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Auf dem Weg nach Eurasien

Einleitung

Immer wieder machen sie Schlagzeilen: die Beziehungen der "Alternative für Deutschland" (AfD) nach Russland. Basierend auf einer alten außenpolitischen Strategie, hat die rechte Partei in den vergangenen Jahren systematisch enge Kontakte nach Moskau aufzubauen versucht. Inzwischen werden ihre Bemühungen von dort erwidert.

Foto: Tim Wagner

Putin Plakat bei einer LEGIDA Demonstration in Leipzig.

Die AfD ist nicht von Anfang an eindeutig auf Russland-Kurs gewesen. „Ich nehme zur Kenntnis, dass die Partei in dieser Frage zwei Flügel hat“, gab der stellvertretende AfD-Sprecher Alexander Gauland im August 2014 zu Protokoll, als bekannt geworden war, dass der damalige Parteichef Bernd Lucke im Europaparlament einer Verschärfung der Russland-­Sanktionen zugestimmt hatte. Lucke, ein Anhänger einer primär transatlantischen Orientierung Deutschlands, hatte sich damit offen gegen den prorussischen Flügel der Partei gestellt. „Es gibt bei uns Trans­atlantiker und Leute wie mich“ — so fasste Gauland im Sommer 2014 den Flügelstreit knapp und prägnant zusammen.

Leute wie mich“ — damit war der prorussische Flügel gemeint, der mit dem Abgang der Lucke-Leute im Juli 2015 schließlich in der AfD hegemonial wurde. Gauland hat die Grundgedanken, die für diesen Flügel prägend sind, in einem Thesenpapier zur Außenpolitik festgehalten, das er am 10. September 2013 der Öffentlichkeit präsentierte. „Wir Deutschen vergessen manchmal“, notierte er darin, „dass Russland an entscheidenden Wegmarken der deutschen Geschichte positiv Pate gestanden hat.“ Damit waren etwa der gemeinsame Krieg gegen das napoleonische Frankreich oder die russische Rückendeckung für die Reichsgründung 1871 gemeint. „Das Verhältnis zu Russland sollte uns immer eine sorgfältige Pflege wert sein“, fuhr Gauland fort, um sogleich zu fordern, man müsse künftig „Elemente der Bismarckschen Rückversicherungspolitik gegenüber Russland“ pflegen. In diesem Sinne verabschiedete die AfD auf ihrem Hannoveraner Bundesparteitag am 29. November 2015 eine „Resolution zur außenpolitischen Lage“, in der es hieß: „Wir sehen Russland als legitimen Mitspieler im Konzert der Mächte“. Notwendig sei „die Wiederherstellung normaler Beziehungen zwischen der NATO, der EU und Russland“ und „die schrittweise Einbindung Russlands“ in eine „gemeinsame Sicherheitspartnerschaft“.

Zunächst handelt es sich bei der Forderung nach einer gewissen Zusammenarbeit mit Russland schlicht um ein außenpolitisches Konzept — um eines, das der ausschließlichen Fixierung auf das transatlantische Bündnis eine Absage erteilt und eine zumindest punktuelle Kooperation mit Moskau, in extremer Form sogar einen Pakt mit Russland gegen den Westen („Eurasien“) vorsieht. Es ist ein Konzept, das in der deutschen Geschichte sehr unterschiedliche Formen angenommen hat und auf das verschiedenste Kräfte zurückgriffen — von Rechten, die von einem anti­westlichen Bündnis träumten, über die SPD, die im Rahmen der „Entspannungspolitik“ mit Moskau kooperierte, bis hin zu Kommunistinnen und Kommunisten, die einst die Sowjetunion unterstützten. Die AfD greift das Konzept von rechts auf, erweitert es ideologisch um antiliberale, autoritäre, völkisch-homophobe Elemente —und kooperiert dementsprechend auch mit ultrarechten russischen Organisationen.

Ein Beispiel: Im Oktober 2015 reiste Gauland nach St. Petersburg, und zwar auf Einladung der Stiftung Sankt Basilius der Große, die von dem Oligarchen Константин Малофеев (Konstantin Malofejew) geleitet wird, einem orthodoxen Monarchisten. Die Stiftung hatte sich zuvor mit einer Konferenz einen Namen gemacht, die sie Ende Mai 2014 in Wien organisierte; daran teilgenommen hatten Politiker der FPÖ, des Front National und der extrem rechten bulgarischen Партия Атака (Partei Ataka).

AfD-Funktionäre haben schon bald Kontakt zur russischen Botschaft in Berlin aufgenommen — und sind dort tatsächlich auch empfangen worden; Russland folgt da derselben Logik wie die deutsche Außenpolitik, die in der Ukraine mit Funktionären der faschistischen Partei Свобода (Swoboda) anbandelte, weil sie für die Anbindung des Landes an den Westen hilfreich war, und die aus demselben Grund in Russland den Oppositionellen Алексей Навальный (Alexej Nawalny) protegiert, auch wenn er sich offen „Nationalist“ nennt und gegen ethnische Nicht-Russen agitiert.

Im September 2014 führte Gauland erste Gespräche in der russischen Botschaft in Berlin und kehrte mit der Nachricht zurück: „Die Russen haben das Gefühl, dass wir sie in Europa nicht wollen. Sie fühlen sich von der NATO bedrängt.“ Im November 2014 diskutierten der damalige AfD-Bundesgeschäftsführer Georg Pazderski und AfD-­Pressesprecher Christian Lüth mit russischen Diplomaten; Gauland erklärte dazu: „Es spricht nichts gegen einen regelmäßigen konstruktiven Austausch mit den Russen.“ Der Austausch wurde fortgeführt. Markus Frohnmaier, Ko-Vorsitzender der Jungen Alternative (JA), ließ sich 2015 mit Daniil A. Bisslinger fotografieren, der in der russischen Botschaft in Berlin für Kontakte zu Jugendorganisationen zuständig ist; selbstverständlich wurde Frohnmaier auch in der Botschaft selbst empfangen. Die Liste ließe sich fortsetzen.

Hinzu kommt, dass Moskau die AfD wegen deren prorussischen Positionen auch über einfache Botschaftskontakte hin­aus unterstützt. Als Gauland im Oktober 2015 auf Einladung der "Stiftung Sankt Basilius der Große" in St. Petersburg weilte, traf er sich mit einem Vertreter der Regierungs-Partei Единая Россия (Einiges Russland) und mit dem stellvertretenden Vorsitzenden des Auswärtigen Ausschusses des Föderationsrats, Andrej Klimow, zum Gespräch. Im April 2016 wurde der Europaabgeordnete Marcus Pretzell zum "Yalta International Economic Forum" auf die Krim eingeladen; am Rande der Veranstaltung konferierte er mit dem stellvertretenden Vorsitzenden des russischen Föderationsrates, Jewgenij Buschmin. Ebenfalls im April 2016 kamen Frohnmaier und Sven Tritschler, der zweite Ko-Vorsitzende der JA, mit dem Duma-­Abgeordneten Robert Schlegel (Einiges Russland) in Berlin zusammen. Im Februar 2017 wiederum reiste die AfD-Ko-Vorsitzende Frauke Petry nach Moskau und sprach dort nicht nur mit Duma-Präsident Вячесла́в Воло́дин (Wjatscheslaw Wolodin) und seinem Stellvertreter Пётр Толстой (Pjotr Tolstoi), sondern auch mit dem Vorsitzenden des Duma-Ausschusses für internationale Angelegenheiten, Леонид Слуцкий (Leonid Slutsky), sowie mit weiteren russischen Parlamentariern — darunter der Veteran der parlamentarischen extremen Rechten in Russland, Владимир Жириновский (Wladimir Schirinowski). Mitgereist war, weil auch eine mögliche Zusammenarbeit auf der Ebene der Jugendorganisationen besprochen werden sollte, Julian Flak, der im AfD-Bundesvorstand die Parteijugend vertritt.

Vorteilhaft für die AfD ist bei alledem, dass sie in der Deutschland-Berichterstattung russischer Staatsmedien gewöhnlich gut wegkommt — ganz wie andere politische Spektren, die sich nicht an der modischen Agitation „gegen Putin“ beteiligen. Nicht zuletzt über diese Berichterstattung findet die Partei erfolgreich Zugang zu Russlanddeutschen, einer stark konservativ-reaktionär geprägten Bevölkerungsgruppe, deren häufig anzutreffende so­ziale Isolierung in heruntergekommenen Sozialbausiedlungen nicht dazu beiträgt, ihr oft ländlich-traditionelles Weltbild zu modernisieren. Gerade in solchen Wohngebieten — von Waldbröl-Eichen im Bergischen Land über Pforzheim-Haidach bis Berlin-Marzahn — fährt die AfD zur Zeit Wahlergebnisse von mehr als 30 Prozent ein.

Jenseits ihrer eigenen Beziehungen nach Russland unterhält die AfD auch Kontakt zu prorussischen Netzwerken in der äußersten deutschen Rechten. Ein Beispiel dafür bietet die Zusammenarbeit der Partei mit Manuel Ochsenreiter, dem Chefredakteur des Rechtsaußen-Magazins „ZUERST!“. Ochsenreiter hat im vergangenen Jahr ein "Deutsches Zentrum für Eurasische Studien" (DZES) gegründet, das sich als Think-Tank und Informationszentrum zu „zeitgenössischen eurasischen Angelegenheiten“ versteht. Ochsenreiter, der enge Beziehungen zu dem einflussreichen russischen Faschisten Александр Дугин (Alexander Dugin) unterhält, ist mehrmals als Wahlbeobachter in der Ostukraine unterwegs gewesen; mindestens einmal, nämlich im Juli 2016, hat er AfD-­Politiker dorthin mitgenommen — die AfD-Landtagsabgeordneten Thomas Rudy (Thüringen) und Udo Stein (Baden-Württemberg).

Im Mai 2015 war Ochsenreiter gemeinsam mit Frohnmaier zu einer Konferenz nach Donezk gereist; umgekehrt hat er am 2. April an einer Russland-Konferenz der sächsischen AfD-Landtags­fraktion teilgenommen. Dort waren neben Vertretern der FPÖ, des Vlaams Belang und der Lega Nord auch der Duma-Abgeordnete Alexander Juschenko und mit Andrej Tatarinow ein Ex-Führungsmitglied der "Jungen Garde", also der Jugendorganisation von "Einiges Russland", präsent. Die Beziehungen der AfD nach Russland werden dichter und gedeihen.