Das Collegium Humanum – Ein Zentrum der Holocaustleugner
Das Collegium Humanum ist wohl eines der ältesten Seminarhäuser der extremen Rechten. In den letzten Jahren entwickelte es sich zum Zentrum der Holocaustleugner. Die Geschichte der 1963 gegründeten Heimvolkshochschule am Rande der ostwestfälischen Kleinstadt Vlotho reicht zurück bis in den Nationalsozialismus. Der mittlerweile verstorbene Gründer, Werner Georg Haverbeck war ein alter NS-Funktionär, der es zeitweilig bis in die Reichsleitung der NSDAP gebracht hatte. Als Leiter des mit bis zu fünf Millionen Mitglieder starken »Reichsbundes Volkstum und Heimat« war seine Aufgabe die Gleichschaltung der Heimat- und Naturschutzbewegung gewesen. In der »Reichsmittelstelle für Volkstumsarbeit« war er maßgeblich an der Organisation der Nürnberger NSDAP Parteitage beteiligt.
Nach 1945 wandte sich Haverbeck der Anthroposophie zu und wurde einer der bekanntesten extrem rechten Ökologen. Allerdings war diese Einschätzung in den 70er Jahren noch die Ausnahme. Obwohl Haverbeck an seine Tätigkeit aus dem Nationalsozialismus anknüpfte, jetzt mit dem Ziel die Umweltbewegungen zu beeinflussen, galt er eher als Linker. Er war Berater des SPD-Ministers Egon Bahr, Redner auf den Anti-AKW-Demonstrationen in Brokdorf oder an der Gründung der Grünen beteiligt.
Das Collegium Humanum versuchte in dieser Zeit mit Bildungsarbeit und Politik auch Kreise zu erreichen, die nicht zum extrem rechten Spektrum gehörten. Mit direkten Bezügen zum Nationalsozialismus wurde daher sparsam umgegangen. Das änderte sich erst 1981, als Haverbeck zu den Erstunterzeichnern des rassistischen Heidelberger Manifestes gehörte, in dem die »Überfemdung unseres Volkstums« durch die Zuwanderung beklagt wurde. Ebenfalls für öffentliche Empörung sorgte im Oktober 1984 ein Treffen des »Komitee zur Vorbereitung der Feierlichkeiten zum 100. Geburtstag Adolf Hitlers« im Collegium Humanum.
Freunde und Förderer aus wohlhabenden Kreisen
Seitdem fanden im Collegium vermehrt Veranstaltungen von Neonazis und extremen Rechten statt. Das Haus fasst bis zu 150 Personen und bietet rund 50 Betten. Immerhin rund 3.000 »Freunde und Förderer« beziehen die Zweimonatsschrift des Trägervereins, die »Stimme des Gewissens«. Sowohl für die bundesweite als auch für die regionale Szene hat das Haus eine wichtige Funktion. Es wird für Vortragsveranstaltungen, Wochenendseminare, Tagungen, Konzerte oder Schulungen genutzt. Zu den teils regelmäßigen Gästen gehörte das gesamte extrem rechte Spektrum von der NPD-nahen Deutschen Akademie über die Deutschlandbewegung, die neurechts ausgerichtete Synergies Europeennes, die Gesellschaft für freie Publizistik, die nationalrevolutionäre Zeitschrift »Wir selbst« bis hin zu den freien Kameradschaften.
Während etwa die Sommerakademien der Synergies Europeennes eher pseudowissenschaftlichen Charakter haben, geht es bei anderen Veranstaltungen lauter zu. So waren bei einem Balladenabend im März 2001, zu dem etwa 150 Besucher ins Collegium Humanum gekommen waren, die Rechtsrockmusiker Sleipnir aus Gütersloh und Nemesis aus Schottland zu hören. Etliche zeigten Hitlergrüße und Leiter der Veranstaltung war ein Angehöriger der kurz zuvor in der Bundesrepublik verbotenen Blood & Honour Bewegung.
Auch die ostwestfälischen freien Kameradschaften nutzten das Haus nach einem Bericht der Broschüre »Stop Lifestyle of Hate« im April 2001 zu einem Seminar, mit dem die Bielefelder Kameradschaft unter Bernd Stehmann die Ausbildung von »Unterführern« bezweckte. Zu einem regionalen Kameradschaftstreffen lud im September 2005 Meinolf Schönborn ein. »Nicht reden, Handeln« war das Motto des Nachmittags, mit dem der Neonazi vor allem jüngere Menschen erreichen wollte. Schönborn war in den 80er/90er Jahren Anführer der verbotenen Nationalistischen Front (NF) und betreibt jetzt in Herzebrock-Clarholz den »Z-Versand« für neonazistische Propaganda und Devotionalien.
Weder Glatzen noch Springerstiefel trägt das Publikum auf anderen Veranstaltungen des Collegiums. Besonders die TeilnehmerInnen der eigenen Seminare des Hauses setzen sich oft aus Angehörigen akademischer Berufe zusammen. Seit 2003 ist vor allem der Holocaustleugner und Antisemit Horst Mahler als ständiger Referent im Collegium zu Gast. Von ihm oder Referenten aus dem Kreis des »Vereins zur Rehabilitierung der wegen Bestreitens des Holocausts Verfolgten« (VRBHV) werden die meisten Seminare bestritten. Obwohl Holocaustleugnungen und schamlose Verherrlichung des Nationalsozialismus die politischen Aussagen prägen, kommen die »Freunde und Förderer« aus wohlhabenden Kreisen und stammen häufig aus dem Spektrum extrem rechter Ökologen und Anthroposophen. Es ist eine Besonderheit des Collegiums, dass es die alte und neue Generation, Neonazi-skinheads und bürgerlich scheinende extreme Rechte zusammenführt.
»Friedenspolitiker« Hitler
Diese Funktion repräsentiert auch die jetzige Leiterin, Ursula Haverbeck. Dazu gehört nicht nur ihr Engagement als Ansprechpartnerin der Frauengruppe in der Deutschlandbewegung, die den Anspruch hat, die extreme Rechte zu vereinigen. Zusammen mit Horst Mahler tritt sie bundesweit bei Veranstaltungen und Aktionen auf. Burschenschaftshäuser gehören ebenso dazu wie Neonaziaufmärsche. Beide waren etwa im August 2004 RednerInnen beim sogenannten Rudolf-Heß-Marsch in Wunsiedel. Unter dem Titel »Ehre, Treue, Wahrhaftigkeit« zeichnete Ursula Haverbeck dort das Bild vom »Friedenspolitiker« Hitler.
Das Collegium Humanum ist jedoch keine reine Schulungsstätte. Von dem Haus geht eine Politik aus, die sich im Wirken mehrerer Vereine manifestiert. Neben dem Trägerverein und dem »Verein Gedächtnisstätte« ist der wichtigste derzeit der VRBHV, mit dem eine internationale Sammlungsbewegung von Holocaustleugnern angestrebt wird. Schon während der revisionistischen Kampagne Ende der 80er Jahre hatte das Collegium Humanum eine wichtige Funktion. Werner Georg Haverbeck bezeichnete 1989 den Holocaust als eine »Todsünde gegenüber der Wahrheit« und den geplanten »Totschlag der Volksseele« und Ursula Haverbeck erklärte: Es sei »einwandfrei nachgewiesen, dass es im gesamten Reichsgebiet keine Vergasung gegeben hat.«
Auch andere Funktionäre des Trägervereins verbreiteten Holocaustleugnungen. Etwa Ernst-Otto Cohrs, Schriftleiter der »Stimme des Gewissens« oder Vorstandsmitglied Günther-Ernst Kögel, der die deutsche Übersetzung des Leuchter-Reports veröffentlichte. Vorüberlegungen für ein weiteres »Standardwerk« der Holocaustleugner fanden ebenfalls im Collegium Humanum statt. Germar Scheerer beriet sich dort mit Werner Georg Haverbeck, bevor er 1992 sein »Gutachten« über die Bildung und Nachweisbarkeit von Cyanidverbindungen in den Gaskammern von Auschwitz erstellte.
Verein zur Neubelebung der Holocaustleugnerszene
War das Collegium also auch in der Vergangenheit ein Dreh- und Angelpunkt der Holocaustleugnung, wurde es in den letzten Jahren zu einem Zentrum ausgebaut. Die Verbindung mit Horst Mahler und seinen Anhängern aus dem Deutschen Kolleg führte zu einem für das Collegium neuen Aktionismus, der die Holocaustleugnung in die Öffentlichkeit tragen sollte. Um den Verein Collegium Humanum e.V. und die beiden häufigen Referenten Horst Mahler und Bernhard Schaub ist eine Gruppe entstanden, die nicht nur bei Seminaren in Vlotho, sondern auch bei Kundgebungen, Prozessen und Veranstaltungen immer wieder in Erscheinung tritt. Mit dem VRBHV versuchen sie der Szene einen organisatorischen Rahmen zu geben.
Der Verein wurde an einem symbolischen Datum, am 9. November 2003, gegründet und die Liste der 64 Gründungsmitglieder entspricht einem »Who is Who« neonazistischer Geschichtsrevisionisten, die fast alle einschlägig in Erscheinung getreten sind; darunter Ernst Zündel (Kanada), Prof. Robert Faurisson (Frankreich), Germar Rudolf (geb. Germar Scheerer), Gerd Honsik, Wilhelm Stäglich, Fredrick Töben (Australien), Hans-Dietrich Sander, Manfred Roeder, Frank Rennicke und Anneliese Remer. Vorsitzender des Vereins wurde der Schweizer Holocaustleugner Bernhard Schaub, seine Stellvertreterin Ursula Haverbeck. Als Schatzmeister amtiert Arnold Höfs aus Springe und als Geschäftsführer der Berliner Rainer Link. Mit dem Mitgliedsbeitrag von monatlich 10 Euro sollen Prozesskosten von Holocaustleugnern finanziert werden, insbesondere die Arbeit von Horst Mahler, der nach dem Entzug seiner Anwaltszulassung kein Erwerbseinkommen mehr hat. Ursprüngliches Ziel des Vereins war die Wiederaufnahme von Strafprozessen, denn viele der Gründer haben in der Vergangenheit durch spektakuläre Aktionen von sich reden gemacht und sind einschlägig vorbestraft.
Reichsfahnen auf der Wartburg
Dass der Verein nicht nur eine Rehabilitierung der Holocaustleugner im Sinn hat, die hier als Verfolgte zu Opfern hochstilisiert werden, sondern eine weitere Verbreitung der Holocaustleugnung, zeigt bereits die Gründungsversammlung. Ursula Haverbeck bezeichnete dort die Reichspogromnacht als den »Beginn der großen Lüge, die endgültig zu Fall zu bringen Anliegen unseres Vereins sein wird: Der Auschwitz-Lüge«. Später wurde Haverbeck verurteilt, weil sie ihre Rede anschließend in der »Stimme des Gewissens« veröffentlicht hatte, in der auch die Mitteilungen, Berichte und Ankündigungen des VRBHV erscheinen.
Das Kalkül, durch die massenhafte und provokative Verbreitung von Holocaustleugnungen, eine Normalisierung und Straffreiheit für derartige Aussagen zu erreichen, scheint zumindest teilweise aufzugehen. Nur ein verschwindend kleiner Teil der Volksverhetzungen kommen derzeit vor Gericht und bestärken den Verein in seinem Aktionismus.
Neben zahlreichen Besuchen von einschlägigen Prozessen versuchen die Aktivisten des VRBHV auch durch Veranstaltungen und Kundgebungen Öffentlichkeit für Holocaustleugnung herzustellen. Ein Beispiel ist der Versuch, am 30. Juli 2003 in der Gedenkstätte des Konzentrationslagers Auschwitz selbst den Holocaust zu leugnen. Ein »Vorauskommando« hatte vor Ort bereits Erkundigungen eingezogen. Der Plan scheiterte dann jedoch an einem gegen Horst Mahler verhängten Ausreiseverbot. Ersatzweise inszenierten Mahler und Haverbeck mit rund 15 Aktivisten eine Kundgebung auf der Wartburg. Nach einem Fotobericht auf einer der Internetseiten der Szene versammelte sich die Gruppe unter den Augen der Polizei, um ein Transparent mit der Aussage »Den Holocaust gab es nicht« und schwenkte Fahnen des Deutschen Reiches. Erst nach Ende der Versammlung wurde das fragliche Transparent und andere Kundgebungsmaterialien in einem von Ursula Haverbeck gefahrenen PKW beschlagnahmt. Strafrechtlich hatte die Kundgebung jedoch keine Folgen.
Während Prozesse, wie derzeit gegen Zündel, für große Presseöffentlichkeit sorgen, bleibt die zweite Reihe der Holocaustleugner weitgehend unbehelligt. Hier besteht in der Tat die Gefahr, dass sich holocaustleugnende Aussagen verbreiten und zunehmend zur Normalität werden. Nicht die vergleichsweise kleine Gruppe um das Collegium Humanum ist dabei das Problem, sondern eine umfangreiche Neonaziszene und das nicht unerhebliche antisemitische Einstellungspotential in der Gesellschaft, die den Resonanzboden für die Holocaustleugnerszene bilden.