Mit „Mut zu Deutschland“ ins Europaparlament
Spätestens durch den Fall der 3 Prozent-Hürde für die anstehenden Wahlen zum Europaparlament im Mai 2014 ist klar geworden, dass die „Alternative für Deutschland“ (AfD) einziehen wird. Wenn die Partei bei den Landtagswahlen in drei ostdeutschen Bundesländern ebenfalls gut abschneiden sollte, könnte sie die rechtspopulistische Lücke in Deutschland füllen und sich politisch längerfristig etablieren.
Schicksalsjahr 2014
Die AfD hat das Jahr 2014 zu ihrem Schicksalsjahr erkoren: Nach dem verpassten Einzug in den Bundestag im September 2013 prägten heftige innerparteiliche Auseinandersetzungen ihr öffentliches Erscheinungsbild. Exzessive Querelen um Posten in den Landesverbänden – besonders in Hessen - führten die Partei nahezu an die politische Spaltung und zogen etliche Parteiaustritte nach sich. Drei unterschiedliche politische Flügel in der Partei erhoben Anspruch auf politische Geltung: eine marktradikale, eine nationalkonservative und eine offen rechtspopulistische Fraktion. Einerseits ging es dabei um Posten und persönliche Eitelkeiten, anderseits um inhaltliche Ausrichtungen und um Fragen innerparteilicher Demokratie. Dabei kam ein massiver Widerstand von der Basis gegen den autoritären Führungsstil von Parteichef Bernd Lucke zum Ausdruck: Anlass hierzu war dessen öffentlich bekundeter Wille, ehemalige Mitglieder der rechtspopulistischen Partei „Die Freiheit“ künftig nur noch in Ausnahmefällen und nach Einzelgesprächen aufzunehmen. Dahinter stand die Frage nach dem deutlichen Bekenntnis zu einer innen- sowie außenpolitischen Allianz mit anderen rechtspopulistischen Parteien: Teile der AfD wehrten sich gegen Abgrenzungen von ehemaligen „Freiheit“-Aktivisten und befürworteten eine außenpolitische Allianz mit der britischen „United Kingdom Independence Party“ (UKIP) wie auch des österreichischen „Bündnis Zukunft Österreich“ (BZÖ). Diese teils erbittert geführten Auseinandersetzungen führten zu Rücktritten von Vorstandsposten aus einigen Landesverbänden, sowie in deren Folge zu Drohungen parteilicher Abspaltung. Die Wende erfolgte im Januar 2014 auf dem Landesparteitag in Hessen: Mit seinen Stammtischparolen gegen das Bekenntnis des ehemaligen Fußball-Nationalspielers Hitzlsperger zu seiner Homosexualität versöhnte Parteichef Lucke die widerstreitenden Flügel und zeigte damit zugleich den Kurs der Partei auf: Verbale Distanzierung vom rechten Rand bei gleichzeitiger inhaltlicher Ausrichtung als Partei für das Sarrazin-affine Wutbürgertum.
Europawahl
Die Nähe zu den Thesen Sarrazins zeigt sich nicht zuletzt in der Kür von Hans-Olaf Henkel zum AfD-Europakandidaten: Nachdem Sarrazin für sein Buch zum Euro der deutsche Mittelstandpreis verliehen worden war, hielt Henkel hierzu am 6. November 2012 die Laudatio und erkor darin den Preisträger zum „deutschen Widerstandskämpfer im besten Sinne des Wortes“. Henkel, der Brüssel als Synonym für die derzeitige EU-Politik nimmt, in der „zunehmend Selbsttäuschung, Gleichmacherei und Sozialismus um sich“ greifen, steht als Vertreter eines Protest-Milieus gegen den Euro, das Deutschland durch einen angeblich drohenden europäischen „Zwangssozialismus“ bedroht sieht. Ebenfalls auf wohl sicherem Listenplatz zur Europawahl steht Joachim Starbatty, der schon in den 1990er Jahren als Mitbegründer des rechtspopulistischen „Bund freier Bürger“ (BFB) gegen den Euro und den „europäischen Sozialismus“ zu Felde gezogen war. Starbatty ist ein Strippenzieher im nationalliberalen Netzwerk und aktiv bei der „Aktionsgemeinschaft Soziale Marktwirtschaft“ und der „Jenaer Allianz“ und steht damit für einen explizit gewerkschaftsfeindlichen und marktradikalen Kurs in der AfD. Vor ihm und Henkel steht Lucke selbst auf Platz 1 der AfD-Liste zur Europawahl. Hinsichtlich möglicher europapolitischer Allianzen bekundete er politische Übereinstimmung mit den britischen Tories unter David Cameron, die sich mit der rechtspopulistischen UKIP im Wahlkampf ein Rennen um die wohlstandschauvinistischste Position liefert. Durch diese Annäherung zeichnet sich auf europäischer Ebene neben einem offen rechtspopulistischen Block unter Führung von LePen (Frankreich) und Wilders (Niederlande) ein weiterer europafeindlicher Flügel ab, der mit einer Mischung aus marktradikalen und nationalkonservativen Positionen möglicherweise einen Einbruch in das liberalkonservative Lager im Europaparlament bewirken kann. Doch zugleich erkor Lucke den Slogan „Mut zu Deutschland“ zum zentralen Motto der AfD im Europawahlkampf. Zudem betonte er offene Sympathie zur von der rechtspopulistischen „Schweizerischen Volkspartei“ (SVP) erfolgreich durchgeführten Volksinitiative gegen „Masseneinwanderung“ in die Schweiz und betonte, dass derartige „Volksentscheide“ Vorbild für Deutschland sein sollten. Jene vom Milliardär und Parteimäzen Blocher mit Millionenbeträgen finanzierte Kampagne wurde mit völkischen Szenarien vom Untergang der Schweiz durch Einwanderung unterfüttert: Das Plakatmotiv suggerierte eine angebliche „Entwurzelung“ des Landes durch bildliche „Zersetzung des Bodens“ infolge von Zuwanderung.
Mit Beatrix von Storch steht eine AfD-Kandidatin zur Wahl für das Europaparlament, die eben diesem Parlament zugleich die demokratische Legitimität abspricht. So erklärte sie in ihrer erfolgreichen Bewerbung für einen Listenplatz, dass das Europaparlament eigentlich gar kein Parlament sei, weil ein „europäisches Volk“ nicht existiere: „Demokratie funktioniert nur national, nicht international“, so die AfD-Europawahl-Kandidatin. Durch solche Positionierungen wird deutlich, zu welchen Zielen der „Mut zu Deutschland“ in Europa mobilisiert werden soll.
Weder rechts noch links?
In öffentlichen Stellungnahmen betont Parteichef Lucke immer wieder, die AfD sei „weder rechts noch links“. Zugleich positioniert sich die Partei inhaltlich deutlich als diejenige Partei rechts der CSU, vor welcher F. J. Strauss immer gewarnt hatte. Im Werben um den rechten Wählerrand liefern sich aktuell AfD und CSU im Kontext um Zuwanderung aus Südosteuropa ein energisches Rennen um den Platz der rigidesten Wohlstandschauvinisten: Die Mobilisierung rassistischer Leidenschaften gegen „Sozialtourismus“ droht dabei zum Wahlkampfschlager auf dem Rücken von Zuwander_innen zu werden. Zugleich stehen in der AfD trotz gegenteiliger Bekundungen die Tore für den rechten Rand weiterhin offen: So lud der Kreisverband der AfD Mittelsachsen am 11. Februar 2014 den Redakteur der rechten Schülerzeitung Blaue Narzisse, Felix Menzel, nach Freiberg ein. Menzel stellte dort seine Publikation Junges Europa vor, in der er gegen „Überfremdung” und „Masseneinwanderung” zu Felde zieht und zur Allianz „nationaler Kräfte“ in Europa mobilisiert.
Auch bei der Distanzierung von antimuslimischem Rassismus treten immer wieder Widersprüchlichkeiten zutage: So berichtete die Ostseezeitung im Februar von Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Rostock gegen den AfD-Landeschef Holger Arppe wegen des Verdachts auf Volksverhetzung im Internet. Das Blatt hatte zuvor berichtet, dass zwischen 2009 und 2010 unter dem Pseudonym „antaios_rostock“ im Internet Gewaltaufrufe gegen Araber und Muslime erschienen waren. Eine Internetadresse habe auf Holger Arppe als möglichen Verfasser hingewiesen, was der Beschuldigte bislang bestritt.