. der umkämpften Ostukraine, um sich dort mit anderen VertreterInnen (extrem) rechter Parteien als WahlbeobachterInnen im Dienste Russlands zu betätigten. So wurde versucht den dort abgehaltenen Abstimmungen bzw. Machthabern demokratische Legitimität zu geben.

Zu erklären ist dies durch die seit Jahren zu beobachtende Hinwendung der Partei zu prorussischen Positionen. (Vgl.: AIB Nr. 115) So lehnen viele AfDler nicht nur eine einseitige Fixierung auf transatlantische Bündnisse ab, sondern befürworten „einen Pakt mit Russland gegen den Westen“ und sind AnhängerInnen von Eurasienkonzepten, die rechts-gedeutet, ideologisch „um antiliberale, autoritäre, völkisch-homophobe Elemente“ erweitert werden.1 Deutlichstes Beispiel dafür war der „Russland-Kongress“ der AfD-Fraktion Sachsen-Anhalt im Jahr 2017.2 Putin gilt mit seiner Politik vielen deutschen Rechten auch außerhalb der AfD als Vorbild, wenn nicht gar als Heilsbringer.

Russland wiederum dankt es der AfD mindestens mit Aufwertung und positiver Berichterstattung in den Staatsmedien, wo AfD-PolitikerInnen merklich überrepräsentiert sind. Es ist eine strategische Nutzung solcher Befürworter, um seine aggressive Außenpolitik zu legitimieren. Dies lässt sich auch in anderen Ländern Europas beobachten und geht bis hin zu finanzieller Unterstützung z.B. des "Front National" in Frankreich. In Deutschland erhofft sich die AfD dadurch auch, Zustimmung bei russlanddeutschen Wählerschichten zu bekommen.

Waren zu Anfangszeiten der AfD unter Lucke durchaus auch Positionen vertreten, wonach z.B. die Eingliederung der Krim in die Russische Föderation als völkerrechtswidrig bezeichnet wurde, haben sich AfD-VertreterInnen mittlerweile zu Dauergästen auf der russisch-besetzen, ukrainischen Halbinsel entwickelt. Und nicht nur dort, auch in der von prorussischen Separatisten kontrollierten Donbass-Region sind AfDler regelmäßig zu Besuch. Dabei lassen sie sich gerne für lokale Propaganda einspannen, um im Gegenzug durch vermeintliches Agieren auf internationalem Parkett glänzen zu können. Hierbei fallen vor allem HinterbänklerInnen der AfD auf, die versuchen, sich über solche Aktionen zu profilieren.

Ein besonders umtriebiger Akteur ist der Berliner AfD-Abgeordnete Gunnar Norbert Lindemann, der eigentlich für den öffentlichen Nahverkehr in der Fraktion zuständig ist, aber regelmäßig nach Osteuropa, vor allem in die besetzten Teile der Ukraine, fliegt. Nach eigenen Angaben war er seit 2014 bereits fünf Mal auf der Krim, im Donbass „bestimmt sieben-, acht- oder neunmal“. Dort lässt Lindemann sich dann von lokalen Verantwortlichen herumführen bzw. herumreichen, posiert für Fotos und gibt lokalen Medien Interviews. Teilweise scheinen diese Touren auch eine Art Urlaubscharakter für ihn zu haben. Mit seinem Sohn traf er im Donbass den ultra-nationalistischen „Nachtwölfe MC“ (Ночные Волки) und besuchte ein Moskauer Museum. Auf dem Instagram-Profil des 16-jährigen Sohnes fanden sich auffällig viele Fotos von dort ausgestellten Hakenkreuz-Fahnen. Zudem posierte er mit einem Sturm­gewehr.3

Zuletzt war Lindemann mit dem Berliner Rentner Richard Gretzinger (Mitglied bei „Russlanddeutsche für die AfD“) und dem Kuratoriumsmitglied der „Desiderus-Erasmus-Stiftung“, Henning Zoz, im Februar 2020 in der ostukrainischen Stadt Donezk. Fotos zeigen neben dem üblichen Programm auch eine vermeintliche Spendenübergabe der Drei an ein Kinderheim. Warum die dort gezeigten Kinder alle in Camouflage gekleidet sind, wird allerdings nicht weiter kommentiert.

Zwar sollen Lindemanns Aktivitäten dem Vernehmen nach in Teilen der Berliner AfD-Fraktion nicht ganz unkritisch gesehen werden, konkrete Folgen hatten diese Reisen  für ihn jedoch nur in der Ukraine: Da nach dortiger Gesetzeslage die besetzten Gebiete weiterhin als ukrainisch betrachtet werden, ist der AfD-Politiker somit mehrfach illegal in das Land eingereist und bekam deswegen ein mehrjähriges Einreiseverbot für die Ukraine.

Lindemann ist vielleicht der skurrilste Vertreter, bei weitem aber nicht der einzige: So waren u.a. der AfD-MdB Ulrich Oehme4 im März 2018 auf der Krim und in gleicher Mission bereits die Landtagsabgeordneten Udo Stein und Thomas Rudy 2016 im Donbass als Wahlbeobachter unterwegs. Organisiert wurden solche Reisen teilweise durch den rechten Netzwerker und „ZUERST!“-Chefredakteur Manuel Ochsenreiter. Der Vertraute des extrem rechten Eurasien-Vordenkers Alexander Dugin ist im Konflikt ebenfalls eindeutig positioniert. Wie wir im AIB Nr. 122 berichtet hatten, geht seine Unterstützung für Russland offenbar so weit, dass er einen Brandanschlag polnischer Neonazis in der Westukraine in Auftrag gab.5 Bis zum Bekanntwerden der Vorwürfe war Ochsenreiter Mitarbeiter des AfD-MdB Markus Frohnmaier, der ebenfalls mehrfach auf die Krim reiste.

Wenige Tage vor dem letzten AfD-Trip in die Ostukraine fand im Januar im Bundestag eine Veranstaltung von Petr Bystron und Waldemar Herdt statt, die in sozialen Netzwerken als „wichtige(r) Schritt zur Lösung des Donbasskonfliktes“ verklärt wird. Man habe VertreterInnen aus der Ukraine und Russland an einen Tisch gebracht, um „das Gespräch zwischen den Konfliktpartnern zu fördern, Lösungen aufzuzeigen und so einem Frieden zwischen Russland und der Ukraine näher zu kommen.“ Der Redner dieser Veranstaltung war allerdings kein geringerer als der umstrittene, pro-russische Oligarch und ukrainische Oppositionsführer Wiktor Medwedtschuk. Er ist ein enger Vertrauter Putins, der sogar Taufpate seiner jüngsten Tochter ist.6 Um diesen mit Vertretern der russischen Botschaft an einen Tisch zu kriegen, brauchte es nicht die AfD. Lösungen für den Konflikt brachte der Termin ebenfalls nicht, aber für die Inszenierung der Beteiligten wird er seinen Zweck erfüllt haben.

Dass diese Aktivitäten jedoch nicht zwingend im Widerspruch zu Verbindungen von AfD-AnhängerInnen mit militanten ukrainischen Neonazis stehen, bewiesen die EXIF-Recherchen um Ivan Kormilitsyn, der im August 2018 im Asow-Ausbildungsgelände ATEK an Waffen trainierte. Im Dezember letzten Jahres war er für die AfD in den Rostocker Ortsbeirat Groß-Klein eingezogen, aber im Februar seiner Abwahl aufgrund der Recherchen durch Rücktritt zuvorgekommen. Dieser Fall dürfte jedoch eher Ausdruck dessen sein, dass die AfD, gerade dort, wo der Flügel stark ist, auch weiterhin für Neonazis attraktiv ist, als dass es wahrnehmbaren Widerspruch zum aktuellen Kurs in ihrer Ukraine/Russland-Politik gibt.