Antifeminismus rund um die AfD
Forschungsnetzwerk Frauen und RechtsextremismusEine unappetitliche Internationale
Um es vorweg zu sagen – Antifeminismus ist ein sehr breiter und nicht besonders trennscharfer Begriff für eine Vielzahl von Phänomenen, von ultra-konservativer Familienpolitik bis zu Morddrohungen gegen Feminist*innen. Besser wäre es, in der Analyse zunächst einmal zu unterscheiden zwischen antifeministischen Aspekten, also solchen, die sich gegen die Errungenschaften des Feminismus als politischer Bewegung richten, sowie reiner Misogynie, also Frauenhass, und Sexismus, also Zuschreibung bestimmter Eigenschaften und Diskriminierung aufgrund des (biologischen) Geschlechts. Homo- und Transphobie sind weitere Ressentiments, die oft unter Antifeminismus gefasst werden. All das kommt bei der AfD vor, aber erfunden hat sie nichts davon.
Die AfD kann sich hier in einem international aktiven, sehr weiten Feld von Bewegungen, Parteien, Internetaktivisten, religiösen Gruppen etc. bewegen und von dort Inspirationen beziehen. Innerhalb der antifeministischen Themenfelder der AfD werden so Anschlussstellen zu ultra- und nationalliberalen, ultrakonservativen und offen rassistischen Milieus geschaffen. Die Themen, um die es geht, sind neben der Familienpolitik der Kampf gegen „Genderismus“ (damit sind das gleichstellungspolitische Prinzip des gender mainstreaming, aber auch allgemein geschlechtersensible Strategien gemeint) und gegen „Frühsexualisierung“, was sich vor allem in Kämpfen um Lehrpläne ausdrückt sowie der Versuch, reproduktive Rechte und selbstbestimmte Sexualität und Verhütung einzuschränken. Bei keinem dieser Themen herrscht in der AfD völlige Einigkeit, und es sind jeweils sowohl Männer als auch Frauen als treibende Kräfte erkennbar.
Ein relativ niedrigschwelliger Einstieg in die antifeministische Themenpalette ist die Forderung nach „Wahlfreiheit“ — sie greift das Faktum auf, dass in vielen Familien beide Lohnarbeit nachgehen, und problematisiert diese Unfreiheit. Die Ursache hierfür wird jedoch nicht in der ökonomischen Lage oder als freie Entscheidung der Partner*innen angesehen, sondern als Ergebnis eines imaginierten „Staatsfeminismus“. Jeglicher staatliche Versuch, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu fördern, wird somit als Zwang zur Doppelbelastung umgedeutet, und damit werde den Frauen die Möglichkeit genommen, sich für eine Rolle als Mutter und Hausfrau zu entscheiden. Die positive Betonung der Mutterrolle ist ein wichtiger Bestandteil auch konservativer Strategien — wie die von der CDU eingeführte sogenannte „Herdprämie“ gezeigt hat. Die AfD geht in ihrem Programm aber noch deutlich weiter, neben Familiensplitting und Familiendarlehen (eine Idee der NPD) wird eine Sozialversicherungspflicht für Erziehende gefordert, um die Sozialbeitragsausfälle für Erziehungsarbeit leistende Eltern auszugleichen. Und noch weiter geht die sogenannte Kinderrente: Bei dieser Idee soll das Kindergeld nur eine Zahlung für Kinder sein, die mensch als Erwachsene dann zwischen dem 35. und 40. Lebensjahr zurückzahlen soll. Die an den Staat zurückzuzahlende Summe wird allerdings pro jeweils selbstproduziertem Kind verringert.
Diese Maßnahmen beinhalten eine starke staatliche Steuerung eines bestimmten Familienkonzeptes, nämlich der Versorgerehe. An anderen Stellen wird staatliche Steuerung jedoch vehement abgelehnt, nämlich dann, wenn es um Gleichstellungsmaßnahmen geht. Die „Quotenfrauen“ sind ein besonderes Hassobjekt sowohl der AfD als auch der Jungen Alternative, die eine Kampagne „#bockaufleistung statt #bockaufquote“ nennt, um anzudeuten, dass Quotierung primär unfähige Frauen in Führungspositionen bringen würde, während der derzeitige Männerüberhang ausschließlich auf deren Leistung beruhe. Hier trifft sich die AfD mit diversen liberalen und auch konservativen Positionen, die es ablehnen, Männerdomänen genau da aufzulösen, wo es wehtut, nämlich an finanziell und machtpolitisch einflussreichen Stellen.
Die Weigerung, männliche Privilegien aufzugeben oder auch nur zuzugeben, dass diese existieren, vereint die meisten der antifeministischen Maßnahmenvorschläge, und sie bietet der AfD ein Feld, in dem eine breite Bewegung von Antifeminist*innen und Männerrechtlern* mit der Partei sympathisiert. Ein übliches Argument dabei ist, die Gleichberechtigung sei bereits zu weit gegangen, und mittlerweile seien Männer und Jungen die Verlierer — im Bildungssystem, im Berufsleben und was Status und Anerkennung betrifft. Hier ist einerseits das international aktive Feld der „angry white men“ anschlussfähig, andererseits aber auch Menschen, die reale Missstände wieder einmal auf den „Staatsfeminismus“ schieben wollen: Das schlechtere Abschneiden von Jungen in der Schule und die Tatsache, dass das Patriarchat auch für Männer Nachteile schafft, die in der idealisierten Rolle vom starken Mann und Familienvater angelegt sind. Männer sind etwa öfter Opfer von Gewaltverbrechen und sind schlechter darin, sich um ihre Gesundheitsvorsorge zu kümmern. Wenn sie psychische Probleme haben oder Opfer von Gewalt in Beziehungen werden, gibt es weniger geschlechtsspezifische Hilfsangebote für sie. In Sorgerechtsstreitigkeiten wird oft zugunsten der Mütter entschieden.
All das schieben sogenannte Maskulinisten (oder Maskulisten, ein Begriff, der sich mittlerweile im wissenschaftlichen Bereich durchsetzt, um das Phänomen von der progressiven Männerbewegung der 1970er und 1980er Jahre abzugrenzen und anzudeuten, dass es hier nicht um eine Spiegelung von Feminismus geht) auf eine Art feministische Weltverschwörung. Die daraus erwachsenden realpolitischen Forderungen drehen sich vor allem ums Geld: Streichung der Förderung für Frauenhäuser und Frauennotrufe, aber auch der Genderforschung an den Universitäten — hier ist es in den letzten Monaten zu massiven persönlichen Angriffen gegen einzelne Wissenschaftler*innen und ganze Lehrstühle 1
gekommen.
Die Strategie, weiße Männer als Opfer des Feminismus und Modernisierungsverlierer hinzustellen, ist ebenso unappetitlich wie effektiv und anschlussfähig. Sie vereint Argumentationsfiguren wie „das muss man doch noch sagen dürfen“ und „Männer und Frauen sind eben unterschiedlich“ und auch gar „Vergewaltigungsvorwürfe werden nur vorgebracht, um Männern zu schaden“. Sogar die Benutzung von inklusiver Sprache wird als nicht hinzunehmende Einschränkung der persönlichen Freiheit und allgemein als Angriff auf den westlichen Wertekanon verstanden — hier öffnet sich das weite Feld der Kämpfe gegen „politische Korrektheit“ und für das Recht auf den eigenen Rassismus und Sexismus.
All das ist nicht neu. Von der christlichen Rechten in den USA und ihrem Kampf gegen Schwangerschaftsabbrüche, über Soligruppen für Julian Assange bis hin zu frustrierten Internet-Trollen vereinen antifeministische Themen und Argumentationen höchst unterschiedliche politische Felder — allerdings sind auch die meisten europäischen rechtspopulistischen Parteien ähnlich wie die AfD daran interessiert, dieses Wähler*innenpotential zu bedienen. Das gesamte Themenfeld bietet die Chance, ein klassisches Dilemma rechtspopulistischer Parteien zu überwinden: Die Vereinigung von elitär-bildungsbürgerlichen Positionen mit bildungsbenachteiligten, oft prekären Stammtischmilieus in einem Gefühl des Untergangs des Abendlandes. Die AfD greift also bestehende antifeministische Thesen auf und macht daraus realpolitische Forderungen. Daneben geht es beim Antifeminismus aber auch um Deutungsmacht — die negative Besetzung von Begriffen wie Gender und Feminismus. Bei der AfD und anderswo funktioniert Antifeminismus ganz ohne Feminismus, wie die Internationalität der Bewegung zeigt — völlig unabhängig davon, welche Rahmenbedingungen Staaten für Familien- und Gleichstellungspolitik vorgeben, werden sie immer als Staatsfeminismus und Ausdruck einer männerfeindlichen Verschwörung wahrgenommen. Das heißt jedoch nicht, dass sich die feministische und antifaschistische Bewegung nicht mit den Argumenten auseinandersetzen muss — Feminismus beinhaltet das großartige Versprechen, alle Geschlechter vom Patriarchat zu befreien, und das muss auch weiterhin verfolgt werden.
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- 1Vgl. AIB Nr. 104: „Antifeministische Allianzen“