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Die „Alternative Hilfe“ der AfD

Einleitung

Seit Gründung der „Alternative für Deutschland“ (AfD) ist die Partei darum bemüht, sich immer wieder als Opfer eines linken Mainstreams darzustellen, das sich massiven Angriffen „aus der sogenannten etablierten Politik, den Medien, selbst den Amtskirchen, Gewerkschaften und anderer Institutionen“ ausgesetzt sieht. Anderslautende Auffassungen, vermeintliche Einschränkungen der Redefreiheit oder konkreter Widerstand gegen das Auftreten der AfD werden darin zum Ausdruck einer omnipräsenten „political correctness“ oder als Mittel der Zensur interpretiert, dem sich widersetzt werden müsse. Zwei Initiativen von AfD-Mitgliedern wollen sich den vermeintlichen Opfern dieser Politik besonders widmen.

Bild: Screenshot youTube/noz

Armin-Paul Hampel war Gründungsmitglied der „Alternativen Hilfe“.

Am 08.Dezember 2018 führte die AfD eine Kundgebung in Stuttgart gegen den sogenannten UN-Migrationspakt durch. Nach Ende der Veranstaltung wurde das Fahrzeug des AfD-Landtagsabgeordneten Stefan Räpple, der als Anmelder der Kundgebung in Erscheinung trat, attackiert. Die beiden Insassen blieben zwar unverletzt, dennoch sprach die AfD im Nachgang der Ereignisse gar von einem „Tötungsversuch“. Walter Schwaebsch, Sprecher des AfD-Kreisverbandes Konstanz, betonte gegenüber der regionalen Tageszeitung „Südkurier“, dass man sich von solchen Übergriffen nicht beeindrucken lasse, wohl aber „entsprechende Vorsichtsmaßnahmen“ ergreifen werde und „eine interne Liste solcher Vorfälle – bundesweit“ besitze.

ZE-S, ZESS, "Alternative Hilfe"

Ob er sich damit auf das AfD-Projekt „Zentrale Erfassung politisch motivierter Straftaten“ (ZE-S) bezieht, wird zwar nicht benannt, liegt aber nahe. Das im März 2016 noch unter dem Namen „ZESS – Zentrale Erfassungsstelle Salzgitter“ gegründete Register, geht zurück auf die Initiative des AfD-Landesverbandes Niedersachsen unter dem damaligen Vorsitzenden und jetzigen Bundestagsabgeordneten Armin-Paul Hampel. Hier sollen Straftaten gegen AfD-Mitglieder, Parteibüros bzw. parteinahe Einrichtungen bundesweit in einer eigenen zentralen Datenbank erfasst werden. Ziel sei es, dass „diese Vorgänge auch vom Establishment nicht mehr totgeschwiegen oder negiert werden können“. Name und Standort dieser Initia­tive spielen dabei bewusst mit der bundesdeutschen Geschichte. Die "Zentrale Erfassungsstelle der Landesjustizverwaltungen" (ZESt) war von 1961 bis 1992 in Salzgitter angesiedelt. Dort sammelte und dokumentierte sie „Hinweise auf vollendete und versuchte Tötungshandlungen (z. B. Schieß­befehle an der innerdeutschen Grenze), Unrechtsurteile der DDR-Justiz aus politischen Gründen, Misshandlungen im Strafvollzug, Verschleppung, politische Verfolgung und Beweismittel über diese Vorfälle. Mit dem so zusammengetragenen Material „sollte die Grundlage für eine spätere juristische Aufarbeitung der Straftaten geschaffen werden und im Fall einer deutschen Wiedervereinigung zur Eröffnung von Strafverfahren dienen.“1

Ganz so umfangreich dürfte sich die Arbeit der ZE-S nicht gestalten, scheiterte sie doch bereits mit der damals angekündigten Vereins­gründung. Am 16. Juli 2016 kamen in Kassel sieben AfD-Mitglieder zusammen und gründeten die „Alternative Hilfe“. Zweck dieses Vereins ist die „Unterstützung und Beratung von Opfern politisch motivierter Straftaten, die von Gegnern der Partei ‚Alternative für Deutschland‘ begangen werden.“ Die Gründung des eigentlich angekündigten Vereins „Zentrale Erfassungsstelle Salzgitter e.V“ hingegen musste aus „vereinsrechtlichen Gründen“ verschoben werden und wurde im Jahr 2017 ganz zurückgezogen. Zum Vorsitzenden wurde Armin-Paul Hampel gewählt, der diesen Posten bis Januar 2018 bekleidete. Aufgrund parteiinterner Auseinandersetzungen wurde er im selben Monat vom AfD-­Bundesvorstand seines Amtes als niedersächsischer Landesvorsitzender enthoben und ist seitdem auch nicht mehr im „Alternative Hilfe“-Vorstand organisiert. Nach einer kurzen Übergangszeit steht seit April 2018 allerdings das AfD-Mitglied Frank Spickermann aus Nordrhein-Westfalen als neuer Vereins­vorsitzender der „Alternativen Hilfe“ und der ZE-S vor. Als Stellvertreter stehen ihm dabei die beiden AfD-Mitglieder Siegmar Wirths aus Hamm und Lutz Urbanczyk aus Berlin zur Seite.

Gemeinsam Einsam

Finanzielle Unterstützung für „gleichgesinnte Patrioten“ die „ihren Kopf“ hinhalten sowie Rat und Tat will der Verein anbieten. Unter dem Motto „Patrioten helfen Patrioten – Gemeinsam statt einsam“ sollen über konkrete Spendenaufrufe Geldmittel akquiriert werden. Dabei macht nicht nur der aktuellste von bisher neun veröffentlichten Aufrufen deutlich, dass die erhoffte Spendenbereitschaft noch Luft nach oben hat. Seit dem 15. November 2018 sammelt die „Alternative Hilfe“ Gelder für die Gaststätte „Zur Ratte“ in Leipzig. Dort finden seit 2016 immer wieder AfD-Veranstaltungen statt und am 09. November sollte hier ein Kreis­parteitag durchgeführt werden. Einige zerstörte Fensterscheiben sowie der Einsatz von Farbe verhinderten dies jedoch. Um den vom Wirt auf 50.000 Euro geschätzten Schaden zu begleichen, muss die „Alternative Hilfe“ noch etwas sammeln. Bisher sind für den konkreten Aufruf 0 Euro eingegangen und auch die seit Juni 2018 ausgewiesenen zweckungebundenen Spen­deneingänge von 2.080,76 Euro schaffen da keine Abhilfe. Offen bleibt, ob es an der mangelnden „patriotischen“ Spendenbereitschaft oder doch an den Vereins­verantwortlichen liegt, dass sich ein rechter Erfolg nicht wirklich einstellen will.

Frank Spickermann bemüht sich auch auf Vorträgen, das Ansinnen der Projekte „Alternative Hilfe“ und ZE-S innerhalb der AfD zu streuen. Darüber hinaus engagiert sich der aus Duisburg kommende Kaufmann in der Initiative „Wir sind Marler“. Zusammen mit „Unabhängige Bürger Partei“, „Bürgerbewegung Pax Europa“ und der AfD sammelt die Initiative Unterschriften, um ein Bürgerbegehren gegen den Bau einer Moschee auf den Weg zu bringen. Auch der zweite Vereinsaktivist kommt aus Nordrhein-Westfalen. Es handelt sich um den stellvertretenden Sprecher des AfD-Kreisverbandes Hamm, Siegmar Wirths. Dessen Nähe zur Reichsbürgerszene brachte dem Kriminalhauptkommissar zuerst ein Disziplinarverfahren ein und führte Anfang 2017 schließlich zu seiner Sus­pen­dierung aus dem Polizeidienst. Als dritter Akteur kam der im April 2018 zum zweiten stellvertretenden Vorsitzenden bestellte Lutz Urbanczyk aus Berlin hinzu. Diese Personalie dürfte ein Grund dafür sein, dass die Anschrift des Vereins mittlerweile in Berlin-Mahlsdorf liegt.

Internationale Kontakte

Mit Lutz Urbanczyk ist ein AfD-Mitglied bei der „Alternativen Hilfe“ aktiv, der wegen seiner offensichtlichen Verbindungen in Teile der Neonaziszene selbst bei Teilen der eigenen Partei als problematisch angesehen wird. Deutlich wurde dies zuletzt am Anfang des Jahres 2018. Für den 03. Februar 2018 mobilisierten die „Patrioten Niedersachsen“ zu einem Neonaziaufmarsch nach Peine. Die 95 Teilnehmenden setzten sich mehrheitlich aus Mitgliedern von NPD und "Die Rechte" zusammen. Neben den Neonazis Jens Wilke von der „Volksbewegung Niedersachsen“ und Alexander Kurth, der von der NPD über „Die Rechte" mittlerweile bei den "Die Repu­blikaner" gelandet ist, sprach u.a. auch Lutz Urbanczyk. Dies wiederum veranlasste den AfD-Kreisverband Celle dazu, sich von der Demonstration und der Person Urbanczyk öffentlichkeitswirksam zu distanzieren. Dabei sind solche Auftritte des AfD-Mitgliedes keineswegs neu. Bereits im September 2017 war Urbanczyk als Redner auf einer PEGIDA-Demonstration im niederländischen Enschede aufgetreten. Zuletzt war er für den 01. Dezember 2018 zum zweiten Mal in Folge als Redner auf dem Parteitag der neonazistischen „Partei National Orientierter Schweizer“ (PNOS) angekündigt. Neben weiteren europäischen Neonazis, wie etwa dem Vertreter der ungarischen Partei „Mi Hazànk“, Pàl Peter Walter ist auch der international bekannte US-­amerikanische „Alt-Right“-Aktivist Richard Spencer dort aufgetreten. Zwar konnte Urbanczyk aus „gesundheitlichen Gründen“ nicht an dieser Veranstaltung in der Schweiz teilnehmen, mit der Einladung zeigt sich dennoch deutlich seine Verstrickung in die internationale extreme Rechte.

Auch wenn sich die Aktivitäten der „Alternative Hilfe“ in einem überschaubaren Maß vollziehen, ist die dahinter liegende Motivation nicht zu unterschätzen. Das Gefühl permanenten Angriffen und Bedrohungen ausgesetzt zu sein ist ein zentrales Motiv rechten Denkens, aus der die Akteure die Legitimität ihrer Politik ableiten.