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KAH: (Neo)Nazis wollen Hitlergeburtstag feiern

Einleitung

Jedes Jahr am 20. April "feiern" neue und alte Nazis den Geburtstag Adolf Hitlers, auf ihre Art und Weise. Das geht von Feiern und Gedenken an den Führer des nationalsozialistischen Terrorsystems, bis hin zu Überfällen auf AntifaschistInnen, AusländerInnen usw. Dieses Jahr ist jedoch mit einer neuen Eskalation zu rechnen. Es ist der 100. Geburtstag und der wird seit Jahren vorbereitet.

"KAH"- 20. April 1989: Militante Neonazis mobilisieren international

Im Mai 1984 fand in Madrid ein Treffen zwischen dem deutschen Neonazi-Führer Michael Kühnen und seinem Stellvertreter Thomas Brehl mit Léon Degrelle statt. Laut einigen Berichten sollen auch die Neonazifunktionäre Michel Caignet (Paris) und Dieter Weißmüller bei diesem Treffen dabei gewesen sein. Sie gründeten ein „Komitee zur Vorbereitung der Feierlichkeiten zum 100. Geburtstag Adolf Hitlers“, kurz KAH. Für dieses Datum wurden europaweite Aktionen ins Auge gefaßt. Degrelle, eine der Schlüsselfiguren der "Braunen Internationale", wurde "Ehrenvorsitzender". Leon Degrelle (82) ist Gründer der blgischen Kollaborationsbewegung „Rex Nationale“, war Kommandeur der flämischen SS- Freiwilligen und höchstdekorierter Ausländer (Eichenlaub zum Ritterkreuz). Er ist in Belgien in Abwesenheit zum Tode verurteilt worden. Eine Schlüsselfunktion zur Herstellung der deutsch-spanischen Kontakte hat Walter Matthaei inne. Matthaei genannt "Capitan Walter" war "Reichsjugendführer" der 1952 verbotenen „Sozialistischen Reichspartei“ (SRP), hat 30 Jahre in Spanien gelebt und kam 1987 nach Deutschland zurück. Er war Bundesführer" der "Wiking-Jugend" und in der „Freiheitliche Deutsche Arbeiterpartei“ (FAP) aktiv.

"Capitan Walter"

Walter Matthaei war während der drei Jahrzehnte, die er in Spanien lebte eine Schlüsselfigur der spanischen Neonaziszene zu den militanten Neonazi-Organisationen in der BRD. Über ihn kam z.B. Gerald K. in die "Spanische Legion", eine der Ausbildungszentren der internationalen militanten Neonaziszene. Gerald K. war früher in Westberlin in der "Wiking-Jugend" und später in der 1982 verbotenen "DAJ" (Deutsche Arbeiter Jugend) aktiv. Bei den Hausdurchsuchungen gegen diese Gruppe wurden die meisten Waffen bei ihm gefunden. Zuletzt tauchte er in den Kreisen der FAP auf.

Walter Matthaei hatte in Spanien einen Verlag sowie die spanische "Wiking Jugend" aufgebaut. Matthaei war es auch, der bundesdeutschen Neonazis Kontakt zur spanischen "Círculo Español de Amigos de Europa" (CEDADE) herstellte. Es gibt Schätzungen, die der CEDADE etwa 3.000 Mitglieder zurechnet. Etliche Anschläge, auch tödliche, gehen auf das Konto dieser Organisation.1 Bevor sich Walter Matthaei in Spanien niederließ, war er führender Funktionär der SRP und der "Wiking-Jugend". Die "SRP" wurde als NS-Nachfolgeorganisation vom Bundesverfassungsgericht verboten. Eine gründliche politische Ausbildung dürfte Walter Matthaei beim "Reichssicherheitshauptamt" (RSHA) erhalten haben. Bis 1945 war er dort im Range eines Hauptmanns aktiv. Das RSHA faßte den Sicherheitsdienst des Reichsführers SS (Abkürzung SD) und die "Sicherheitspolizei" zusammen. Das RSHA war die oberste Kommandozentrale, die die Terror-, Mord-, Spionage- und Sabotage-Aktionen der SS koordinierte.

Das internationale Vorbereitungskomitee

Einen Schwerpunkt setzten sie auf die Erstellung von Massenpublikationen also Plakate, Flugblätter und Aufkleber in vier Sprachen. Mit Hilfe Degrelles erzielte die ANS-Führung Übereinkunft für koordinierte Aktionen mit verschiedenen Neonazi-Organisationen in Westeuropa. Hervorzuheben sind dabei die spanische „Círculo Español de Amigos de Europa“ (CEDADE) - spanisch für: Spanischer Zirkel der Freunde Europas - die belgische "Rex Nationale", aus Frankreich die „Faisceaux Nationalistes Européens (FNE), die „National Socialist Irish Workers Party“ (NSIWP), der schwedischen „Nordischen Reichspartei“ (NRP), sowie den ANS-Auslandsorganisationen in Österreich, den Niederlanden und im flämischen Teil Belgiens. Mit dieser langfristig angelegten Mobilisierung wird eine einheitliche europäische NS-Bewegung angestrebt, denn auf Hitler berufen sich heute die meisten europäischen NS-Organisationen.

Die internationalen Verbindungen haben einen gewissen Vorlauf. Kühnen hielt sich einige Zeit als "politischer Flüchtling" in der Schweiz, Frankreich und Spanien auf. Laut einem Bericht des Fernsehmagazins "Monitor" vom Mai 1984 vernetzte er sich in Frankreich mit dem FNE-Führer Michel Leloux ("Marc Frederiksen").2 Zu Hilfe kamen Kühnen auch seine guten Kontakte zu dem Chef der NSdAP/AO (Auslandsorganisation) des US-Amerikaners Gerhard Rex „Gary“ Lauck, der auch als presserechtlich Verantwortlicher für die ANS-Auslandsorganisationszeitung "Die Neue Zeit" auftrat. Er versendet aus den USA NS-Propaganda in die ganze Welt und verfügt über etwa 20.000 Adressen in West-Europa. Als nächsten Schritt zu einer sogenannten "Europäischen Bewegung" gründete Kühnen kurz vor seiner Verhaftung in Paris eine deutsche Ausgabe der Zeitung "Unser Europa“ (später „Die Neue Zeit“), die der französische Neonazi Michel Caignet weiter leiten sollte. Zwei Neonazis aus Kühnens Organisation erzählten einem "Quick"-Reporter, in Paris, daß sie eine illegale NSdAP aufbauen wollen.

Die Weiterführung der "Europäischen Bewegung" lag anscheinend in der Zeit, in der Kühnen im Gefängnis saß, relativ brach. Er verfügt jedoch nach wie vor über eine große Anzahl von internationalen Kontakten. Ob es zu gemeinsamen Aktionen dieser beiden Fraktionen kommt ist nicht genau zu sagen. Fest steht, daß Vorbereitungen für einen 20. April 1989 laufen. In der "Neuen Front" des Kühnen-Flügels "Oktober/November 99JdF" (heißt im 99. Jahr des Führers, gemeint ist 1988) berichtet Kühnen über das Wiederaufleben der "Europäischen Bewegung", die nach der FAP- Spaltung praktisch tot war. Angekündigt ist dort eine von der Kühnen -Fraktion zu "organisierende Kundgebung" mit internationaler Beteiligung: Aus Frankreich hat die „Parti Nationaliste Français et Européen“ (PNFE) zugesagt, sie ist aus der oben erwähnten FNE hervorgegangen. Ein norwegisches KAH, von Mitgliedern der "Nasjonalt Folkeparti" gegründet, und Neonazis aus den Niederlanden haben zugesagt. Aus Flandern (Belgien) sollen die Gruppe "Weerstand" und "eine Gruppe entäuschter 'Vlaamse Militanten Orde' (VMO) Aktivisten" mit von der Partie sein.

Im August 1988 führte eine Kühnen-Delegation in Almeria die Gespräche mit der "CEDADE" über die Vorbereitung des 20. Aprils 1989 fort, am 12. Dezember des gleichen Jahres traf Kühnen mit dem Präsidenten der "CEDADE" Pedro Varela Geiss in München zusammen. "Die Neue Front" berichtete über die Bereitschaft der Spanier zu gemeinsamen Aktionen. Doch auch die Kontakte anderer Neonazi-Organisationen ins Ausland sind gut und teilweise dieselben, die Kühnen hat. So waren Mitglieder der "Nationalistischen Front" (NF) bei einem internationalen Neonazi -Treffen in Frankreich. Zu den dort Anwesenden sprach der oben bereits erwähnte Leon Degrelle über Telefon, was die NFler sehr bewegend fanden, obwohl sie nicht viel verstanden haben. Außerdem nahmen sie an einem internationalen Neonazi-Treffen in Koortrijk, Belgien, teil. Anwesend war auch, neben Neonazis aus ganz Europa, eine Delegation der französischen PNFE (Abspaltung der FNE). Allzu viel konnten sie auf diesem Treffen jedoch nicht bereden, da es von AntifaschistInnen verhindert worden ist und sie die meiste Zeit im Gefängnis verbrachten.

Vereinheitlichung der NS-Organisationen ?

In der BRD wurde noch im selben Jahr das "KAH" gegründet. Ein "Generalsekretär der Bewegung" wurde der Duisburger FAP'ler Jürgen Mosler, der schon "Bereichsleiter West" der ANS/NA war. Für die KAH "Sektion Nord" wurden Willy Wegner (Hamburg) und Volker Heidel (Hannover) mit der Leitung betraut, nachdem Thomas Wulff diesen Posten aufgab. Für die KAH "Sektion Süd" standen Michael Swierczek (München) und für die "Sektion Mitte" Peter Müller aus Frankfurt/M. Als "Sektionsleiter West" wurde Christian Malcoci ernannt. Christian Sennlaub und Malcoci traten auch als "Gausekretär" des KAH auf. Das "Deutsche Jugendbildungswerk" (DJBW) um Bela Ewald Althans aus Huglfing fungiert als ein "Sonderreferat" des KAH. Hinter einem "Referat für Sicherheit" des KAH soll Christian Malcoci (Jüchen) stehen, der von Hans K. ("Kameradschaft Garmisch") aus Helbrechts unterstützt wird. Das Referat "Ideologische Schulung" betreut Friedhelm Busse aus München. Das Referat "Deutsche Frauenfront" betreut die "stellv. Gauleiterin Bayern" Christiane Mader aus Feuchtwangen.  Bei der Kreissparkasse Borken wurde unter dem Stichwort KAH ein Konto für "sachbezogene Spenden" eröffnet.2 In der neonazistischen "Neuen Front" wird betont, daß das "KAH" im Gegensatz zur ANS nicht politisch auftritt, sondern lediglich die Vorbereitungen für den 100sten Geburtstag trifft. Aus dem Programm des "KAH" geht hervor, daß die "Bewegung über verschiedene Organisationen und Parteien" verfüge. Dabei gehe es den Neonazis, um "Qualität statt Quantität". Also eine übergeordnete Organisation, die nach außen unter verschiedenen Namen auftreten soll. Dabei fallen erstmal die Organisationen ins Auge unter denen sowieso eine enge Zusammenarbeit besteht: FAP, NF und "Wiking Jugend", sowie die unter einer Vielzahl von  Namen auftretenden NS- Gruppen und Vereinigungen.

Dieses "KAH" gab seit 1986 verschiedene "Dienstanweisungen" heraus, wie die Befehlsstruktur innerhalb der Organisationen zu gestalten sei, daß wöchentliche Treffen und Aktionen gemacht werden sollten usw. Ein "Referat Recht und Justiz" gibt Anweisungen wie man sich zu verhalten habe, wenn Neonazis mal festgenommen werden oder einen Prozeß haben. Die Anordnungen des "Referats Schulung und Ausbildung" gehen dabei auch ins Absurde. Dort wird die Marschordnung beschrieben, welche Stellung die Füße beim Strammstehen einzunehmen haben, nämlich nicht ganz 90 Grad usw. Sinn ist offenbar die Disziplinierung der Neonazis und die Vorbereitung für Aufmärsche in militärischer Formation.

Nun ist ja bekannt, daß sich die FAP in einen Kühnen-Flügel und in einen um Jürgen Mosler und Volker Heidel (FAP Hannover) gespalten hat. Grund waren die Äußerungen Kühnens aus der Haft über Homosexualität. Anlaß der Spaltung war offensichtlich eher Führungskonkurrenz als tiefgreifende ideologische Unterschiede. Auch Kühnen-Gefolgsleute, wie Christian Worch aus Hamburg, werden von dem "KAH", in dem Mosler inzwischen "Generalsekretär" geworden ist, akzeptiert und nicht ausgeschlossen.

Westberlin

Eine "Bewegung 20. April" schändete in der Nacht vom 6./7 Januar die Gedenkstätte Plötzensee für die Opfer des Nationalsozialismus. Die Neonazis haben an der Landwehrkanal-Brücke über dem Denkmal für Rosa Luxemburg einen Schweinekopf aufgehängt und das Denkmal mit einem Hakenkreuz beschmiert. Außerdem wurden an der Gedenkstätte Plötzensee zwei Schweinekopfhälften aufgehängt, zwei weitere lagen auf der Plattform des Denkmals an der Putlitzbrücke, das an die Deportation der Berliner Juden in die KZs erinnert. Eine Woche später werden in Steglitz fünf Jugendliche festgenommen, die Hakenkreuzaufkleber der NSdAP/AO des US-Amerikaners Gerhard "Gary" Lauck verklebten und NS-Plakate dabeihatten. Es ist nicht das erste Mal das NS-Aufkleber in der Stadt verklebt werden.

Seit einiger Zeit sammeln zudem Westberliner Neonazis Adressen von AntifaschistInnen, besonders an Schulen. Außerdem verfügen sie über eine Kartei mit Fotos von Personen die Antifa-Arbeit machen sollen. Neben zahlreichen Beobachtungen von AntifaschistInnen, ist diese Tatsache von dem NF-Funktionär Christian F. in einer Zeugenaussage vor Gericht bestätigt worden. Am 18. Oktober 1988 bekundete er, daß er Fotos von Linken sammele und diese archiviere. Er würde sie jedoch nicht zu Hause aufbewahren, weil er Angst vor Hausdurchsuchungen durch die Polizei oder AntifaschistInnen habe.

Wenn Neonazis am 20. April auftreten, dann ist damit zu rechnen, daß dies in offen neonazisistischer und gewalttätiger Form geschieht. Also eine andere äußerliche Form, als das nach außen hin vermittelte Bild der "Deutschen Jugendinitiative" (DJI) oder das was das Programm der Westberliner "Freiheitspartei" hergibt. Die Anzeichen und personellen Verbindungen führen zu jenen Gruppen, die hinter diesen beiden Namen stehen: Die FAP und die NF, die Teil des KAHs sind. Das auch mit Gewalttaten von Neonazis zu rechnen ist, ist laut "Der Spiegel" auch die Überzeugung des bayrischen und baden-würtembergischen Verfassungsschutzes.

Die Tatsachen sprechen dafür, daß wir am 20. April, bzw. davor, mit verschiedenen Aktionsformen rechnen müssen. Etwa Aufmärsche und Versammlungen, eventuell im größeren Maßstab, z.B. in Berlin (hat als ehemalige "Reichshauptstadt" eine gewisse Attraktivität) oder Braunau in Österreich, dem Geburtsort Hitlers. Spanien ist eine weitere Möglichkeit, da sich militante Neonazis, finanziert von Spenden ehemaliger SS-Leute und durch Unterstützung tausender Francisco Franco-Anhängern auch dort versammeln könnten.3

Denkbar sind auch gewalttätige Aktionen gegen Linke, AntifaschistInnen, AusländerInnen und Juden/Jüdinnen oder "symbolische" Aktionen, wie Denkmalsschändungen und Verbreiten von NS-Propaganda. Der 20. April 1989 soll nach Vorstellungen der Neonazis ein Höhepunkt ihrer Mobilisierung werden, die Vorbereitungen dafür laufen. Das terroristische Potential von Neonazis, auch in Westberlin, ist dabei nicht zu unterschätzen. Bislang wurden dieses von (erfahrenen) Alt-Nazis eher zurückgehalten, um nicht zu früh und zu schlecht organisiert loszuschlagen.

  • 1Einige CEDADE-Mitglieder (u.a. Javier Rovira-Llor) wurden 1987 wegen eines gemeinsamen Attentats mit Todesfolge auf den Franzosen Robert Caplane verurteilt.
  • 2a2bVgl. Anne Huhn & Alwin Meyer: "Einst kommt der Tag der Rache".
  • 3Laut einem Artikel in der "Der Spiegel"