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Die dunklen Schatten des „Robert Koch-Instituts“

Einleitung

Wie fast alle staatlich finanzierten Forschungsinstitute hat auch das heutige „Robert Koch-Institut“ (RKI) eine Geschichte, die eng mit der jeweiligen staatlichen Politik verbunden war. In zwei Zeiträumen -  der Zeit des Kolonialismus und der Zeit des Nationalsozialismus - waren der Namensgeber des Instituts bzw. das gesamte Institut an Verbrechen beteiligt.

Foto: Gasiewicz - USHMM, Gemeinfrei

Claus Schilling (mitte) zum Tode verurteiter Kriegsverbrecher und ehemaliger Leiter der Tropen­medizinischen Abteilung des RKI.

Robert Koch in Afrika

1891 wurde das „Königlich Preußische Institut für Infektionskrankheiten“ in Berlin gegründet. Die Aufgabe: Die Erforschung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten. Der erste Leiter: Robert Koch, Entdecker des Tuberkulose-Erregers und Professor für Hygiene.

1906 reiste der Nobelpreisträger Robert Koch in die Deutschen Kolonien nach Deutsch-Ostafrika, um ein Gegenmittel gegen die sogenannte „Schlafkrankheit“ zu finden. Diese Krankheit bedrohte nicht nur die deutschen Kolonisten, sondern in viel breiterem Ausmaß die dortigen Bewohner – und minderte damit die Arbeitsleistung für die deutschen Besatzer. Gleichzeitig erhoffte man sich auch Rückschlüsse auf die in Europa sehr viel stärker verbreitete Syphilis-Krankheit.

Im Gepäck hatte Koch Heilmittel deutscher Pharmakologen, die auf einen medizinischen und damit auch kommerziellen Durchbruch hofften. Allerdings wurden die Medikamente bislang nur an Tieren getestet. Für Menschenversuche waren die Hürden in Europa dagegen sehr hoch. Die Bewohner des heutigen Tansanias und von Uganda sollten daher die ­Daten für einen großen Freilandversuch liefern, eine Möglichkeit, die im Deutschen Reich in diesem Ausmaß und in dieser Geschwindigkeit nicht möglich gewesen wäre. Die völlige Rechtlosigkeit der Patienten und das Fehlen einer kritischen Öffentlichkeit ermöglichte es dem Kolonialsystem Experimente durchzuführen, die in Deutschland undenkbar gewesen wären.

Täglich wurden ca. 1000 Personen behandelt – teils freiwillig, teils mit Druck. In keinem Fall wurden sie umfänglich über mögliche Risiken und Nebenwirkungen aufgeklärt. Besonders häufig wurde mit Atoxyl behandelt - einem arsenhaltigen Präparat, das starke Nebenwirkungen zeigte: Übelkeit, Schwindelgefühle, teilweise dauerhafte Sehstörungen. Jeder 10. Patient starb. Koch erhöhte trotz dieser auftretenden Nebenwirkungen sogar noch die Dosis, in der Hoffnung die Krankheit dauerhaft besiegen zu können und schneller eindeutige Ergebnissen erzielen zu können.

Obwohl Koch die Behandlung und die Ergebnisse als Erfolg darstellte, blieb Atoxyl im Kampf gegen die Schlafkrankheit völlig wertlos. Erst einige Jahre später wurde ein wirksames Mittel gefunden. 1911 untersagte das Reichskolonialamt weitere Medikamenten-Versuche in den Kolonien.

Das „Robert Koch-Institut“ im Nationalsozialismus

Während des Nationalsozialismus profitierte das RKI von der nationalsozialistischen Politik und nutzte entsprechende Spielräume ebenfalls für Menschenversuche, etwa an Inhaftierten in Konzentrationslagern. Besonders berüchtigt war die Suche nach einem Impfstoff gegen Malaria. Bei Menschenversuche, die im Konzentrationslager Dachau durchgeführt wurden starben etwa 300-400 der Gefangenen. Fleckfieberversuche wurden im KZ Buchenwald durchgeführt – davon ebenfalls mehrere mit tödlichem, viele mit sehr schwerem Ausgang. Im Sicherungslager Schirmeck sowie im KZ Natzweiler wurden ebenfalls Fleckfieber und Gelbfieberimpfstoffe an Gefangenen getestet.Selbst für die Erforschung und Behandlung von Karies wurden dem RKI Häftlinge zur Verfügung gestellt – letztendlich ohne jedes medizinisch brauchbares Ergebnis.

Die hohe Motivation der RKI-Mitarbeitenden, sich an den NS-Verbrechen zu beteiligen hat unterschiedliche Ursachen. Einmal ist diese mit der grundsätzlichen Einstellung der Mediziner im NS erklärbar. 1937 gehörten 45 Prozent der Ärzte der NSDAP an und in der SS waren sie siebenmal so häufig vertreten wie ihr Anteil an der Gesamtbevölkerung ausmachte. Die Übereinstimmung mit den Zielen des NS war also im Berufsstand vergleichsweise hoch.

Hinzu kam als Besonderheit des RKI, dass die Besetzung wichtiger Abteilungen, wie z.B. des Tropeninstituts, ab 1933 mit überzeugten Nationalsozialisten erfolgte, von denen einige bereits als Freikorps-Kämpfer gegen die organisierte Arbeiterbewegung vorgegangen waren und Schulungen für den Nationalsozialistischen Ärztebund abhielten. Jüdische Mitarbeiter*innen wurden drangsaliert und entlassen. D.h. die Ideologie des „Volkskörpers“, der durch die Mediziner vor Schädlingen geschützt werden sollte war ausgeprägter und es war selbstverständlich gerechtfertigt, „minderwertiges“ Leben zu opfern, um „höherwertiges“ Leben zu erhalten.

Auf institutioneller Ebene stand das RKI in Konkurrenz mit anderen Institutionen des „Dritten Reichs“, etwa dem Hygiene-­Institut der Waffen-SS, die man um ihren besseren Zugang zu Menschenversuchen beneidete. Die Institutsleitung handelte nicht unter Zwang, sondern nutzte selbstbewusst und ehrgeizig die Chancen und Spielräume, die der NS-Staat ihnen bot, um u.a. auch mit Menschenversuchen Forschungsergebnisse zu erzielen, die dem „Dritten Reich“ das Überleben ermöglichen sollten – z.B. in der Erforschung von Malaria, welche für die militärische Expansion der Wehrmacht von Bedeutung war.

1942 wurde das „Preußische Institut für Infektionskrankheiten – Robert Koch“ in „Robert Koch-Institut“ umbenannt.

Ein ganz normales Institut

Die Menschenversuche waren schon 1945 bekannt und führende Mitarbeiter des RKI wurden im Nürnberger Ärzteprozess 1947 von einem amerikanischen Militärgerichtshof zur Rechenschaft gezogen. Die hohen Strafen wurden aber bereits in den 1950er Jahren abgemildert und die Täter teilweise bereits nach wenigen Jahren wieder aus der Haft entlassen. Sie konnten in Westdeutschland an Forschungsinstituten weiterarbeiten und erhielten für ihre Arbeit Unterstützung durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG).

Der nach dem Krieg wegen Kriegsverbrechen zum Tod verurteilte Claus Schilling, Leiter der Tropenmedizinischen Abteilung des RKI, wurde noch 1966 in einer Festschrift zum 75. Jahrestag des RKI kommentarlos als ehemaliges Institutsmitglied aufgezählt, welches „gefallen oder durch Gewalt“ gestorben sei. Während seine Forschungen ausführlich beschrieben wurden, fanden die Malariaversuche, wegen denen er hingerichtet worden war, mit keiner Silbe Erwähnung.

Noch zum hundertjährigen Jubiläum des RKI 1991 wurde in der Festschrift die Zeit des NS mit nur wenigen Zeilen abgehandelt. Das Ausmaß der Kollaboration des RKI mit dem NS wurde letztendlich erst durch eine vom Institut selbst im Jahr 2006 angestoßene Forschungsarbeit von Annette Hinz-Wessels aufgearbeitet.

Literaturhinweise:

- Manuela Bauche: Robert Koch, die Schlafkrankheit und Menschenexperimente im kolonialen Ostafrika. Auf: www.freiburg-postkolonial.de/Seiten/robertkoch.htm
- Marion Hulverscheidt und Anja Laukötter (Hrsg.): Infektion und Institution. Zur Wissenschaftsgeschichte des Robert-Koch-Instituts im Nationalsozialismus (2009).
- Annette Hinz-Wessels: Das Robert Koch-Institut im Nationalsozialismus (2008).