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Die Berliner RechtsRock Szene...

Einleitung

...am Beispiel der Band »Deutsch, Stolz, Treue«

Anfang 2007 verkündeten Berliner Ermittlungsbehörden einen »erfolgreichen Schlag« gegen die Neonaziband »Deutsch, Stolz, Treue« (D.S.T.) und die Hersteller und Vertreiber neonazistischer Musik geführt zu haben. Insgesamt dreizehn Orte in Berlin, Mecklenburg-Vorpommern, Hessen und Nordrhein-Westfalen waren durchsucht worden.

Aktiv wurde die Band, welche sich im Netzwerk der »Hammerskin«-Szene verortet, bereits im Jahr 1994. Sie gehört damit zu der kleinen aber etablierten Rechtsrock-Szene Berlins. Jahrelang war es relativ ruhig um die Hammerskin-Kapelle, im Jahr 2007 standen dann jedoch gleich fünfmal Polizisten vor den Türen der Band ihres Umfeldes. Auslöser der Durchsuchungen war die 2005 veröffentlichte CD »Die Antwort auf’s System« der in "X.x.X." umbenannten Band. Auf dem Front-Cover  der "X.X.X."-CD ist die Zahlenfolge "4.19.20." aufgedruckt, was im Alphabet die Buchstaben "D.S.T." ergibt.

Eine Hammerskin Produktion floppt

Vor Gericht standen 2009 Peter Marko Brammann (Sänger), sein Bruder Alexander Brammann (»Der Neffe«) sowie Alexander Daniel Hogh für eine ältere Musikproduktion. Die drei sollen 2002 zusammen mit Alexander Bejach als Bandmitglieder von D.S.T. (bzw. den Aliasnamen »X.x.X.« und »Dr. Sommer Team«) die CD »Ave et Victoria« im Ausland produziert haben. Auf dem Cover waren u.a. Hakenkreuze zu sehen. Den Vertrieb der illegalen Produktion übernahmen hierbei Protagonisten des »Hammerskin«-Netzwerkes, namentlich u.a. Steffen P. und Malte Redeker (Gjallarhorn Klangschmiede, siehe AIB 82: »Anklage gegen Berliner Neonaziband ›D.S.T.‹«). Der Berliner Hammerskin Norman Z. sollte bei der Produktion helfen, machte jedoch später Aussagen bei der Polizei. Die CDs waren in Teilmengen abgerufen und weiterverkauft worden. So auch von Bernd B. der 2002 im Neonaziladen »Top One« (später »Hatecrime«) in Guben (Brandenburg) arbeitete. Betrieben wurde dieser vom Vertrauensmann des Verfassungsschutzes Toni Stadler (siehe AIB 57: »Nazischutzgebiete – zwei beispielhafte Biotope. Der »V-Mann-Skandal« in Guben«).

Bernd B. hatte sich an seinen Kameraden und Bundeswehrfreund Sven B. gewandt, um das Album zu bestellen. Beide waren kurz zuvor bei einem D.S.T. Konzert in Frankreich (Straßbourg ) gewesen. Sven B. ging in das Computergeschäft "Roby Rob Shop 2" des D.S.T.-Sängers Peter Brammann, der ihm die CDs Nachhause geliefert hätte. Brammann rief  zunächst bei Steffen P. an und dieser wiederum bei einer dritten Person, welche die Bestellung an Brammann gab. Dummerweise geriet er mit der Ware in eine Verkehrskontrolle. Am selben Tag gab es bei den Beteiligten Hausdurchsuchungen, z.T. lagen bereits Durchsuchungsbeschlüsse vor. Nach der Festnahme von Brammann ging Sven B. trotzdem zu ihm in den Laden und beide wurden festgenommen.

Späte Polizeiaktionen

Am 14. Februar 2007 wurden neben fünf Wohnungen in Berlin, auch der Neonazi-Laden "On the Streets" von Alexander Gast in Hennigsdorf (Brandenburg) sowie die Räume von Philip Schlaffer, eines Produzenten, in Wismar durchsucht. In Wismar stießen die Beamten bei Philip Schlaffer als Zufallsfund auf eine scharfe Pumpgun. In Hessen und Nordrhein-Westfalen waren CD-Presswerke betroffen, dort wurden Geschäftsunterlagen und eine Master-CD gefunden. Auslöser der Razzia war eine bereits Jahre zuvor veröffentlichte CD mit antisemitischen Texten. Die Band veröffentlichte ihre »Antwort aufs System« beim Label »NorthX« von Philip Schlaffer aus Wismar.

Für die grafische Gestaltung der CD »Die Antwort auf’s System« soll den Ermittlungen nach Alexander Willibald Bahls verantwortlich gewesen sein. Philip Schlaffer war demnach für die Organisation der Pressung der CD »Die Antwort auf’s System« bei "WOLF Records Media" (Dillenburg) verantwortlich.

Die Hersteller und Vertreiber dieser CD gerieten jedoch erst relativ spät ins Visier der Ermittler. Den D.S.T. Proberaum fanden die Ermittler offenbar nicht. Gründe gegen die Band vorzugehen gab es spätestens seit der 2001 erschienen CD »Deutsches Volk erwache«, dort heisst es: »Deutsche wehrt euch, stellt den Juden an die Wand!«. Laut Sven B. hatte Peter Brammann ihm einmal eine Promo-CD von »Deutschland erwache« gegeben, der VS sah damals offenbar keinen Grund zum Handeln.1

Die Anfang 2007 produzierte RechtsRock-CD »Gift für die Ohren« verzichtete hingegen auf offenen NS-Bezug. Die CD ist eine Gemeinschaftsproduktion von den RechtsRock-Bands "Burn down" (Potsdam) und "X.x.X. (Berlin). Etwa einen Monat nach den ersten Durchsuchungen wurden erneut drei Wohnungen in Berlin sowie ein »Szeneladen« in Brandenburg durchsucht und die CDs u.a. wegen öffentlicher Aufforderung zu Straftaten beschlagnahmt. Peter Brammann und Alexander Brammann sollen den Ermittlungen nach als X.x.X. Bandmitglieder an der CD mitgewirkt haben. Alexander Gast soll demnach die Firma "Easy Disk Factory GmbH" (Nidderau-Heldenbergen) mit der Produktion der CD beauftragt haben. Ihm wird von Szene-Insidern das Berliner RechtsRock Label "Panzerbär Records" zugerechnet, so das er über die nötigen Kontakte verfügt haben dürfte.
Philip Schlaffer habe die CD im März 2007 im Neonazi-Laden "Streetwear Tostedt" zum Kauf angeboten. Anfang August 2007 durchsuchte die Polizei in Berlin die Wohnung des Berliner Polizeibeamten Andreas Ta., der im Verdacht stand als Layouter an der CD mitgewirkt zu haben. Bei ihm, sowie in der Wohnung seiner Lebensgefährtin, der Berliner NPD-Funktionärin Michaela Zanker, fanden die Beamten Beweismittel. Zanker ist die Witwe von Alexander Scholz, ehemaliges Führungsmitglied der »Heimattreuen Deutsche Jugend«.

Dem Treiben von D.S.T. setzte der Wirbel zunächst kein Ende, und so mussten die Behörden einräumen, dass es im November 2007 einen Auftritt von X.x.X« also D.S.T., »Legion of Thor« (Berlin), »Burn Down« (Potsdam), »Blitzkrieg« (Sachsen) und »Painful Awakening« (Güstrow/Meck. Pomm) in Königs Wusterhausen (lt. Verfassungsschutz) bzw. in Berlin (lt. Neonazi Internetforum thiazi) gegeben hat. Die Band ersetzte in einer leicht veränderten Form der CD das inkriminierte Lied durch ein strafrechtlich nicht relevantes. Im Januar 2008 wurden in fünf Bundesländern im Zuge von Ermittlungen gegen »X.x.X.« und »Burn Down« wegen Liedern, die den nationalsozialistischen Völkermord leugnen, wiederum Wohnungen durchsucht. Verbotene Texte versuchten »X.x.X.« und »Burn Down« durch Auslassungen zu vermeiden, wobei durch die Reime der Sinn deutlich wurde. Zum Beispiel: »Das Kriegsbeil das wir nie begruben ist reserviert für all die ...« Gemeint ist »Juden« an dieser Stelle wird »Juhuhu« gesungen.2

Prozesse

Im Mai 2007 wurde Alexander Willibald Bahls, Schlagzeugers der Berliner Neonazibands »Spreegeschwader« und D.S.T. wegen eines Überfalls im Oktober 2006 auf den Neonazimusikhändler Philip Schlaffer in Wismar (siehe AIB 74: »Neonazi Händler beraubt Neonazi Händler«) zu drei Jahren Haft ohne Bewährung verurteilt. Wegen der Vermarktung von D.S.T.-CDs standen 2008 auch jeweils Bernd B. und Sven B. vor Gericht. Letzterer konnte oder wollte sich während der Verhandlung nicht äußern, bei einem Überfall im Jahr 2002 hätten drei maskierte Männer ihn als Verräter bezeichnet und mit vorgehaltener Pistole vor seiner Wohnung bedroht. Ähnlich schleppend verliefen die Zeugenvernehmungen beim D.S.T.-Prozess: Alexander Bejach meldete sich krank, Bahls machte von seinem Aussageverweigerungsrecht gebrauch und Norman Z. wollte sich an nichts erinnern können.

Er hätte die Aussage nur gemacht, weil ihn die Polizei unter Druck gesetzt hatte. Er sei zwar mit den prozessinvolvierten Neonazis Riccardo A. und Steffen P. befreundet und von 1996 bis 2003 Mitglied der  »Hammerskins« gewesen, heute wolle er aber nicht mehr der rechten Szene angehören. Auch Sven B. will größtenteils alles vergessen haben, Steffen P. erschien erst gar nicht und kündigte sein Schweigen nach §55 StPO (Gefahr der Selbstbelastung) an, ebenso verfuhren die Zeugen Riccardo A. (Gosen/Neu Zittau), René W. (Pirna-Dohma) und der Tontechniker Michael B.. Als Zeugen hätten sie vermutlich zu einer mißlungen früheren D.S.T-Vertriebsaktion befragt werden sollen. Ende April 2002 hatten Berliner Hammerskins ein Paket mit rund 150 illegalen D.S.T. CDs an Rene W. von den Hammerskins aus Sachsen geschickt. Dieses Paket fing das Berliner LKA jedoch ab und durchsuchten mehrere Wohnungen der Hammerskins in Berlin. Betroffen waren u.a. die damaligen Berliner Hammerskins Riccardo A. und Norman Z. Auch Steffen P. soll damals schon von entsprechenden Ermittlungen betroffen gewesen sein. Die Staatsschutzkammer des Landgerichts Berlin verurteilte letztlich nur die Brammann-Brüder zu Freiheitsstrafen von 14 und 10 Monaten auf Bewährung. Die Zugehörigkeit zur Band war bei den restlichen Beschuldigten nicht zweifelsfrei festzustellen.

Im März 2009 verurteilte das Landgericht Berlin Peter Brammann u.a. wegen Volksverhetzung und der Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationenauf der D.S.T.-CD "Ave et Victoria" zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und zwei Monaten auf Bewährung. Alexander Brammann erhielt hierfür zehn Monate auf Bewährung.

Alternde Neonazirocker

Die wenigen Berliner Neonazibands wie D.S.T. und die mit ihr verbundenen Netzwerke können eine Lebensdauer von über zehn Jahren aufweisen. Im Vergleich zur szeneüblichen hohen Fluktuation ist das viel. Das Berliner Musiknetzwerk hat gelernt sich mit staatlichem Verfolgungsdruck zu arrangieren, was aber weniger offen nationalsozialistische Texte und recht familiäre Konzerte im kleinen Rahmen nach sich zog. Die Homezone für diese Subkultur bieten Cliquen einer handvoll lebensälterer Berliner Rechtsrocker wie die »Vandalen- Ariogermanische Kampfgemeinschaft« (Vgl. AIB 65: »Die »Vandalen« – Neonazis mit ›Rocker‹-Habitus«), die Berliner Kameradschaft Spreewacht (KSW) und der  Motorradclub Walhalla 92 Berlin e.V..

Sie betreiben jeweils eigene Clubhäuser in Berlin-Lichtenberg bzw. Hohenschönhausen wo kleinere Auftritte möglich sind. Für größere Konzerte bleibt der Szene das Privatgrundstück des brandenburger DVU-Funktionärs Klaus Mann der sich im Berliner Musiknetzwerk bewegt oder der Besuch bundesweiter Events. Politische und musikalische Ermüdungserscheinungen scheinen mitunter allerdings der Preis des Älterwerdens zu sein. Vom Kampf gegen das System ist bei näherer Betrachtung oft nichts zu sehen, man findet Büroangestellte, Computerhändler oder wie bei Alexander Brammann einen (noch) Lebenszeitbeamter in einem Berliner Bezirksamt. Bedeutsam ist im Neonazi-Musikbuisiness aber weniger die Realität hinter den Bands, sondern der Mythos, der Kult und nicht zuletzt die tausendfach transportierte und reproduzierte menschenverachtende Ideologie.
 

  • 1Noch im März 2002 erklärte der Berliner Innensenator Erhard Körting, die Mitglieder von D.S.T. seien namentlich nicht bekannt. Bei einem von der NPD-Jugend »Junge Nationaldemokraten« veranstaltetes Konzert im Juni 2001 der Bands Legion of Thor und D.S.T. habe es aber polizeiliche Maßnahmen zur Gefahrenabwehr gegeben. Obwohl beide Bands zu dem Zeitpunkt Lieder auf einem Sampler der damals bereits verbotenen Blood & Honour Organisation veröffentlichten hatten, galt hier das Augenmerk möglichen antifaschistischen Protesten.
  • 2Seit Ende Mai 2009 ist eine neue CD der Band X.x.X., erschienen und wird bei dem Label »PC Records«, mit dem Namen »Virus« beworben.