Ein Institut zur ideologischen Aufrüstung der CDU. Die »Deutsche Gildenschaft« und die Gründung des»Instituts für Staatspolitik«
Die Ideologen der konservativen Revolution wenden sich der krisengeschüttelten CDU zu und wollen deren national konservativen Flügel stärken.
Sechs Jahre nach dem Umzug der »Jungen Freiheit« (JF) nach Berlin und ihrem Erscheinen als Wochenzeitung ist die Gründung des »Instituts für Staatspolitik« (INSTAPO) der zweite und die der Edition Antaios der dritte »Paukenschlag« jungkonservativer Intellektueller aus den Reihen der »Deutschen Gildenschaft« (DG). Dieter Stein, Chefredakteur der JF, kommt aus der Hochschulgilde »Balmung zu Freiburg«; zwei von drei Mitgliedern des »Gründerkollegiums« des Instituts sind ebenfalls Gildenschafter.
Der Spiritus Rector des Instituts, JF-Autor und Historiker Karlheinz Weißmann, entstammt der Göttinger Gilde; die Alltagsgeschäfte des Instituts führt Götz Kubitschek, langjähriger Aktivensprecher der DG und zeitweilig für das Ressort »Sicherheit und Militär« in der JF verantwortlich. Er ist auch die treibende Kraft in der Edition Antaios.
Mit diesen drei »Institutionen« ist ein Netzwerk von Akteuren entstanden, die arbeitsteilig miteinander kooperieren. Die JF konzentriert sich auf die Medienöffentlichkeit, das »INSTAPO« widmet sich Wissenschaft und Bildung sowie Politik- und Medienberatung; die Edition übernimmt die Publikation von Arbeitsergebnissen, die im Kontext dieses Netzwerks entstehen und insbesondere aus der Arbeit des Instituts resultieren.
Gildenschaftliche Traditionen
Die Deutsche Gildenschaft, der die oben genannten Personen entstammen, ist mittlerweile rund 80 Jahre alt. Damit ist diese »bündische Korporation« eine Organisation, die wie nur wenige andere die Kontinuität der Konservativen Revolution unter wechselnden gesellschaftlichen Bedingungen verkörpert. Die DG löste sich zwar 1935 auf, wurde aber 1958 neu gegründet.
Für das Verständnis der Traditionen, aus denen sich das »INSTAPO« speist, ist der Anspruch der DG von zentraler Bedeutung, »der Volks- und Staatsgemeinschaft volkspolitisch vorgebildete, zum Einsatz in Staat, Politik, Wirtschaft und Kultur befähigte und bereite Hochschulabsolventen als künftige Führungskräfte zur Verfügung zu stellen« (H. Böhrsch).
Welche Führungsaufgaben Gildenschafter zum Beispiel im Nationalsozialismus übernommen haben (trotz oder gerade wegen ihrer vorwiegend konservativ-revolutionären Einstellung), soll im Folgenden an einigen Beispielen aufgezeigt werden. Im wesentlichen berührten diese Aufgaben vier gesellschaftliche Bereiche.
In der Nachkriegszeit wurde die Arbeit auf diesen Gebieten, selbstverständlich modifiziert, weitergeführt, so dass sich zum Teil klare personelle und ideelle Kontinuitäten erkennen lassen. Politisch platzierte sich die Gildenschaft im Übergangsfeld zwischen Konservatismus und Neofaschismus und besetzte sowohl Positionen zum Beispiel innerhalb und im Umkreis der NPD als auch Positionen in den Unionsparteien.
Am bekanntesten ist die Gruppe der »Volkstumsforscher« (Historiker, Soziologen, Volkswirtschaftler, Juristen) aus dem Umkreis der Gilden Skuld (Königsberg), Greif München, Greif Wien: Theodor Schieder, Werner Conze, Giselher Wirsing, Theodor Oberländer, Karl Heinz Pfeffer, Norbert Gürke, Ernst Anrich (Ernst Wurche), um hier nur die Prominentesten zu nennen. Sie alle arbeiteten besonders im Rahmen der Volksdeutschen Forschungsgemeinschaften an revisionistischen Konzepten für die Neuordnung Europas oder befassten sich, wie Günther Franz, mit Gegnerforschung im Reichssicherheitshauptamt.
Nach dem Krieg war es vor allem der zum Bundesvertriebenenminister avancierte Theodor Oberländer, der mit Gildenbrüdern die Neuorganisation der Ostforschung betrieb. Anklänge an diese Tradition völkischer Wissenschaft finden sich bei Weißmann zum Beispiel in seinem Beitrag zur Leitkultur-Debatte (»Volkheit«) in der JF.1
Ein zweiter Kreis von Gildenschaftern arbeitete im Bereich der Rassenpolitik und -hygiene, besonders an der Universität Jena, wo Karl Astel als Rektor und SS-Standartenführer eine SS-Musteruni aufbauen wollte. Hier wirkten auch Lothar Stengel von Rutkowski (nach dem Krieg Mitbegründer der »Deutschen Unitarier Religionsgemeinschaft«) und Gerhard Heberer.
Der Rassenhygieniker Karl Thums arbeitete an der Reichsuniversität Prag und wurde nach dem Krieg Mitglied des Wissenschaftlichen Beirats der neorassistischen Zeitschrift »Neue Anthropologie«. Von hier führen direkte Bezüge zum berüchtigten »Heidelberger Manifest«, das in seiner Erstfassung von Oberländer und Helmut Schröcke unterzeichnet wurde.
Ein dritter Kreis baute bereits in der Weimarer Republik in Thüringen einen deutsch christlichen Pfarrerkreis auf, der dann den Grundstock bildete für die wichtigste deutschchristliche Organisation im Dritten Reich: die »Kirchenbewegung Deutsche Christen« (auch: Thüringer DC). Ihre Vordenker und Führer waren Siegfried Leffler und Julius Leutheuser, die als Ziel eine nationalsozialistisch orientierte Deutsche Nationalkirche anstrebten.
Einen vierten Kreis bildete in den sudetendeutschen Gebieten der von Othmar Spann inspirierte Kameradschaftsbund, der eine Zeit lang Führungspositionen in der »Sudetendeutschen Partei« Konrad Henleins besetzte. Zu nennen sind hier besonders Walter Heinrich, Walter Brand und Walter Becher (der spätere Sprecher der »Sudetendeutschen Landsmannschaft«/SL).
Nach dem Krieg traf man sich mit den Leuten des explizit nationalsozialistischen »Aufbruch-Kreises« bei der Gründung des Witiko-Bundes, dem harten Kern der SL, um während des Kalten Krieges mit revanchistischen Parolen und Konzepten lange Zeit die Ostpolitik der SL und der Bundesrepublik zu beeinflussen.
Obwohl sich die Gildenschaft heute offiziell zur demokratischen Verfassung bekennt, leisten Mitglieder der DG, wie z. B. Karlheinz Weißmann, weiterhin signifikante ideologische und personelle Vermittlerdienste im Übergangsfeld zwischen Konservatismus und stark rechter Politik. Das »INSTAPO« ordnet sich zweifellos in dieses Feld ein, allerdings mit einerspeziellen strategischen Ausrichtung, auf die im Folgenden einzugehen ist.
Aufgaben und Struktur des Instituts
Im Vorfeld der Institutsgründung wurde in der JF und im »Ostpreußenblatt« eine PR-Kampagne gestartet, die mit der Formel vom »Reemtsma-Institut von rechts« für die nötige Aufmerksamkeit sorgen sollte. Unabhängig vom Aspekt des Sponsorings verweist der »Reemtsma«-Slogan auf die dem Institut zugedachte Funktion, nämlich »eine Plattform für unabhängige Forschung und Bildungstätigkeit« (JF 7/00) zu bieten und »Forschung, Information und Orientierung« (Weißmann) in institutionalisierter Form miteinander zu verknüpfen, um die Öffentlichkeit zu beeinflussen. Das Konzept kann in etwa wie folgt beschrieben werden.
Forschungs- und Publikationstätigkeit
Laut Präsentation im Internet will das Institut fünf Arbeitsfelder abdecken, die für die Erringung der kulturellen Hegemonie von Relevanz sein könnten: An erster Stelle steht die Auseinandersetzung mit der künftigen »Rolle des Staates im 21. Jahrhundert«. Gegen den inneren Feind, »die politische Linke«, richtet sich ein zweiter, gegen die Bedrohung der völkischen Substanz durch »Zuwanderung und Integration« ein dritter Arbeitsbereich. Den internationalen Beziehungen widmet sich das Institut unter dem bezeichnenden Titel »Polemologie (Kriegs- und Konfliktforschung)«. An fünfter Stelle folgt das gildenschaftliche Steckenpferd »Erziehung und Bildung«.
Zu diesen Arbeitsfeldern sollen Publikationen und wissenschaftliche Arbeiten finanziell und inhaltlich gefördert und verbreitet werden. Erste Ergebnisse sind im Internet abrufbar. So willdie Studie »Zuwanderung nach Deutschland. Chancen, Mythen, Risiken« Argumente bereitstellen, warum das Thema Einwanderung nicht aus den Debatten des nächsten Bundestagswahlkampfs herausgehalten werden darf.
Bildungstätigkeit
In der Salzburger Erklärung der Deutschen Gildenschaft von 1992 heißt es: »Die Deutsche Gildenschaft (ist eine) akademische Erziehungsgemeinschaft mit nationaler Überzeugung und bündischer Tradition.« Von dorther begründet sich der wichtige Arbeitsbereich »Erziehung und Bildung«, der wohl die Aufgabe hat, Konzepte zur »Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses« zu entwickeln. Diesem Zweck dient auch die Einrichtung von Sommer- und Winterakademien.
Die erste Sommerakademie hat im August 2000 stattgefunden. Zum Thema: »Krisen« referierten neben Weißmann die »Zitelmänner« Alexander Schuller und Reinhart Maurer, die sog. 89’er von der »Jungen Freiheit«, Ellen Schenke (Pseudonym "Ellen Kositza") und Baal Müller, sowie MUT-Autor Siegfried Uhl und Stefan Madinger. Die Winterakademie (vom 15. – 18. Februar) hat sich mit einem der Lieblingsthemen der Rechten, dem »Mythos«, beschäftigt.
Reideologisierung des Konservatismus als strategisches Ziel
Wenn Weißmann von »Orientierung« als einer der wesentlichen Aufgaben des »INSTAPO« spricht, so spielt er auf die strategischen Intentionen der Institutsgründer an, denen die Forschungs-, Publikations- und Bildungstätigkeit untergeordnet ist. Man will eine Debatte über die zentralen Themen der heutigen intellektuellen Rechten initiieren. Bei einer Diskussionsveranstaltung im September 2000 mit Repräsentanten des neoliberalen Flügels der intellektuellen Rechten (Roland Baader, Lothar Höbelt) und einem Globalisierungskritiker wie Alain de Benoist ging es beispielsweise um die Modalitäten heutiger Liberalismuskritik.
Weißmann war sichtlich um Vermittlung bemüht. Neben der Pflege der Debattenkultur rücken jedoch Äußerungen Weißmanns eine andere Perspektive stärker in den Mittelpunkt. Sein Credo lautet inzwischen: »Die CDU wird bis auf weiteres die einzige nichtlinke Partei von Bedeutung bleiben« (Ostpreußenblatt 5/00). Also eine klare Absage an nationalkonservative oder rechtsliberale Gruppierungen außerhalb der Unionsparteien als primäre Bezugspunkte der Institutsarbeit!
Es geht um die Reideologisierung des Konservatismus innerhalb der Unionsparteien in einer Zeit, in der zum einen die nationalbewussten Kräfte in der CDU ideologischer Schützenhilfe bedürfen und zum anderen die CDU insgesamt sichin einer Orientierungskrise befindet. Er plädiert für die Entwicklung von mehrheitsfähigen politischen Konzepten, die die nationalkonservativen Kräfte befähigen sollen, in Hinblick auf eine sich krisenhaft verschärfende Situation »die Medienblockade innerhalb kürzester Zeit zu überwinden« und eine »Spontanzündung« im Bewusstsein der Bevölkerung hervorzurufen.
Als Modellfall für Weißmanns Metaphysik des Augenblicks gilt die Kampagne gegen die doppelte Staatsbürgerschaft, die bekanntlich erheblich zum Regierungswechsel in Hessen beigetragen hat.Vor diesem Hintergrund werden bestimmte Äußerungen Weißmanns in der erwähnten Diskussionsveranstaltung verständlich: Er sehe »keine Möglichkeit, dem Vorgang der Globalisierung zu entgehen« (JF 40/00), nur die Möglichkeit, die »Nation fit zu machen für den Konkurrenzkampf, der da auf uns zukommt«.
Er hielt es sogar für eine »durchaus sinnvolle Konzeption«, Europa »mehr oder weniger in einen geschlossenen Handelsstaat zu verwandeln«. Das klingt recht staatstragend und ist offensichtlich berechnet auf die Stoßrichtung der Institutsarbeit, die Unionsparteien ideologisch aufzurüsten. Das »INSTAPO« hat sich denn auch in der Nähe von Frankfurt/Main angesiedelt. Bekanntlich verfügt die Deutsche Gildenschaft über gute Kontakte in die hessische CDU hinein, die es zu nutzen gilt.
- 1Junge Freiheit, Nr. 46, 2000