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AntifaschistInnen in Spanien. Demonstration als kriminelle Vereinigung

Einleitung

Auch für die spanische Presse und Justiz steht fest: Der Feind steht links. Dies machten sie im Oktober 1999 unmissverständlich deutlich. Anlass waren Ausschreitungen im Zusammenhang mit einer Nazikundgebung in Barcelona.

Am 12. Oktober 1999, dem spanischen Nationalfeiertag unmittelbar vor den Wahlen zum Regionalparlament, fand in Barcelona eine Kundgebung der faschistischen A.U.N. (Alianza por la  Unidad Nacional) statt. Auf einem Bahnhofsvorplatz fanden sich 800 Alt- und Neonazis ein, um der Gallionsfigur des spanischen Neofaschismus, Ricardo Saenz de Ynestrillas dabei zu lauschen, wie er u.a. die Überlegenheit der weißen »Rasse« beschwor.

Ein breites Bündnis

Zeitgleich hatte die Plataforma Antifascista, ein breites Bündnis verschiedenster linker Organisationen zur Gegendemo mobilisiert. Dem Aufruf folgten 3000 Menschen, die den Nazis nicht den Stadtteil Sants überlassen wollten, in dem es in jüngster Vergangenheit mehrfach zu faschistischen Übergriffen auf MigrantInnen gekommen war. Als der Demozug auf der Rückseite des Bahnhofs ankam, machte es eine Polizeisperre unmöglich, zu den Nazis zu gelangen. Versuche, diese zu durchbrechen, beantworteten die Spezialeinheiten »Antidisturbios« mit dem Einsatz von Gummigeschossen. Die AntifaschistInnen setzten sich ihrerseits u.a. mit Silvesterraketen zur Wehr. Es wurden Barrikaden errichtet, die jedoch nach kurzer Zeit unter massivem Schlagstockeinsatz aufgelöst wurden. Die DemonstrantInnen zogen sich in die Seitenstrassen zurück, wo sie wiederum Barrikaden errichteten, um ein weiteres Vordringen der brutal agierenden Polizei zu verhindern. Außerdem kam es zu Sachschäden in 22 Bankfilialen, einigen Maklerfirmen und einem Parteibüro der rechtskonservativen Partido Populär. Nach zwei Stunden konnte die Polizei schließlich verkünden, sie habe die Lage wieder im Griff. Es kam im Laufe der Auseinandersetzungen zu 26 Festnahmen - eine für spanische Verhältnisse ungewohnt hohe Zahl, die nur durch die massive Anwesenheit von Zivilpolizisten möglich wurde.

Medienkampagnen und Repression

Am darauf folgenden Tag schlug die Stunde der Medien: Auf den Titelseiten der landesweiten Zeitungen und in den TV-Nachrichten hieß es, »wenige hundert, äußerst gewaltbereite«, »bis an die Zähne bewaffnete« AntifaschistInnen hätten den Stadtteil in ein »Schlachtfeld« verwandelt und einen »Tornado des Vandalismus« entfacht. Die hetzerische Berichterstattung gipfelte in der Mutmaßung, es gäbe intensive Kontakte zur Untergrundbewegung des Baskenlandes. Die Auswirkungen dieser Medienkampagne bekamen schließlich vor allem die Inhaftierten zu spüren. Nachdem zwei Minderjährige auf freien Fuss gesetzt wurden - einer von ihnen ist Sohn eines Parlamentsabgeordneten -, wurden die verbleibenden 24 AntifaschistInnen der Haftrichterin vorgerührt. Die Staatsanwaltschaft, mit Unterstützung eines geschädigten Bankkonzerns als Nebenkläger, forderte die Anordnung von Untersuchungshaft. Die erhobene Anklage lautete unter anderem auf »Bildung einer kriminellen Vereinigung«.

Dieses recht beliebte Konstrukt zur Verfolgung linker AktivistInnen wurde hier zum ersten Mal im Zusammenhang mit einer Demonstration bemüht. Die Staatsanwaltschaft argumentierte, diese »kriminelle Vereinigung« hätte sich im Verlauf der Demonstration erst herausgebildet, um schließlich die Ausschreitungen zu provozieren.Eine Richterin ordnete Untersuchungshaft für 14 der 24 Gefangenen an. Die Freigelassenen, die vor dem Gerichtsgebäude von 300 Freundinnen und Verwandten begrüsst wurden, berichteten von schweren Misshandlungen durch die Polizei, insbesondere ein Farbiger und eine ausländische Antifaschistin wurden schwer verletzt. Der Richterspruch bestärkte die Medien, welche mit »Hintergrundberichten« aufwarteten, die sich bemühten, die Verbindungen ins Baskenland zu belegen und insbesondere die HausbesetzerInnenbewegung ins Visier nahmen. So meinten JournalistInnen festgestellt zu haben, »führende Köpfe« der Linken Barcelonas hätten an Lehrgängen im Baskenland teilgenommen und die besetzten Häuser der Stadt diente diesen »Großstadtguerilleros« als Planungs- und Rekrutierungszentren.

Solidaritätsaktionen

Die folgende Solidaritäts- und Öffentlichkeitsarbeit der Linken Barcelonas hatte somit nicht nur die sofortige Freilassung der 14 AntifaschistInnen zum Ziel - es ging auch darum, dem verzerrten Bild, welches die Massenmedien der Öffentlichkeit vermittelten, etwas entgegenzusetzen. Täglich wurden Kundgebungen vor den Knästen abgehalten, und es kam zu zahlreichen Demonstrationen. Politische Parteien, Gewerkschaften und auch der spanische Anwaltsverein forderten die Freilassung und verurteilten die unangemessene Härte der Justiz. 3000 StudentInnen demonstrierten in der Innenstadt Barcelonas und drohten, mit Unterstützung des Hochschulrektorats, mit Streik.

Auch in anderen Städten des Landes kam es zu Demonstrationen, Kundgebungen und Aktionen. Auf Grund des öffentlichen Drucks relativierte sich schließlich auch die Berichterstattung, und nach über einer Woche Haft kamen die Inhaftierten frei. Die Anklage hat jedoch auch weiterhin Bestand. Am 23. Oktober 1999 demonstrierten 7.000 Menschen für die Einstellung der Verfahren. Am 26. November kam es zu einer weiteren Festnahme im Zusammenhang mit den Zusammenstößen in Sants sechs Wochen zuvor. Einem 44jährigen wurde vorgeworfen, eine Silvesterrakete gezündet zu haben. Die Tatsache, dass am gleichen Tag in verschiedensten Zeitungen dazu »Hintergrundberichte« zu lesen waren, lässt vermuten, dass sich die Medien auf Polizeiquellen stützten. Die Festnahme erschien somit als notwendige Maßnahme, die BesetzerInnenbewegung als Gefahr für die Gesellschaft darzustellen. Es bleibt abzuwarten, ob es den gut kooperierenden Instanzen der öffentlichen Sicherheit und der öffentlichen Meinung gelingt, die vergleichsweise breite Solidarität, die die BesetzerInnenbewegung in Barcelona genießt, dauerhaft zu brechen.