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Das "Nordbund"-Netzwerk

Redaktion der Broschüre „Netzwerk von Kameraden“ (Gastbeitrag)
Einleitung

Im „Nordbund“ vernetzen sich Elitesoldaten mit Neonazis. Der Verfassungsschutz sieht keinen Handlungsbedarf.

Der frühere "Blood & Honour" Akteur Johannes Knoch hat im "Nordbund" ein neues Betätigungsfeld gefunden.
(Bild: Montage Videoscreenshot/Screenshot Social Media)

Der frühere "Blood & Honour" Akteur Johannes Knoch hat im "Nordbund" ein neues Betätigungsfeld gefunden.

„Nordbund – Til Valhal“

Im März 2022 kam es zu einer bisher vermutlich beispiellosen Aktion des Militärischen Abschirmdienst (MAD) in Deutschland. Bei der Aktion namens „Operation Sturmhaube“ zog der MAD bundesweit Feldjäger unter dem Vorwand einer Übung zusammen und teilte diesen erst bei einer Einsatzbesprechung in den Räumlichkeiten des LKA Niedersachsen am Abend des 7. März die wahren Gründe für die Zusammenkunft mit. An diesem Abend erfuhren die Feldjäger, dass der MAD eine groß angelegte Aktion gegen Soldaten verschiedener Kasernen plant, bei der es darum gehen soll, durch robustes Auftreten freiwillige Aussagen der Soldaten zu erwirken und deren Mobiltelefone zu überprüfen. Die Zielpersonen seien in einer extrem rechten Gruppierung namens „Nordbund“ aktiv und bewegen sich im Milieu der Organisierten Kriminalität, hießes in der Besprechung seitens der Einsatzleitung. Ein Feldjäger gab später in einer Polizeivernehmung zu Protokoll, dass den am Einsatz beteiligten Soldaten Bilder aus der antifaschistischen Broschüre „Netzwerk von Kameraden“ gezeigt wurden.

Am Folgetag besuchten dann wie geplant zeitgleich vermummte Feldjäger und MAD-Agenten verschiedene Kasernen, vor allem im Raum Hannover. Weitere Kasernen wurden u.a. im niedersächsischen Rotenburg, in Bremen und in Bruchsal in Baden-Württemberg zum Ziel des Einsatzes. Da der Einsatz der Geheimhaltung unterlag und alle Beteiligten zur Verschwiegenheit verpflichtet waren, kam das Geschehen erst im Juni 2022 durch einen Artikel in der Zeitung „Welt“ ans Tageslicht. Die Zeitung berichtete dort erstmals, dass sich die Durchsuchungen gegen eine einstellige Personenzahl richtete, die durch ihre Kampfsportaffinität und ihre Kontakte zu extrem rechten Strukturen, sowie in die kriminelle Rockerszene ins Visier der Agent:innen geraten sind.

Was antifaschistische Strukturen zu diesem Zeitpunkt bereits ahnten, legten dann im September 2022 Recherchen von „t-online“ offen. Ziel des Einsatzes war es Informationen über die Struktur „Nordbund“ zu erlangen, die im November 2021 in der antifaschistischen Broschüre „Netzwerk von Kameraden“ öffentlich gemacht worden war.

Der „Nordbund“ – alter Met in neuen Hörnern

Die seit mindestens 2017 aktive Gruppe, für die sich mit einiger Verzögerung nun auch der Militärgeheimdienst interessiert, gab sich bis zu der besagten Veröffentlichung im vergangenen Jahr recht offen zu erkennen. Diverse Bilder zeigen die Gruppenmitglieder mit bedruckten T-Shirts der Gruppe bei Wanderausflügen, gemeinsamen Urlauben und beim Kampfsport. Verbindendes Element scheint die Affinität für germanische bzw. nordische Mythologie zu sein. Bei Wanderungen die häufiger ins südniedersächsische Mittelgebirge führten, wurden vornehmlich Plätze aufgesucht, die als Kultstätten besagter Mythologie bezeichnet werden können.

Das Gruppenlogo zeigt einen Thorshammer mit einer „Tiwaz-Rune“, einem Symbol welches schon im Nationalsozialismus von verschiedenen Organisationen und Militärverbänden verwendet wurde und bis heute von Neonazi-Gruppen benutzt wird. Auf anderen T-Shirts gibt sich die Gruppe bewusst militant und verwendet eine Faust mit einem Schlagring als Logo. Im Sportraum der Gruppe hängt ein Banner auf dem neben dem Gruppenemblem das „Onepercenter“ Symbol (1%) zu erkennen ist. Dieses Symbol gilt vor allem im Rockermileu als Erkennungszeichen, um die eigene Gesetzeslosigkeit zu unterstreichen. Praktisch ist dies unter Motorradclubs ein Bekenntnis zu Straftaten, die von Gewaltdelikten über Menschen- und Drogenhandel bis hin zu Mord reichen können.

Diese Tatsachen an sich wären wahrscheinlich nicht unbedingt erwähnenswert. Die Brisanz der Gruppe wird vor allem durch die Zusammensetzung der Mitglieder deutlich. Hier treffen Rocker,
Elitesoldaten, Söldner und Reservisten auf alt bekannte Neonazis. Einer von Ihnen ist der ehemalige „Blood & Honour“ Kader Johannes Knoch aus Springe nahe Hannover, über den das "Antifaschistische Infoblatt" (AIB) bereits mehrfach berichtete.

Rückblick

Erste Belege zu Johannes Knochs Treiben als Neonazi gehen bis Anfang der 1990er Jahre zurück. In einem Filmmitschnitt aus dem Jahr 1992 kündigte er ein berüchtigtes Neonazikonzert in Cottbus an. Auf dem Konzert traten damals die Rechts-Rock-Bands „Radikahl“, „Störkraft“ und „Skrewdriver“ auf, die zu dieser Zeit allesamt Szenegrößen waren. Die Aufnahmen des Abends legen nahe, dass die Veranstaltung gut organisiert, mit eigener Security und Einlasskontrollen von statten ging. Bereits am Abend vor dem Konzert kam es zu schweren Übergriffen durch Neonazis, bei der mindestens eine Person lebensbedrohlich mit einem Messer verletzt wurde. Daraufhin wurden sechs Neonazis u.a. Teile der Band "Skrewdriver" von der Polizei festgenommen.Die sechs festgenommen Neonazis wurden später innerhalb der Szene als „The Cottbus six“ bekannt und glorifiziert. In der bereits erwähnten Konzertankündigung redet Knoch alleine vor einer Kamera über die Übergriffe und Festnahmen der Neonazis in englischer Sprache. Im Hintergrund hängt ein Bild eines alten Nazis in Uniform. Seine Rede beendet Knoch mit den Worten „Sieg Heil“.

Johannes Knoch war von 1989 bis 1993 Berufssoldat und bis 2003 in militärische Strukturen eingebunden. In dem beschriebenen Videomitschnitt hatte Knoch bereits deutlich eine „Sigrune“, ein Symbol der SS, als Tattoo auf seinem linken Unterarm, weshalb sich die Bundeswehr und insbesondere der MAD die Frage gefallen lassen müssen, wie Personen mit einem so offensichtlichen Bekenntnis zum Nationalsozialismus Teil der Streitkräfte bleiben konnten. Ob es Unfähigkeit der Behörden war oder diese schlicht kein Problem damit hatten können nur die Behörden selbst beantworten.

Das nicht nur der Verfassungsschutz sondern auch der MAD sich in den 1990er Jahren etliche Neonazis als Informanten hielt ist bekannt. Zwar kann man Knoch nicht nachweisen auch auf der
Gehaltsliste des Geheimdienstes gestanden zu haben, die Untätigkeit diverser Behörden in Bezug auf Johannes Knoch ist jedoch bis heute verblüffend. Obwohl Knoch ab spätestens Ende der 1990er Jahre den Behörden als wichtiger Akteur von „Blood & Honour“ bekannt war und sich für die illegale Fortführung der Organisation vor Gericht verantworten musste, war er bis 2008 ungestört im Reservistenverband der Bundeswehr aktiv. Erst durch antifaschistische Recherchen und die darauf folgenden Medienberichte erhöhte sich der Druck auf die Behörden, sodass diese ein Disziplinarverfahren gegen ihn einreichten, welches 2011 zur Aberkennung seines Dienstgrades führte.

Auch das Verhalten anderer Behörden in Bezug auf Johannes Knoch in der Vergangenheit wirft Fragen auf. Aus abgehörten Telefonaten in den Ermittlungen gegen die Gruppe „Combat 18 Pinneberg“ 2003 ging hervor, dass Johannes Knoch der Gruppe Anweisungen gab Rechts-Rock-Versände unter Druck zu setzen. Aus dem Prozess ging hervor, dass die Gruppe Listen politischer Gegner:innen anlegte und rechte CD-Vertriebe erpresste, Gelder an „Blood & Honour“ Strukturen abzudrücken. Obwohl die Behörden sichtlich darum bemüht waren die Befehlsstrukturen der Gruppe herauszuarbeiten landete Knoch damals trotz der abgehörten Telefonate nicht auf der Anklagebank. Auch ein geplanter Waffenhandel mit einem ehemaligen Geschäftspartner Knochs wurde nie vor Gericht verhandelt.

Niedersächsische Verhältnisse

Nicht nur durch den MAD Einsatz im März 2022 ist mittlerweile klar, dass fast alle bisher identifizierten Personen im „Nordbund“ in irgendeiner Form in militärische Strukturen eingebunden sind oder waren. Eine Person im aktiven Dienst der Streitkräfte ist Chris R., der in seiner Kaserne in Bruchsal vom MAD besucht wurde. Chris R. ist Teil einer kleinen Einheit von Personenschützern, die u.a. damit beauftragt ist, Minister:innen und hohe Generäle bei Dienstreisen zu schützen. Die Überprüfung des Handys von Chris R. blieb anscheinend auch für einige Kameraden aus dessen Einheit nicht folgenlos. Laut Informationen von „t-online“ fanden die Ermitler:innen auf dem Handy Chats der Einheit mit rassistischen Äußerungen und Hitlerbildern.

Auch andere Personen aus dem „Nordbund“-Kreis kommen aus Eliteeinheiten der Bundeswehr. Dennis W. aus Bad Lauterberg war in der Vergangenheit Feldwebel beim „Kommando Spezialkräfte“ (KSK) und besitzt heute eine Maschinenbaufirma in der er u.a. Hebewerkzeuge für Spezialeinheiten entwickelt. Gleich mehrere Akteure des „Nordbund“ haben sich im Raum Springe nahe Hannover niedergelassen. Neben Johannes Knoch und den Brüdern Serhiy Sch. und Alexander Sch. wohnen hier auch die Brüder und ehemaligen Bundeswehrsoldaten Jens G. und Johann G.. Letzterer kämpfte nach seiner Zeit bei der Bundeswehr unter dem Kampfnamen „Botan Almanya“ auf Seiten kurdischer Verbände gegen den „Islamischen Staat“ (IS). Thomas W. aus dem Kreis des „Nordbund“ tritt als Geschäftsführer eines Handwerksbetriebs nahe Springe auf und brüstet sich auf der Internetseite des Betriebs damit „deutsches Handewerk“ abzuliefern und während seiner 15jährigen Dienstzeit als Berufssoldat mit dem Ehrenkreuz der Bundeswehr ausgezeichnet worden zu sein.

Eine Person die wohl nicht dem „Nordbund“ zuzuordnen ist, aber mit diesem in Kontakt steht, bekam ebenfalls im März 2022 auf dem Fliegerhorst in Wunstorf Besuch. Georg R. ist Chef des "Hells Angels" nahen Motorradclubs „Shelter Dogs MC“ aus Salzhemmendorf bei Hannover. Der Club wurde nicht erst durch den MAD-Einsatz von Antifaschist:innen in Zusammenhang mit rechten Aktivitäten gebracht. Auf Bildern der Mitglieder finden sich Neonazitattoos und Klamotten rechter Marken sind hier keine Seltenheit. Brisant ist der Club aber vor allem, weil hier mindestens zeitweise Frederik L., ein Akteur der „Calenberger Bande“ aktiv war. Gegen die Neonazigruppe „Calenberger Bande“ wird aktuell wegen der Bildung einer kriminellen Vereinigung ermittelt, weil diese in Zusammenhang mit mehreren Brandanschlägen, unter anderem auf die Wohnhäuser einer kurdischen und einer jüdischen Familie in Hannover, gebracht wird. Frederik L. ist Kampfsportler und sollte im vergangenen Jahr für das „Gradang Gym“ aus Springe bei den bundesweiten Kämpfen von „We love MMA“ antreten. Das „Gradang Gym“ wurde zeitweise von dem
bereits erwähnten „Nordbund“-Anhänger Alexander Sch. geleitet und diente in der Vergangenheit „Blood & Honour“ Aktivisten wie Knochs langjährigen Weggefährten Hannes Franke als Trainingsort.

Auch Hannes Franke ist auf mehreren Bildern zusammen mit dem Personenschützer Chris R. zu sehen. Über Franke sagte erst vor kurzem ein Polizist im NSU-Untersuchungsauschuss Mecklenburg-Vorpommern aus, dass sich seine Mobilfunknummer in einem Handy von Beate Zschäpe befand. Zusammen mit Knoch und weiteren ehemaligen Vertretern von „Blood & Honour-Niedersachsen“ war Franke ab 2008 neben seiner Neonaziaktivitäten auch in den Kreisen des „Hells Angels MC“ organisiert.

Trotz allem scheinen sich die niedersächsischen Sicherheitsbehörden recht wenig für die Strukturen des „Nordbund“ und sein Umfeld zu interessieren. Obwohl der MAD laut Aussage eines Feldjägers in der Einsatzbesprechung über eine Zielperson erklärte, dass diese in allen Teilender „Organisierten Kriminalität“ mitwirke, sind derzeit keine polizeilichen Ermittlungen gegen den „Nordbund“ oder den „Shelter Dogs MC“ bekannt. In den Antworten auf eine parlamentarisch Anfrage der Grünen in Niedersachsen Anfang Oktober 2022 ließ der Verfassungsschutz Niedersachsen sogar verlauten, dass sie den „Nordbund“ nicht einmal als rechtsextrem bewerten. Dort heißt es: „Nach den vorliegenden Erkenntnissen sind bei einzelnen Mitgliedern rechtsextremistische Einstellungsmuster zu erkennen, beispielsweise anhand fremdenfeindlicher oder rassistischer Äußerungen. Einzelne Mitglieder der Gruppierung pflegen darüber hinaus persönliche Verbindungen zu aktiven und/oder ehemaligen Angehörigen der rechtsextremistischen Szene.“

Also alles beim Alten. Neonazis machen Neonazikram, hetzen gegen Geflüchtete, denken sich Logos mit in der Regel verbotenen Symbolen aus und verbringen ihre Freizeit auf Schießständen. Für den Verfassungsschutz in Niedersachsen kein Grund zur Sorge. Hätte der Geheimdienst auch nur ein wenig Zeit darin investiert herauszufinden welche Orte der „Nordbund“ bei seinen Ausflügen besuchte, wäre ihnen aufgefallen, dass ein in der Presse häufig verwendetes Foto der Gruppe vor einem in Stein gemeißelten Hakenkreuz entstanden ist. Den Vogel endgültig abgeschossen haben die Behörden in der besagten Anfrage aber als es um Johannes Knochs Vergangenheit ging. Da sich die „Tiwaz-Rune“ auch im Logo der „Blood & Honour“ Sektion Niedersachsen befand, wird danach gefragt ob der „Nordbund“ evtl. eine Fortführungsstruktur sein könnte. Die Behörde behauptet in der Antwort allen Ernstes, dass ihr die Gruppe „Blood & Honour“ Niedersachsen nicht bekannt ist. Dass die Behörde anscheinend ihre eigenen Jahresberichte nicht kennt, hinterlässt uns an dieser Stelle fassungslos. Im Verfassungsschutzbericht 2001 wird die Gruppe explizit mit Sitz in Hildesheim benannt, jener niedersächsischen Kleinstadt in der Knoch bis heute sein Tattoostudio „Last Resort“ betreibt.

Vermutlich ist der Behörde dieser Fauxpas bei den Antworten aber nur passiert, weil sie mit wichtigeren Dingen beschäftigt war. Seit diesem Jahr findet sich zum ersten mal ein eigenes Kapitel zu Antifarecherche im Jahresbericht des Geheimdienstes. Der niedersächsische Innenminister Boris Pistorius machte im vergangenen Jahr Schlagzeilen weil er ein Verbot antifaschistischer Gruppen prüfen ließ.

(Eine Broschüre zum Thema findet sich unter: netzwerkvonkameraden.noblogs.org)