NPD-Kongreß in Passau: Die NSDAP vor Augen
Die Kulisse erinnerte an eine NSDAP-Veranstaltung Anfang der dreißiger Jahre im Münchner Löwenbräukeller: Bierdunst, schwerer Zigarettenqualm und ein Stimmengewirr deutschnationaler Parolen wabern durch den Saal, in dem sich die neofaschistischen (Möchtegern)Führer von einem dankbaren und aufgepeitschten Publikum feiern lassen. Gut 4.500 AnhängerInnen waren dem Ruf der NPD zum »1. Tag des nationalen Widerstands« in die Passauer Nibelungenhalle gefolgt - vor allem junge Neonazis. Zusammen mit den früheren Führern zahlreicher verbotenen NS-Gruppen und Neonazi-Parteien zelebrierten sie in großer Euphorie ihre neugewonnene Eintracht. Mit verklärten und bisweilen auch glasigen Blicken mochten viele der Anwesenden die Veranstaltung als offiziellen Startschuß zu einer neuen Sammlungsorganisation nach dem Vorbild der NSDAP gesehen haben. Das Motto „Organisierter Wille bedeutet Macht" hing als Banner vor ihren Augen. In der Atmosphäre kam dem Veranstaltungsleiter Holger Apfel in seiner Rede auch ein ehrliches „Jawoll, wir sind verfassungsfeindlich“ über die Lippen.
meet and greet des Neonazismus
Ebenso symbolträchtig wie "hochkarätig" war die dazu aufgefahrene (Neo)Nazi-Prominenz: Neben dem verurteilten Rechtsterroristen Manfred Roeder traten mit dem Hamburger Rechtsanwalt Jürgen Rieger und dem österreichischen Vorstandsmitglied der "Deutschen Kulturgemeinschaft" (DKG), Herbert Schweiger, zwei der wichtigsten Hintergrundfiguren der NS-Strukturen als Referenten vor der braunen Einheitsfront auf. Daß deren Engagement in der Vergangenheit vor allem der 1992 verbotenen "Nationalistische Front" (NF) gegolten hatte, beinhaltet für NPD-Chef Udo Voigt weniger belastende als positive Elemente. Immerhin klang sogar das Veranstaltungs-Motto sehr nach einer alten NF-Parole. Er fragt nicht, »was gestern einer war«, sondern nur, was dieser zukünftig bereit sei, »für unser Land zu tun«.1 Die Auftritte der ehemaligen NF-Ideologen und -Berater haben für ihn einen integrativen Symbolcharakter, ohne den die NPD »den Saal nicht voll« 1 bekäme und sie verfehlten ihre Wirkung nicht: Mit Christian Worch, Friedhelm Busse, Jürgen Mosler, Michael Swierczek, Wolfram Nahrath, Torsten de Vries, Ursel Müller, Thomas Wulff, Thorsten Heise und anderen waren die Leitfiguren früherer (verbotener) Neonazi-Vereinigungen zum NPD-Wahlkongreß erschienen. Auch Reinhold Oberlercher ("Deutsches Kolleg"), Leo Thenn (Ex-REP, jetzt "Vereinigte Rechte"), Gerd Sudholt (rechsextremer Verleger und Ex-GfP) und Manfred Rouhs (Europa Vorn), Franz Glasauer und der Revisionist Wolfgang Juchem machten ihren Spektren und Richtungen mit der Teilnahme an der Veranstaltung deutlich, daß an der NPD kaum noch vorbeizukommen ist. Für NPD-Funkionäre der früheren NPD-Generation wie Walter Bachmann und und Christian Groschwald dürfte der Tag eine lang ersehnte Genugtuung gewesen sein.
Aus den USA war mit William Pierce von der "National Alliance" ein Vordenker des Neonazi-Terrorismus eingeladen worden, der aber wohl ein Aufrtrittsverbot erhalten hatte. Aus Südafrika war daher Leon Strydom angereist um die "Herstige National Party" (HNP) als internationalen Partner zu repräsentieren. Angeblich war sogar Wilfred von Oven aus Argentinien als Redner eingeladen gewesen. Der frühere Mitarbeiter von Josef Goebbels sei aber erkrankt. Unter den "Ehrengästen" der NPD sollen sich auch der Österreicher Robert Dürr (Partei Neue Ordnung) und die "alte Dame des Neonazismus" Florentine Rost van Tonningen (Niederlande) befunden haben.
Wenig Neues von alten Kadern
Ganz auf das Publikum zugeschnitten waren die Reden der Veranstaltung. Der ehemalige Berliner REP-Vorsitzende Klaus Weinschenk kam nicht umhin, sich als »sozialer Nationalist« zu outen und in der NPD die »einzig konsequent nationale« Kraft zu sehen. Als Stimmungsmacher für das Publikum betätigte sich Udo Voigt, der für den ersten Mai in Leipzig einen Aufmarsch mit 20.000 Teilnehmerinnen ankündigte. Mit der Parole »Deutsche Arbeitsplätze für Deutsche« gab er den Takt für den braunen Mob vor, der pflichtgemäß gröhlend »Deutschland den Deutschen, Ausländer raus« antwortete.
Neben der für die eher schlichten Gemüter konzipierten Saalveranstaltung fanden mehrere "richtungsweisende Diskussionsforen" am Rande des Wahlkongresses statt. Sie sollten den »neuen Schwung« schaffen, um »in den politischen Kampf der kommenden Jahre zu gehen«.2 Und so trafen sich dort überwiegend Kader, um Themen wie »Einheit der Rechten - Trugbild oder Zukunftsvision«, »Rechtskampf in der BRD« und »Nationalistische Wirtschaftspolitik heute« zu diskutieren.
Dabei waren weniger »neue« Inhalte, als vielmehr altbekannte (neo)faschistische Hausmannskost zu hören. Unter der Leitung von Per Lennart Aae (Rosenheim) versuchten Michael Nier (Mittweida) , Reinhold Oberlercher, Albert Lämmel und Herbert Schweiger dem Publikum die "raumorientierte Volkswirtschaft" schmackhaft zu machen. Der Vortrag von Herbert Schweiger zur Wirtschaftspolitik war dabei eine Quasi-Lesung seines in Österreich verbotenen Buches »Evolution und Wissen - Neuordnung der Politik«. Dort schreibt er, daß »die Weltkriege I und II« nur »begrenzte Konfrontationen für teilherrschaftliche Ziele« gewesen wären.3 Einem dritten Weltkrieg mißt er die Entscheidung zu, »welche Großrasse die endgültige Herrschaft über die Erde« ausübe.3 Neben diesen apokalyptischen Endsieg-Visionen liefert er Konzepte zur »Abschaffung der Zinsknechtschaft« sowie der Einführung einer wirtschafts- und gesellschaftspolitischen Ordnung nach dem Vorbild des Nationalsozialismus. Schweiger propagiert letztendlich eine arische Volksgemeinschaft, deren Wirtschaftssystem auf rassistischen und biologistischen Grundvoraussetzungen basiert.
Die mögliche organisatorische Umsetzung derart gelagerter Fernziele wurde im »Einheit der Rechten«-Forum behandelt. Unter der Leitung von "Deutsche Stimme"-Chefredakteur Jürgen Distler (Nürnberg) tauschten der NPD-Parteivorsitzende Udo Voigt, Leo Thenn ("Vereinigte Rechte"), Manfred Rouhs (Herausgeber von „Europa Vorn") und Gert Sudholt (Neonazi-Verleger) ihre wenig kontroversen Positionen aus. Voigt stellte dort die strategischen Überlegungen der NPD dar. So befürwortete er den Aufbau einer »Nationalen Außerparlamentarischen Opposition« (NAPO) zur Sammlung der Basis und Befriedigung der gegen die Wahlstrategie eingestellten Neonazis. Frank Schwerdt (Berlin), ehemals Vorsitzender der "Die Nationalen" und jetzt Mitglied des NPD- Bundesvorstands, dozierte über die Zusammenarbeit mit den sogenannten »Freien Kameradschaften«, welche ausgedehnt werden müsse, wenn die NPD als integrale Kraft wirken wolle.
Das "Diskussionsforum" unter dem Motto „Rechtskampf in der BRD" war wenig überraschend mit den bekannten Szene-Anwälten Jürgen Rieger, Günter Herzogenrath-Amelung, Gregor Janik und Wolfram Nahrath besetzt. Als Moderator fungierte hier der stellvertretende Parteivorsitzende der NPD, Hans-Günter Eisenecker.
Umrahmt wurden die Referenten des Kongresses von einem »kulturellen Programm«. Bayrische Marschmusik, eine computer-animierte Leinwand und ein »politisches Kabarett« von Voigt und einer NPD-Laienschauspiel-Gruppe sollten für Zerstreuung der Gäste sorgen. Für die musikalische Begleitung sorgten die obligatorischen Jammerbarden Jörg Hähnel (JN-Bundesvorstandsmitglied) und Frank Rennicke aus Böblingen. Hinzu kamen "Volkstanz"-Auftritte, "Deutschlandlied" und ein "Lili Marleen"-Double.
Die Organisationsstruktur
Der organisatorische Ablauf lag offensichtlich in den Händen eines "Führungsstabes" unter der Leitung von dem JN-Bundesvorsitzenden Holger Apfel (Neuburg) . Auch der "Ordnungsdienst" lag in den Händen der JN-Kader. Sascha Roßmüller, Achim Ezer (Köln) und Jens Pühse (Freising) hatten die Koordination der rund 100 Ordnern übernommen. Auf einer „Straße des Nationalen Widerstandes“ konnten sich diverse (extrem) rechte Gruppen dem geneigten Neonazi-Publikum mit eigenen Ständen präsentieren. Das reichte vom "Freundschafts- und Hilfswerk Ost"4 , dem "Studentenbund Schlesien", der "Kameradschaft Wurzen" mit ihrem "nationalen Hausprojekt" bis zu den "Huttenbriefen" aus dem Netzwerk der DKG. Der NPD-Bundesgeschäftsführer Ulrich Eigenfeld (Oldenburg) war abgestellt worden, um den NPD Stand zu betreuen.
Ausblick
Gezeigt hat der »Bundeswahlkongreß« der NPD vor allem, daß die Partei zum Sammlungs- und Auffangbecken nicht nur für die verbotenen Neonazi-Gruppierungen geworden ist. In denvergangenen Jahren war die Szene in einem Umstrukturierungsprozeß damit beschäftigt gewesen, ihre Anhängerschaft über die Verbote von Einzelorganisationen und Aktivitäten in Splittergruppen hinaus bei der Stange zu halten. Nun ist die neue Sammlungsorganisation gefunden. Die Neuformierung weiter Teile der extremen Rechten rechts von REPs und DVU ist mit ihrer Überführung in den Parteizusammenhang NPD bzw. Orientierung in dessen Richtung in eine neue Phase getreten. Als Signaleffekt für die Binnenstruktur gedacht, wurde dies am 7. Februar 1998 demonstriert.
Die NPD versteht es, den verschiedene Strömungen insbesondere der NS-Fraktion eine Plattform zu geben. Ob ihr das auch langfristig gelingt und ob sie in der Lage sein wird, über einen »Tag des Nationalen Widerstands« hinaus tragfähige Strukturen zu etablieren, muß sich allerdings noch herausstellen. Die Grundlagen jedenfalls sind gelegt und werfen zukünftige Schatten voraus.
- 1a1bUdo Voigt auf der Pressekonferenz während des NPD-Kongresses am 7. Februar '98 in Passau
- 2Aus der Einladung zum NPD-Kongreß in Passau
- 3a3bHerbert Schweiger: »Evolution und Wissen - Neuordnung der Politik«, 1995, S. 447
- 4Ein NPD-naher Verein von Klaus Hoffmann (Bad Bevensen), Ulrich Liss (Wolfsburg), Carsten Ostrich (Bad Bevensen), Gero Hawranke (Bremen) und Ulrich Eigenfeld (Oldenburg).