Skip to main content

Die Hooligans gegen Salafisten sind mehr als nur Ausdruck eines antiislamischen Rassismus

Markus Ragusch und Michael Weiss
Einleitung

Als am 26. Oktober 2014 über 4.000 Personen einem Aufruf der Hooligans gegen Salafisten (HoGeSa) nach Köln folgten, mit rassistischen Parolen durch die Straßen zogen und medial wirksame Krawalle anzettelten, war die öffentliche Überraschung groß.

Hannover, 15. November 2014: Das Verständnis der „Ordnungsmacht“ ist bei HoGeSa nicht nur aufgesetzt. (c) apabiz

Kampf für die »alten Werte«

Mit HoGeSa entstand ein neues Label für rassistische Mobilisierungen in Deutschland. Doch der »Kampf gegen den Salafismus« ist nur ein Teilbereich in einem geschlossenen reaktionären Weltbild. Die Inszenierung von Männlichkeit ist ein zentraler Aspekt.
Das Antifaschistische Infoblatt schrieb bereits im Frühjahr 2014 über die Vorläuferstruktur der HoGeSa, die zwischen Februar und April über das Facebook-Forum »Weil Deutsche sich‘s noch trau‘n« gegen öffentliche Auftritte des Salafisten Pierre Vogel mobilisierte: »Der absolute Großteil gehört der Generation Ü30 an, Dutzende sind jenseits der 40. Viele haben eine Vergangenheit als neonazistische Skinheads. Doch sie wurden älter, gründeten Familien und zogen sich mehr und mehr aus dem zurück, was allgemein als ›aktive Neonaziszene‹ verstanden wird. Somit verschwanden sie fast alle aus dem Fokus antifaschistischer Beobachtung und aus polizeilichen Rechtsextremismus-Karteien. In den Stadien blieben sie als ›die Rechten aus der Kurve‹ freilich präsent. […] Diese ›Alten‹ verstehen die Stadien oder zumindest ›ihre‹ Kurven seit jeher als Refugien einer urdeutschen, reaktionären Männerwelt. Sie wähnen sich quasi unter Artenschutz. Doch ›ihr‹ Schutzraum scheint bedroht: Nicht nur durch Verordnungen, ausschließlich alkoholfreies Bier auszuschenken, sondern vor allem auch durch Aktionstage gegen Homophobie, durch Kampagnen gegen Rassismus oder durch Frauen, die in ›ihrer‹ Männerbastion gleichberechtigt mitwirken wollen.«. Sie erweiterten ihre Territoriumsansprüche: Nicht nur die Stadionkurven werden als Herrschaftsgebiete reklamiert, sondern die Stadtteile, die Städte, das ganze Land. Die Blaupausen für das, was kommen sollte, lieferten Angriffe englischer Hooligans und Aktivisten der English Defence League (EDL) auf Versammlungen von »Islamisten« in englischen Städten. So wollte man es nun in Deutschland auch machen. Initiativ zur Gründung von HoGeSa wirkten Hooligans aus dem Kreis der GnuHonnters. Die Gruppe, deren Name von »New Hunters« (»Neue Jäger«) abgeleitet ist, entstand 2012 und sammelt mehrere hundert Hooligans aus ganz Deutschland. Ihr Credo fassten sie in einer Art Gründungserklärung zusammen: »Herstellung alter Werte, keine Antifa im Stadion und Meinungsfreiheit zurückgewinnen.«

Sammelbecken reaktionärer Männerwelt

HoGeSa erhält Zulauf vornehmlich aus Fußball-, Rocker- und Kampfsportszenen und vereint seine Anhänger in einem Männerbund, der seine (selbstdefinierte) Vorherrschaft zu behaupten versucht. Unter der Chiffre HoGeSa formiert sich die Verteidigung bzw. Wiederherstellung dessen, was Ihre Anhänger als »natürliche«, unveränderbare gesellschaftliche Ordnung begreifen. In den Diskussionen von HoGeSa und deren Vorläufern spannt sich der Bogen von der angeblichen Bedrohung deutscher Familien durch Salafisten zu apokalyptischen Visionen vom Untergang des Volkes, zu lupenreinem Rassismus und Sozialdarwinismus und zur Hetze gegen »Gutmenschen«, Linke und alle Lebensentwürfe, die als abweichend bezeichnet werden. Zentral steht das Verständnis des Mannes als Beschützer von Volk und Familie. Frauen, die als Gegnerinnen ausgemacht werden, sind Zielscheibe nicht zitierfähiger Gewalt- und Vergewaltigungsfantasien.
Drei Wochen nach Köln stand für den 15. November der nächste große HoGeSa-Auftritt in Hannover an. Die 3.000 Teilnehmenden wurden in einem abgesperrten Bereich hinter dem Hauptbahnhof von einem großen Polizeiaufgebot in Schach gehalten. Etliche, die sich noch in Köln exponiert hatten, traten die Reise nach Hannover gar nicht an, da es dort wenig Aussicht auf Randale gab. Neben neonazistischen Kameradschaften, AnhängerInnen der Identitären Bewegung (IB) und der Partei Die Rechte, die von Anfang an im HoGeSa-Spektrum präsent waren, traten in Hannover auch Delegationen des rechten Blogs PI-News und der Partei Die Freiheit auf.

Eine Rednerin in Hannover war Heidemarie Mund aus Frankfurt am Main. Die Betreiberin eines Bildungsberatung-Unternehmens kommt aus dem Spektrum der rechtspopulistischen Freien Wähler Frankfurt (FWF) und ist als Mitorganisatorin des alljährlich in Frankfurt stattfindenden »Jesusmarsches« im christlich-fundamentalistischen Spektrum verortet. Sie verbindet mit den rechten Straßenschlägern nicht nur der Kampf ums Abendland, sondern die Inszenierung des Männlichen. Sie sprach: »Ich bin stolz auf deutsche Männer, die endlich einen Arsch in der Hose haben und unser Land bewahren wollen […] Ich glaube, es ist genau das Richtige, wo eure Kraft gebündelt werden kann für unser Land, für Deutschland. Es ist unser Land, es ist das Land unserer Kinder, unserer Enkel.« Begleitet wurden diese Sätze von großem Applaus und »Ahu«-Sprechchören. Die Sprechchöre sind dem amerikanischen Kinofilm »300« aus dem Jahr 2007 entlehnt, der die Geschichte der »Schlacht bei den Thermopylen« um 480 v. Chr. erzählt, als sich 300 Krieger aus Sparta einem vielfach überlegenen persischen Heer zum Kampf gestellt haben sollen. Der Schlachtruf der Krieger Spartas ist »Ahu«. Der Kinohit bedient den Mythos des Kampfes für Volk und Heimat gegen die Fremden aus dem Morgenland und fast jedes Klischee soldatischer und archaischer Männlichkeit – Furchtlosigkeit, Opferbereitschaft, Heroismus, die Verachtung der »Schwachen«, die Ästhetisierung von Kampf und Körpern. Der Film wurde in deutschen Neonaziszenen überaus positiv aufgenommen und dient der Identitären Bewegung als historischer Bezugspunkt.

Schutzmacht des Sarrazinismus

HoGeSa ist ein eigenständiges, doch kein isoliertes Phänomen. Das Selbstbewusstsein der rechten Hooligans wuchs im Sog zunehmender gesellschaftlicher Polarisierung. Thilo Sarrazin, der auch im Spektrum von HoGeSa als Tabubrecher gefeiert wird, veröffentlichte 2010 sein Buch »Deutschland schafft sich ab« und legte Anfang 2014 den nächsten Bestseller »Der neue Tugendterror« nach, in dem er über eine linke Meinungshoheit in den Medien fabuliert. 2013 stand die Deutschrock-Band Frei.Wild mit Liedern gegen »Gutmenschen und Moralapostel« an der Spitze der Musikcharts. Frei.Wild wies noch im Frühjahr 2014 unter den Teilnehmenden des HoGeSa-Vorläuferforums »Weil Deutsche sich‘s noch trau‘n« höhere Popularitätswerte auf als die extrem rechte Hooliganband Kategorie C – Hungrige Wölfe, die im Oktober einen eigenen HoGeSa-Soundtrack herausbrachte. Im Frühjahr 2014 formierten sich in Stuttgart bis zu 1.500 Personen – von christlichen Gruppen bis zu neonazistischen Kameradschaften – unter dem Motto »Kein Bildungsplan unter der Ideologie des Regenbogens« zu Protestdemonstrationen gegen den von der Landesregierung vorgestellten »Bildungsplan 2015«. In diesem war vorgesehen, die »Akzeptanz sexueller Vielfalt« in der schulischen Bildung zu stärken. Die GegnerInnen sahen darin eine »Überbetonung einzelner Gruppen und ihrer Interessen« und einen Verrat an den traditionellen Werten von Ehe und Familie.

Dann ging es Schlag auf Schlag: Wahlerfolge der Alternative für Deutschland (AfD), die Sozialchauvinismus zum politischen Programm erhoben hat; Zunehmende Mobilisierungen gegen Flüchtlingsheime, die in der Regel von offenen rassistischen Ressentiments und der Wortführerschaft von Neonazis begleitet sind; Aufmärsche der Patriotischen Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes (PEGIDA) in Dresden, die bis Anfang Dezember auf über 7.500 Teilnehmende wuchsen und impulsgebend wirken für BaGiDa (aus Bayern) KaGiDa (aus Kassel) oder LeGiDa (aus Leipzig).
Konstitutiv für diese Formierungen ist die Kombination von Größenwahn und Verfolgungswahn und das Selbstbild der ganz normalen, ehrlichen und produktiven Menschen, die keine Abweichungen und »Allüren« hätten und dennoch gegenüber denen, die als gesellschaftliche »Minderheiten« markiert werden, stets benachteiligt würden. Dieses Verständnis verbindet HoGeSa, PEGIDA, »Bürgerbewegungen« gegen Flüchtlingsunterkünfte, christliche FundamentalistInnen, Neonazis und all die »echten Männer« mit ihren »alten Werten«. Es sind fast ausnahmslos VertreterInnen der weißen deutschen Mehrheitsgesellschaft, die dies nun aggressiv auf die Straßen tragen.
Auf Seiten des bürgerlichen rechtspopulistischen Spektrums finden sich nur spärlich Distanzierungen von HoGeSa. Die Krawalle in Köln gelten als aufgebauscht, HoGeSa als Opfer »linker Medienhetze«. Etliche
begannen, die rechten Hooligans zu umgarnen. Fast scheint es, als sei man darauf stolz, endlich eine schlagkräftige Truppe in den eigenen Reihen zu haben.
Das Selbstverständnis als »Schutzmacht«, das in vielen HoGeSa-Statements betont wird, hat einen realen Hintergrund. Viele Hooligangruppen erfahren in »ihren« Fussballvereinen, bzw. in deren Anhängerschaft, Akzeptanz als Schutzgruppen, die bei Konflikten anderen Fans beistehen. Viele HoGeSa-Anhänger_innen arbeiten, das zeigen deren Facebook-Profile, in Sicherheitsunternehmen. Wer auf dem Stadtfest oder gar im Stadionsicherheitsdienst uniformiert für Ordnung sorgt, erlebt sich als geachtete Autorität.

Wie weiter mit HoGeSa?

War nach der Mobilisierung nach Köln und den dort stattgefundenen Krawallen die Euphorie groß, so ebbte diese nach Hannover ab. Die Erlebniswelt als Masse ist fürs Erste an ihre Grenzen gestoßen. Derweil verabreden sich HoGeSa-Anhänger_innen in internen Foren zu Stammtischen, lokale und nicht angemeldete Aktionen – auch gezielt gegen Linke – werden diskutiert. Vor allem wird HoGeSa zur Mobilierungsplattform für PEGIDA-Demonstrationen, für Aktionen des deutschen EDL-Ablegers German Defence League und für die rassistischen Aufmärsche gegen Flüchtlingsheime. Das Label HoGeSa hat Streuwirkung. Es formieren sich Saarländer gegen Salafisten (SaGeSa), für Anfang 2015 ist eine CD Musik gegen Salafisten (MuGeSa) angekündigt und neonazistische Angriffe auf sorbische Jugendliche in der Lausitz nahmen ab dem Sommer sprunghaft zu, begleitet von Graffitis HoGeSo (Hooligans gegen Sorben). Selbst wenn HoGeSa als eigenständige Struktur versanden sollte – die Schlachtrufe »Ho-Ge-Sa« und »Ahu« werden bis auf Weiteres bleiben.

[Dieser Artikel erschien zuerst in monitor #67.]