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Streitfall AfD

Einleitung

Ist Steffen Königer der Mann des Wahlabends in Brandenburg? Im Fernsehen war der frischgewählte brandenburgische Abgeordnete der „Alternative für Deutschland“ (AfD) neben Bernd Lucke zu sehen. Den ehemaligen „Mister Brandenburg“ portraitieren Medien als konservativen Jungunternehmer. Königer war einmal Redakteur der Wochenzeitung Junge Freiheit. Nicht nur am Wahlabend war die Wochenzeitung ganz dicht an der Partei dran.

Foto: Mathesar/CC BY-SA 3.0

v.l.n.r.: Die AfD-PolitikerInnen Konrad Adam, Frauke Petry und Bernd Lucke.

Die JF als Sprachrohr der AfD

„Durchbruch!“ titelte die rechte Wochenzeitung Junge Freiheit (JF) bereits nach dem Erfolg der AfD in Sachsen. Seit deren Gründung betätigt sie sich als publizistischer Multiplikator der Partei und begleitet die Entwicklung der AfD von Beginn an mit Interviews, Analysen und Berichten. Bereits im Herbst 2010 hatte die JF angesichts des Aufschwungs rechter Eurokritiker und des Erfolges des ersten Sarrazin-Buches unter dem Titel: „Jetzt kommen die Konservativen!“ von einer Aufbruchstimmung im rechtskonservativen Milieu gesprochen. JF-Chefredakteur Dieter Stein sah die Chance, der Union die Deutungshoheit über den Konservatismus von rechts streitig zu machen. Wieder einmal. Denn in den zurückliegenden fünfundzwanzig Jahren gab es keinen Versuch rechts der Union eine Partei zu gründen, in welchem die JF nicht den Vorschein eines Aufbruchs von rechts zu erkennen glaubte. Ob Republikaner, Schill- oder Stattpartei oder der vom ehemaligen FDP-Politiker Manfred Brunner gegründete nationaliberale „Bund freier Bürger“; alle diese Projekte wurden von der JF wohlwollend begleitet und scheiterten.

Seit Gründung der AfD 2013 berichtet das Blatt nun intensiv über deren Prozess der politischen Selbstfindung. Der emphatische Zuspruch der JF ging manchen Lesern offenbar zu weit. Der Vorwurf: die Zeitung agiere inzwischen als Parteiblatt der AfD. In der Tat: bei rechtskonservativen Themen kann die JF als Stichwortgeberin der AfD gelten. Es klingt absurd; mit der Selbstverortung als „christlich“ und „konservativ“ im Redaktionsstatut ist die JF Richtung Mitte gerückt und hat essentielle Positionen der sogenannten „Neuen Rechten“ aufgegeben. Zwar finden sich im Feuilleton der Zeitung nach wie vor Debattenbeiträge, die ihre an Carl Schmitt und dem antidemokratischen Jungkonservatismus der Weimarer Republik geschulte Argumentation nicht verhehlen. Doch im Politikteil der JF dominiert der pragmatisch-konservative Zugriff auf tagespolitische Fragen. Stein ist entschlossen, seine Zeitung aus der elitären jungkonservativ-burschenschaftlichen Nische zu führen. Seit dem Ende des Rheinischen Merkur müht sich die JF erklärtermaßen um dessen geistige Erbschaft. Offenbar mit Erfolg. Seit Jahren steigt die Auflage der JF, freilich von einem geringen Niveau kommend, kontinuierlich.

Streit um den Kurs der Jungen Freiheit

„Wie hältst du es mit der AfD?“, angesichts der Wahlerfolge der Partei wird der Ton in dieser Frage im rechtsintellektuellen Milieu schärfer. Die Option realpolitischen Engaments erscheint dem  rechten „Institut für Staatspolitik“ (IfS) verdächtig. Die AfD erscheint ihnen zu lau. Seit längerem wird der Kurs des Blattes im IfS mit Misstrauen verfolgt. Der mit Stein biographisch eng verbundene Verleger der „Edition Antaios“, Götz Kubitschek, bis 2008 organisatorischer Kopf des IfS, sieht sich von der JF isoliert. War die JF früher ein zuverlässiger Multiplikator der Tagungen und Publikationen des IfS, herrscht nun Eiszeit, seit ein Bericht über die rechte Buchmesse „Zwischentag“ 2013 erschien, der deren politisches Sektierertum kritisierte. Seitdem wird in der Zeitung offenbar weder für Tagungen des IfS, noch für Bücher der Edition Antaios geworben. Mit keiner Zeile wird der diesjährige „Zwischentag“ erwähnt. Der Verlust der JF als Forum dürfte dem IfS-Verlag einen Umsatzverlust bescheren. Dass sich die Wege der Projekte von Stein und Kubitschek trennten, mag auch dem Vorgang geschuldet sein, dass Stein den Einzug der Berliner Dependence des IfS in jenes Haus hintertrieben haben soll, in dem auch die der JF nahestehende „Bibliothek des Konservatismus“ ihren Sitz hat.

Rechtsintellektuelle Optionensuche

In der Frage des Umganges mit der AfD kumulieren nun verschiedene Konfliktstränge innerhalb der rechtsintellektuellen Szene. Deutlich wurde dies im Frühjahr 2013 in einem Streitgespräch zwischen Kubitschek und Stein, welches sich im Sonderheft der IfS-Zeitschrift „Sezession“ zum Thema AfD fand. Darin positionierte sich Stein klar für die AfD als eine realpolitische Option rechts der Union. Kubitschek hingegen favorisierte damals vehement die „Identitären“ als Hoffnung auf eine rechte Graswurzelbewegung. Er erneuerte hier jene Argumente, die sich bereits in einer im Jahr 2007 vom IfS herausgegebenen Broschüre unter dem Titel „Parteigründung von rechts — Sind schlanke Strukturen möglich?“ fanden. Darin begründeten die IfS-Autoren ihre kritische Haltung gegenüber Parteigründungsversuchen rechts der Union. Die Erfahrung mit rechten Parteigründungen der letzten Jahrzehnte habe gezeigt, dass deren Opposition gegen die fortschreitende gesellschaftliche Nivellierung rechter Politikessentials vom parlamentarischen Betrieb absorbiert und restlos aufgesogen würden. Jene jungkonservative Elite, welche IfS-Autoren für eine langfristige Diskursführerschaft berufen sehen, würden in den Apparaten in Parteien und Parlamenten inhaltlich verschlissen und blieben ohne politische Wirkung. Diese Befürchtung hegt das Institut für Staatspolitik nun in Bezug auf die AfD. Die Partei werde, so Kubitschek, mittelfristig dem Konformitätsdruck des Politikbetriebes ihre Inhalte opfern. „Eine Partei [...] hat Erfolg und macht Politik nach den Gesetzen, denen jede Partei unterworfen ist: [...] Postenpolitik im Innern, Abschwächung aller [...] Positionen im selben Moment, da eine Teilhabe an der Macht in Aussicht steht […]. Oligarchisierung und Korrumpierung [...] durch den Staat, [...] Teilhabe am politischen Theater innerhalb jener post-demokratischen Zeit, in der keine wesentliche Entscheidung mehr von einer Partei getroffen wird.“1  Nach den Wahlerfolgen in Thüringen und Brandenburg scheint Kubitschek diese Haltung zu relativieren. Der in Ostdeutschland nun in die Parlamente einziehende rechte Flügel der Partei sei Anlass für die Hoffnung, dass dieser im parteiinternen Flügelstreit auch im Westen die Richtung vorgeben und sich gegen die ordoliberale Strömung durchsetzen könne. In der Partei ringen verschiedene Strömungen um die Vorherrschaft. In den Wochen vor den Wahlen hatten Vertreter des ordoliberalen Flügels der AfD das Handtuch geworfen.

Der Abgang Karlheinz Weissmanns

Kern der Kontroverse zwischen JF und IfS im Umgang mit der AfD ist die Frage, ob   das Engagement in einer rechten Partei eine reale Chance zur Veränderung der politischen Kultur birgt. Die Frage nach den Handlungsoptionen scheint für die Ausrichtung des IfS so essentiell zu sein, dass der Vordenker des Instituts im Frühjahr 2014 seinen Austritt aus diesem erklärte, und in der AfD-Debatte für die JF Partei ergriff. Über mehr als ein Jahrzehnt hinweg war Weissmann der unangefochtene intellektuelle Kopf des Instituts und stilisierte Erbe Armin Mohlers. Doch offenbar erschien Weissmann die Praxis des Instituts  zunehmend als die eines ästhetisierenden politischen Sektenwesens, denn als Basis flexibler rechter Politikoptionen. Weissmann begegnet der AfD mit kühlem Pragmatismus. Aus seiner Sicht erfüllt die Partei nicht alle ideologischen Ansprüche des rechtsintellektuellen Milieus, teile jedoch  deren weltanschauliche Grundorientierung, und biete die Chance, die eigenen Inhalte einem breiten Publikum zu servieren. Der Abgang Weissmanns ist ein Verlust, den das IfS nicht einfach kompensieren kann. Kubitscheks Plädoyer für die Sammlung der eigenen Klientel als Vorbereitung auf den „Ausnahmezustand“ eines angeblich unausweichlich kommenden „ethnischen Bürgerkrieges“, steht der Pragmatismus eines Karlheinz Weissmanns entgegen, dem es darum geht, den Resonanzraum eines „konservativen Minimums“ in jener Lücke im Parteienspektrum auszuloten, welche der Modernisierungskurs der Merkel-CDU hinterlassen  hat.

Die burschenschaftlich sozialisierte rechts­­intellektuelle Bohéme um den „Blaue Narzisse“-Gründer Felix Menzel, die im Wahlkampf der sächsischen AfD offenbar einen Teil der organisatorischen Hintergrundarbeit leistete, wird sich vielleicht schon bald zwischen einem Platz an den parlamentarischen Fleischtöpfen zum Preis politischer Loyalität zur AfD oder einer Fortsetzung rechtsintellektueller Netzwerkarbeit entscheiden müssen.