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Spanien: Neonaziführer Varela verurteilt

Einleitung

Die Mittelmeerinsel Mallorca ist bekanntlich ein beliebter Aufenthaltsort für Deutsche, die etwas Sonne abbekommen, aber sich nicht wirklich ins Ausland begeben wollen. Denn dort gibt es fast alles, was man von Zuhause kennt, deutsche RechtsRock-Bands inklusive. So z.B. im Mai 1999 als im nördlichen Palma de Mallorca in einem Restaurant der »Tag der deutsch-spanischen Freundschaft« von etwa 100 rechten Skinheads begossen wurde: Als Höhepunkt des Abends trat die rechte Bremer Skinheadband "Endstufe" um Jens Brandt auf. Eine zentrale Figur der deutsch-spanischen (Neo)Nazifreundschaft könnte demnächst allerdings in seiner Funktion als Koordinator der beiden rechten Szenen ausfallen: Der spanische Faschist Pedro Varela Geiss wurde am 16. November 1999 von der dritten Kammer des Strafgerichts Barcelona zu einer fünfjährigen Haftstrafe verurteilt. Außerdem muß er eine Geldstrafe von 720.000 Pesetas (umgerechnet rund 9.000 Mark) zahlen.

Bild: wikimedia.org/youtube/PoesíaPatriota/CC BY 3.0

Pedro Varela Geiss posiert in einem Video.

Anlaß des Strafverfahrens gegen Pedro Varela Geiss war eine Durchsuchung in der von ihm geführten Buchhandlung "Librería Europa" in der Nacht vom 11. auf den 12. Dezember 1996. Damals hatte die katalanische Polizei "Mossos d'Esquadra" insgesamt über 20.000 Bücher, Video- und Tonkassetten, Plakate, Briefe und andere Nazimaterialien beschlagnahmt (Vgl. AIB Nr. 38). In deren Besitz und Verbreitung sahen die Richter die Tatbestände der Holocaustleugnung, sowie der Anstachelung zu Haß und Diskriminierung erfüllt: »Die große Mehrheit der genannten Publikationen enthält Texte, die zur Diskriminierung und zum Haß gegen Juden aufrufen, indem sie als minderwertige Wesen bezeichnet werden, die vernichtet werden müßten wie Ratten

Der Argumentation von Varela und dessen Anwalt José María Ruiz Puerta, er habe um den strafbaren Inhalt der von ihm verkauften und vertriebenen Materialien gar nicht gewußt und würde nur »historisches Material» vertreiben, mochten die Richter nicht so recht glauben. Schließlich gehört zu den beanstandeten Büchern auch eines, das aus der Feder von Varela selbst stammt: »El mito de Anne Frank« ("Der Mythos Anne Frank"). In diesem Buch leugnet Varela eine spezifische Verfolgung der jüdischen Bevölkerung. »Anne Frank wurde nicht umgebracht oder ermordet«, heißt es in dem Buch, »sie war ein Opfer des Krieges«.

Weil eine Berufungsinstanz das Urteil aufheben könnte, ist es bisher allerdings noch nicht in Kraft getreten. Dann erst soll auch das beschlagnahmte Material vernichtet werden. José María Ruiz Puerta bezweifelt nämlich die Verfassungsmäßigkeit des Urteils, weil es angeblich gegen die von Artikel 20 der spanischen Verfassung geschützten Rechte der  Meinungs- und Informationsfreiheit verstoße. Solange die Berufungsinstanz das Urteil nicht bestätigt, bleibt Varela auf freiem Fuß. Allerdings mußte er seinen Paß  abgeben und erhielt die Auflage, sich monatlich persönlich bei Gericht zu melden. Denn die Richter sehen eine hohe Fluchtgefahr des 41jährigen Faschisten, da er, so hieß es in der Urteilsbegründung, »dafür notwendige persönliche und internationale Beziehungen« habe.

Gute Kontakte hat Varela in der Tat, vor allem nach Deutschland. Ein nicht unbeträchtlicher Teil seiner Kunden - auch die Kundendaten beschlagnahmten die Beamten der "Mossos d'Esquadra" bei der Durchsuchung der "Libreria Europa" in Barcelona im Dezember 1996 - sollen aus Deutschland kommen. In seinen Versandkatalogen preist er Nazidevotionalien auch in deutscher Sprache und in Deutschmark an, das Rechnungskonto wird bei der Deutschen Bank in München geführt. Von zentraler Bedeutung war der deutschsprechende Varela auch in seiner Funktion als Vorsitzender des als CEDADE bekannten "Círculo Español de Amigos de Europa" ("Spanischer Freundeskreis Europas").

Der CEDADE

Der CEDADE galt über lange Jahre als wichtigste Faschistengruppierung in Spanien. Er wurde etwa Mitte der sechziger Jahre, während der Franco-Herrschaft ins Leben gerufen. Die offizielle Gründung erfolgte allerdings erst im Jahre 1968. Ideologisch bezog sich die Organisation, die anfangs von Jorge Mota Aras angeführt wurde, auf den »Europagedanken« der SS und sah seine Vorbilder insbesondere in Deutschland. Schließlich wurde Jorge Mota als ideologischer Kopf bei der CEDADE-Gründung von hohen Nazi-Funktionären, die sich nach 1945 ins franquistische Spanien abgesetzt hatten, unterstützt. Einer von ihnen war der belgische SS-General Léon Degrelle, ein bekannter Vertreter des SS-Europagedankens, eine andere treibende Kraft war Otto Skorzeny. Skorzeny war im Zweiten Weltkrieg Experte für besondere Missionen sowie Terroraktionen. Bekannt geworden ist er vor allem durch die Leitung der Befreiung des italienischen Faschistenführers Benito Mussolini, der 1943 nach der Landung der Alliierten auf Sizilien entmachtet und festgenommen worden war.

Unter der fachkundigen Anleitung Skorzenys wurde der CEDADE durch seine gute Infrastruktur und die Möglichkeiten im franquistischen und post-franquistischen Spanien zur einer wichtigen paramilitärischen Ausbildungsorganisation deutscher wie österreichischer Neonazis. Dabei war die interne Struktur durch eine straffe Organisation gekennzeichnet, der CEDADE verstand sich immer als Kadergruppe. Die CEDADE-Druckerei "Nothung" in Barcelona war auch für Neonazis aus anderen Ländern eine wichtige Adresse. Die Verbindungen zur deutschen und österreichischen Naziszene waren dabei immer von herausragender Bedeutung. 

Starke Verbindungen zur internationalen (Neo)Naziszene

Pedro Varela reiste als Vorsitzender des CEDADE immer wieder nach Deutschland und Österreich, um an internationalen Zusammentreffen teilzunehmen. So wurde Varela 1992 bei einer Tagung von Otto Scrinzi (ehem. FPÖ) "Österreichischem Kulturwerk" in Kärnten verhaftet. Er hatte im Oktober 1991 in Weyer (Österreich) bei der "26. Politischen Akademie der AFP" Hitler "als zweiten Erlöser der Menschheit" bezeichnet. An internationalen Treffen der CEDADE in Spanien soll 1992 auch der deutsche Neonazi Manfred Roeder teilgenommen haben. Als die 16. "DKG Gästewoche" von Lisbeth Grolitsch im September 1992 in Sulda (Südtirol) geplant wurde, standen auch Pedro Varela auf einer bekannt gewordenen "Gästeliste".

In der "Libreria Europa"  liefen nicht nur die Bestellungen von (Neo)Nazi- und Holocaust-Leugner-Propaganda aus ganz Westeuropa ein, auch für die internationale Zusammenarbeit war die Buchhandlung sowie Varelas Postfach eine wichtige Adresse. So z.B. als der Verlag der englischen Holocaust-Leugners David Irving ("Focal Point Publications" aus London) 1998 eine Art "Europatournee" mit Irving durchführen wollte. Als (Mit)-Veranstalter galten innerhalb der Szene der Deutsche Stephan W., der Niederländer Martyn Freling und der Spanier Pedro Varela.

Die erklärtermaßen großeuropäische Ausrichtung des CEDADE im Sinne der SS-Ideologie machte den CEDADE nicht überall in der (Neo)Naziszene beliebt, weil diese enge Orientierung an Deutschland bei (Neo)Faschisten in ändern Ländern nicht so gut ankam, außer natürlich in Deutschland. Auch in Spanien betrachtete das Gros der (Neo)Faschistenszene diese Ausrichtung eher mit Skepsis. Daß der spanische Nationalismus in irgendeiner Form in dieser »Europäischen Idee« aufgehen sollte, kommt  für Falangisten und Franco-Anhänger kaum in Frage. Unbehaglich ist den Vertretern des spanischen Nationalismus auch die Affinität des CEDADE zu den regionalen Nationalismen in Galizien, Katalonien, dem Land Valencia oder dem Baskenland. Während die Franquisten eine starke zentralspanische Ausrichtung an den Tag legen, bedient sich Varelas Buchhandlung bei Werbeaktionen beispielsweise der katalanischen Sprache. Offiziell gilt der CEDADE seit Mitte der neunziger Jahre als aufgelöst, die Aktivisten haben sich auf verschiedene andere rechte Organisationen verteilt.

Ein Großteil wirkt in der als AUN und MSE bekannten Gruppierungen "Alianza por la Unidad Nacional" (Allianz für die Nationale Einheit" ) und "Movimiento Social Español" ("Soziale Spanische Bewegung") mit, ein 1994 ins Leben gerufener Zusammenschluß der spanischen Rechtsaußen unter der Führung des Neofaschisten Ricardo Sáenz de Ynestrillas Pérez. Andere CEDADE-Leute betätigen sich, nach den Informationen spanischer AntifaschistInnen bei der eher nationalrevolutionären "Alternativa Europea" ("Europäische Alternative") um Juan Antonio Llopart, die insbesondere in Katalonien und an der Ostküste vertreten ist.

Erste Verurteilung wegen Holocaust-Leugnung in Spanien

Das Aufgehen in der AUN/MSE könnte aber auch nur ein taktischer Zug gewesen sein, im Herbst dieses Jahres soll in Spanien jedenfalls wieder aktuelles Propagandamaterial der CEDADE mit der Angabe einer Postfachadresse und einer Mobilfunknummer aufgetaucht sein. Varela ist der erste, der in Spanien wegen Holocaust-Leugnung verurteilt wurde, denn nach dem spanischen Strafgesetzbuch steht sie erst durch eine Novelle vom Mai 1996 unter Strafe. Bisher galt das Land eher als Rückzugsgebiet der Nazis. Woanders verurteilte Faschisten flüchteten nach Spanien, so Gerd Honsik und Walter Ochsenberger aus Österreich oder Otto Ernst Remer und mußten bisher nicht  mit einer Auslieferung rechnen. Einzig 1991 war es einer jüdischen KZ-Überlebenen nach jahrelangen Prozessen gelungen, vor dem spanischen Verfassungsgericht ein Urteil gegen den SS-General Degrelle zu erstreiten.

Kein Rückzugsgebiet mehr für alte und neue Nazis?

Über das Urteil gegen Varela zeigten sich die Nebenkläger SOS Racismo, die jüdische Gemeinde von Barcelona, die Vereinigung der Juden Kataloniens und das Simon-Wiesenthal-Zentrum verständlicherweise erfreut und werteten es als wichtiges Zeichen. Gerade das Simon-Wiesenthal-Zentrum hatte in den vergangenen Jahren immer  wieder nach Spanien geflüchtete Nazis öffentlich gemacht, zuletzt zu Jahresbeginn den deutschen Honorarkonsul im südspanischen Málaga, Hans Hoffmann. Hoffmann heißt eigentlich Horst Alberto Carlos Fuldner Bruene und war u.a. als SS-Hauptsturmführer Horst Fuldner und Carlos Fuldner als Nazi-Auslands-Agent aktiv gewesen. Auf einer von den Geheimdiensten Frankreichs, Großbritannien und der USA bereits 1945 ausgearbeiteten »Schwarzen Liste« wird Fuldner/Hoffmann als einer von 104 hohen Nazis genannt, die im franquistischen Spanien Zuflucht gefunden hatten. Mit Hilfe der von Skorzeny aufgebauten Nazi-Fluchthilfeorganisation sind weitere NS-Täter gefolgt. Beispielsweise Wolfgang Jugler, ehemaliges Mitglied der SS-Leibstandarte „Adolf Hitler“,  der im südspanischen Marbella lebt.

Spanien hatte den Nazis schon im Krieg umfangreiche Hilfe geboten. Franco belieferte das »3. Reich« mit den für die deutsche Rüstungsproduktion bedeutenden Rohstoffen Wolfram und Chrom. Über die spanische Zentralbank sowie ein speziell gegründetes Institut wurde Gold aus deutscher Kriegsbeute zu Geld gemacht und verschwand teilweise. Über 85 Tonnen Gold soll sich die spanische Zentralbank und das 1937 gegründete IEME ("Instituto Español de Moneda Extranjera") besorgt haben, den Großteil über eine Bank in der Schweiz, bei der die Nazis ihre Kriegsbeute weißwuschen.

Auch andere Kriegsbeute wurde in Spanien zu Geld gemacht: Der Nazi-Banker Alois Miedl, ein persönlicher Vertrauter von Hermann Göring, hat nach Informationen des CIA via Madrid diverse im Zweiten Weltkrieg erbeutete Kunstgegenstände verkauft. Das Geld dafür sei auf irgendwelchen Auslandskonten verschwunden. Bei Kriegsende wurde das Nazi-Vermögen im Ausland auf etwa 1,5 Milliarden US-Dollar beziffert. Der Großteil davon soll sich auf Konten in Lateinamerika, Spanien und Portugal befinden.