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Das Verbot der HDJ

Andrea Röpke
Einleitung

Am 31. März 2009 war es soweit: Die Heimattreue Deutsche Jugend wurde verboten. In ihrer 31-seitigen Verbotsverfügung bescheinigte das Bundesinnenministerium dem Verein mit Sitz beim Amtsgericht in Kiel ihre Bekenntnisse zu gemeinnütziger Jugendarbeit, sowie zum Grundgesetz seien nur »Fassade« gewesen, ebenso der Versuch ein »möglichst bürgerliches Erscheinungsbild« aufzuzeigen. Ziel sei die »Heranbildung einer neonazistischen Elite« in Form einer »ideologischen Einflussnahme auf Kinder und Jugendliche« gewesen. Ersatzorganisationen zu bilden oder die HDJ in bestehenden Gruppen weiterzuführen ist bei Strafe verboten. 

Foto: Otto Belina

Zeltlager der »Heimatreuen Deutschen Jugend« am 27. Mai 2007 in Eschede.

Ausdrücklich wird in der Verfügung 1 auf die Glorifizierung von Adolf Hitler, die Würdigung der Waffen-SS »als Verpflichtung«, auf Tests zur Rassenkunde, sowie die Verwendung von antisemitischen NS-Kinderbüchern wie »Der Giftpilz« oder »Pudelmopsdackelpinscher« aus dem Jahr 1940 eingegangen. Die HDJ wolle »nationalpolitische Kadergruppen« aufbauen, die »nach dem Führerprinzip geleitet werden«. Deren Ideologie sollte »kompromisslos« verbreitet werden, die Organisation sei »auf breiter Front zu einer direkten Konfrontation mit ihren Gegnern bereit«, heißt es. Es habe Führerhandbücher und Führerbriefe gegeben, Veranstaltungsräume seien mit der Büste von Adolf Hitler und der Hakenkreuzfahne geschmückt worden.

Die Demokratie wurde von den Heimattreuen als »Herrschaft der Minderwertigen« bekämpft, so schrieb der Leitstellenführer Nord an eine Einheitsfüherin: »Ich will keine bessere BRD, ich will ein neues Reich auf den Trümmern dieses verkommenen Systems errichten«. Zudem seien Jugendliche laut Bundesinnenministerium mit einem »eindeutigen Appell« aufgefordert worden »in Schule, Ausbildung, Studium und Beruf mit Ehrgeiz und Ausdauer entscheidende Positionen zu besetzen«.

Das Verbot kam nicht von ungefähr. Seit gut einem Jahr hatte sich der öffentliche Druck auf die Neonazi-Organisation erhöht. Im Oktober letzten Jahres gab es Hausdurchsuchungen bei 88 Anhängern aus dem Umfeld der Organisation, auch beim letzten Führer der 1994 verbotenen »Wiking-Jugend« Wolfram Nahrath war durchsucht worden. Nahrath trat zuletzt als Anwalt der HDJ in Erscheinung. Im Interview mit Christian von der Heide vom neonazistischen »Netzradio Germania« gibt sich Nahrath-Gefährte und  ehemaliger Bundesführer Sebastian Räbiger bemüht kämpferisch.

Von taktischen Fehlern der HDJ will er nichts wissen: »Unsere Tage waren von Anfang an gezählt, als wir uns entschlossen nationale Jugendarbeit zu machen«. Sie seien »Vollgas gefahren« die ganzen Jahre, betont er stolz. Eine Selbstauflösung im Vorfeld stand nicht zur Debatte. Immer wieder betont der selbstständige Dachdecker das verhasste »System hat versucht uns in die Knie zu zwingen und fertigzumachen«, aber man habe sich bis zuletzt nicht beeindruckt gezeigt und gewehrt. Wenn das Verbot ihnen nicht in die Quere gekommen wäre, dann, prahlt Räbiger, hätten sie zu Pfingsten sicher ihr größtes Zeltlager seit Bestehen abhalten können.

Er beklagt zahlreiche »Repressalien« wie Steuerprüfungen bei seinen selbstständigen Führern, Kontenkündigungen, Androhung des Entzugs von Gewerbescheinen und Postkontrollen. Außerdem seien HDJ-ler aus allen möglichen Ehrenämtern geflogen und Ausbilderscheine zu Meisterprüfungen sollten entzogen werden. Großspurig macht Räbiger sich über den »zusammengekritzelten Schwachsinn« der Verbotsverfügung lustig. Er bestätigt, dass Klage dagegen eingereicht worden sei, das Ganze aber keine aufschiebende Wirkung habe und er auch nicht an einen Erfolg glaube.

Auf die Fragen des Moderators von der Heide nach einer Weiterbetätigung antwortet er ausweichend: »Wir ignorieren das Verbot nicht«, denn jeder wisse, »dass Jugendarbeit in der Illegalität überhaupt nicht zu machen ist«. Brav versichert er: »Wir werden alle älter, wachsen aus der Jugendarbeit heraus.« Von »solchen Wahnvorstellungen einer Wiederbetätigung« würden nur Presse und Verfassungsschutz profitieren, insistiert er. Räumt aber ein, es werde auch »wieder Gruppen oder Organisationen geben, denen man in Zukunft eine Wiederbetätigung nachsagen wird oder in die Schuhe schieben wird«. Ihm selber könne man nicht verbieten eine politische Einstellung zu haben, versichert der geborene Sachse und setzt verklausuliert nach: »Ich kann mich da als Mitglied einbringen, wo ich der Meinung bin, das da meine Mitgliedschaft von Vorteil wäre. Ich bin nicht verdammt dazu, zuhause zu sitzen und nur noch die Wand anzustarren«.

Als der Moderator von Netzradio Germania Singekreise oder bündische Gruppen als Alternativen erwähnt, geht Räbiger nur vorsichtig auf andere rechte Jugendgruppen ein: »Es gibt gute Geister in unseren Reihen. Es gibt Führungspersönlichkeiten, die die Dinge ähnlich ernst nehmen wie wir«.

Keine drei Tage nach dem Verbot der neonazistischen »Heimattreuen Deutsche Jugend« (HDJ) tauchte eine Anhängerschar in der Öffentlichkeit auf um eine Informationsveranstaltung gegen Rechts zum Thema »HDJ – auch aktiv in Thüringen?« in Arnstadt zu stören. Neonazis waren ausdrücklich ausgeladen worden. Dennoch erschienen gleich zu Beginn rund 40 thüringische Neonazis, darunter »10 HDJ-Anhänger«, wie die Polizei später verlauten ließ. Sie hörten nicht auf die Veranstalter, stürmten direkt die Treppen hoch in den Saal. Es dauerte zwei Stunden bis die Polizei den Ort räumen ließ und  die Personalien aufnahm.

Unter den Störern waren die achtfache Mutter und ehemalige Regionalbeauftragte der HDJ Silvia Berisha (geb. Kirschner), sowie die thüringischen Anhänger Marlene Sch. und Steffen H. Silvia Kirschners Ex-Ehemann Christian Berisha  gilt als »Spendenbeauftragter« der HDJ. Auch bei ihm war die Polizei am Verbotstag vorstellig geworden. Am Ostersamstag beteiligte er sich dann gemeinsam mit den HDJ-lern Manfred Börm und Michael Grewe an einer Neonazi-Demonstration in Lüneburg. Für den Technischen Dienst der HDJ soll Volker Quint aus Bad Salzdetfurth zuständig gewesen sein. Volker Quint war ebenfalls von den letzten Hausdurchsuchungen gegen die Heimattreuen betroffen.2 Beruflich wird er wohl weiterhin mit Kindern, Jugendlichen und Pädagogen zu tun haben, er ist laut Internet Außendienstmitarbeiter einer hessischen Firma für Einrichtungsbedarf in Kindergärten und Schulen.

Der Einfluss ehemaliger HDJ-Aktivisten innerhalb von Kameradschaften, NPD und Gruppen wie der »Jungen Landsmannschaft Ostdeutschland« scheint noch gewachsen. Karfreitag veranstaltete eine Gruppe von 23 Rechten in »Kniebundhosen und Dirndl« eine Wanderung zum Hermannsdenkmal, unter ihnen sollen auch Neonazis aus dem Umfeld der HDJ gewesen sein, wie die Landeszeitung aus dem Kreis Lippe berichtete. Auf Fotos ist der ehemalige HDJ-Aktivist Christian F. neben Markus Privenau aus Bremen erkennbar. Auch bei Gerd Ulrich aus Detmold, der zur HDJ-»Einheit Hermannsland« zählte, gehen Neonazis nach wie vor ein und aus.

Doch wird auf Bundesgebiet in nächster Zeit wohl kaum mit größeren Treffen zu rechnen sein. Szenebeobachter sind sich jedoch sicher, dass für die frühe pädagogische Einflussnahme des Nachwuchs von mindestens 30.000 gefestigten Neonazis bundesweit  auch in nächster Zeit intern gesorgt werden soll. Organisierte braune Kindererziehung hat es seit den 1950er Jahren immer gegeben. Auch die Verfassungsschutzbehörden, die sich spät und scheinbar erst auf Druck von Medienberichten aufgefordert sahen, vor dem Drill der braunen Kaderorganisationen in den verschiedenen Bundesländern zu warnen, wollen jetzt alarmiert sein. Ein Sprecher des Bundesamtes in Köln räumte ein, dass davon auszugehen sei, »dass die sich bemühen werden weiterzumachen«. Er setzt nach: »zumindest ein Kernbereich von denen«.

Opferberatungsstellen wie auch Präventionsexperten berichten in letzter Zeit häufiger von alarmierten Eltern, deren Kinder in Kontakt mit dem Nachwuchs einschlägiger Neonazis gekommen seien. Immer wieder zeichnen sich dabei ähnliche rechte Verhaltensmuster auf. In den Schulen jedoch finden sie für ihre Ängste gegenüber neonazistischer Indoktrination kaum kompetente Ansprechpartner.
 

  • 1Die Verbotsverfügung wurde sowohl dem HDJ-"Bundesführer" Sebastian Räbiger als auch dem vertretungsberechtigten HDJ-Vorstandsmitglied Thomas Eichler zugestellt.
  • 2Insgesamt fanden Hausdurchsuchungen und Beschlagnahmen bei neun HDJ-Funktionären in Berlin, Brandenburg und Sachsen sowie in Niedersachsen bei den HDJ-Funktionären Christian Berisha in Lüneburg, Volker Quint in Bad Salzdetfurth und Christian von Velsen in Georgsmarienhütte statt.