Skip to main content

Die Jugendarbeit des „Der III. Weg“

Johannes Hartl
Einleitung

In ihrer Hochburg Plauen tritt die Neonazi-Partei „Der III. Weg“ offensiv mit Kampagnen in Erscheinung, die speziell an Kinder und Jugendliche gerichtet sind. Offiziell präsentieren die Neonazis das als soziales Angebot, tatsächlich aber dürfte die Ideologievermittlung im Hintergrund immer präsent sein.

Bild: Screenshot von WDR

Sportangebote und „Selbstverteidigungskurse“ für Kinder der parteiinternen „Arbeitsgruppe Körper & Geist“ des „Der III Weg“.

Fast könnte man das, was sich da am 3. August 2019 im sächsischen Vogtland abgespielt hat, für einen harmlosen Ausflug halten. Ein Video zeigt eine Personengruppe, bestehend aus Erwachsenen, Kindern und Jugendlichen, die durchs Grüne wandert. Während der Tour lernten die Jüngsten unter den Teilnehmenden verschiedene Techniken, übten das Feuermachen und den Aufbau von Zelten. Später ließen sie den Tag beim gemeinsamen Kochen gemütlich ausklingen. Es sollte unscheinbar und harmlos wirken, fast so, als wäre es der Ausflug einer normalen Jugendgruppe.
Tatsächlich aber handelte es sich um einen sogenannten „Jugendtag“, organisiert von der militanten Neonazi-Partei „Der III. Weg“. Deren AktivistInnen haben das Material am 14./15. August selbst im Internet veröffentlicht, um sich so als Kümmerer zu inszenieren, als die angeblich einzige politische Kraft, die sich überhaupt noch für die Belange von jungen Menschen einsetzt. Diese Entwicklung kommt nicht von ungefähr; sie reiht sich ein in eine größere politische Kampagne, mit der offenbar gezielt Kinder und Jugendliche für die neonazistische Partei angesprochen werden sollen.

Schon am 15. Januar 2018 hatte der Nürnberger Neonazi Kai-Andreas Zimmer­mann, damals noch Leiter des „Gebietsverbandes Süd“, über eine eigene Jugendarbeit spekuliert. Im parteieigenen Podcast „Revolution auf Sendung“ erklärte Zimmermann, befragt nach eigenen bündischen Elementen in der Parteiarbeit und einer eigenen Jugendorganisation, dass dies eigentlich „durch unsere Weltanschauung (…) vorgegeben“ sei. Auf lange Sicht solle in diesem Bereich etwas Eigenes entstehen, sofern denn die „entsprechenden personellen Voraussetzungen gegeben sind“.
Was einst noch vage Gedankenspiele waren, ist zwischenzeitlich längst in die Realität umgesetzt worden: Aktuell betreibt „Der III. Weg“ ein breit gefächertes Angebot, adressiert an verschiedene Alters­gruppen und orientiert an verschiedenen Bedürfnissen. Der „Jugendtag“ ist da nur die Spitze des Eisbergs, es gibt auch eine regelmäßige Hausaufgabenbetreuung, Geschenkaktionen für Kinder, eine Schul­tütenausgabe oder Jugendtreffen. Sogar eigene „Selbstverteidigungskurse“ bietet die Partei an, bei denen Kinder und Jugendliche von Neonazis trainiert werden. Auf Fotos im Internet sind die Kinder zu sehen, wie sie verschiedene Techniken einüben und ausprobieren, gekleidet in einheitlich beigen T-Shirts der parteiinternen „Arbeitsgruppe Körper & Geist“.

Dabei ist diese parteiinterne Gruppierung längst nicht die einzige, die sich um junge Menschen bemüht. Auch eine eigene „Arbeitsgruppe Jugend“ des „Gebietsverbands Mitte“ wurde am 2. Februar 2019 ins Leben gerufen, als die Neonazis in den Plauener Räumlichkeiten ein sogenanntes Jugendtreffen veranstalteten. Ein im Internet veröffentlichter Flyer benennt verschiedene Aktivitäten, welche von dem Zusammenschluss ausgehen sollen – darunter Ausflüge, Nachhilfe, Sport, Spiel und Spaß. Zudem werden „Gemeinschaft“ und „Zusammenhalt“ als Schlagworte benannt, überschrieben ist beides mit dem Motto „Jugend voran“. In der offiziellen Lesart präsentiert „Der III. Weg“ die Arbeit mit Kinder und Jugendlichen gerne als soziales Angebot. Auf der Internetseite ist von einer Jugend ohne Perspektive die Rede, von verfallenen Spielplätzen und geschlossenen Jugendzentren, von einer Jugend, die massenweise der Drogensucht anheimfalle. Wo der Staat (vermeintlich oder tatsächlich) versagt, da springen die Neonazis ein – so lautet der allgemeine und regelmäßig bemühte Tenor.

Freilich ist dieser Habitus nicht mehr als eine Inszenierung. „Der III. Weg“ selbst macht kaum einen Hehl daraus, welches Ziel sich tatsächlich hinter diesen Angeboten verbirgt. Kurz nach dem „Jugendtag“ im Vogtland, als die Parteikader mit Kindern durchs Grüne wanderten, veröffentlichten die Neonazis am 28. August auf ihrer Webseite ein Videointerview. Es sollte die „Arbeitsgruppe Jugend“ der Öffentlichkeit vorstellen. Der vorbestrafte Führungskader Tony Gentsch interviewt darin Max-Joseph Matthieß, einen 20-jährigen Thüringer Neonazi, der selbst in der AG aktiv ist.
Pro forma wird in dem Video zwar das übliche Mantra wiederholt, dass Politik nicht im Vordergrund der Angebote stehe. Doch an anderer Stelle wird Matthieß deutlich: „Die Jugendarbeit ist immens wichtig. Denn wenn man einmal schaut, wer so auf Kundgebungen oder Demonstrationen von uns gegenüber steht, dann sieht man ja doch, dass das häufig sehr, sehr junge Menschen sind, die sehr geblendet sind von diesem System, von dieser Erziehung, die sie seit über 70 Jahren genießen.“ Es bleibe der Partei gar nichts anderes übrig, als die Jugend einzubinden, folgert der Neonazi. „Denn jede Bewegung, die etwas erreichen will – dies beruht auf der Jugend. Denn die Jugend ist der Teil eines Volkes, und die muss immer voran gehen.“

Für den „Der III. Weg“ reiht sich das nahtlos in sein politisches Gesamtkonzept ein; es ist Bestandteil eben jener Strategie, mit der der (erhoffte) gesellschaftliche Umsturz realisiert werden soll. Das Ziel ist eine „völkische Wiedergeburt unserer Nation“, wie es beispielsweise die „Arbeitsgruppe Körper & Geist“ großspurig formulierte. Darauf arbeitet die Neonazi-Partei, bei deren Programmatik selbst die Sicherheitsbehörden klare Schnittmengen zu jener der NSDAP erkennen, mit einem sogenannten „Drei-Säulen-Konzept“ hin. Es gliedert sich auf in den politischen Kampf, den kulturellen Kampf sowie in den Kampf um die Gemeinschaft.

Ein Großteil dieser Angebote, die für Kinder und Jugendliche organisiert werden, konzentriert sich bislang auf das sächsische Plauen. Als Hochburg der militanten Neonazis hat die Stadt im Vogtland eine Sonderstellung – vor allem wegen der Immobilien, über die „Der III. Weg“ dort verfügt. Diese bieten einerseits einen sicheren Rückzugsraum für die Aktivisten, andererseits liefern sie die nötige Infrastruktur, ohne die jedenfalls einige der Angebote kaum durchgeführt werden könnten.

Doch auch ins benachbarte Thüringen wurden die Aktivitäten zuletzt bereits ausgedehnt. Den dortigen Neonazis um Wolodja Wanjukow gelang ein kleiner PR-Coup, als sie im Juni drei Kinder zum deutschen Sportabzeichen nach Erfurt schicken konnten, gekleidet wiederum in den einheitlichen Partei-T-Shirts. Ähnlich wie in Plauen verfügt „Der III. Weg“ im Ortsteil Herrenberg der thüringischen Landeshauptstadt Erfurt über eine eigene Immobilie, wo nach Einschätzung von Beobachtern auch Kinder und Jugendliche an den sogenannten Selbstverteidigungskursen teilnehmen können.
Wieviele Kinder und Jugendliche es tatsächlich sind, die in Plauen wie in Erfurt die entsprechenden Angebote nutzen, lässt sich nur schwer beurteilen. Außer den neonazistischen Veröffentlichungen gibt es kaum unabhängige Quellen, anhand derer sich eine realistische Einschätzung treffen lässt. Klar ist aber: Die Selbstdarstellung des „Der III. Weg“ als unverfängliches soziales Angebot für die breite – das heißt: deutsche – Bevölkerung muss kritisch hinterfragt und angemessen eingeordnet werden.

„Der III. Weg“ ist seit jeher als elitäre Kaderpartei organisiert, auch in bewusster Abgrenzung zu anderen Parteien der extremen Rechten. Es war nie das primäre Ziel der Neonazis, ihre Mitgliederzahlen beliebig zu steigern. Im Gegenteil: Die Partei will ein geschlossener Zirkel bleiben, der nur Mitglieder aufnimmt, die ihnen würdig erscheinen. Dass die Kinder- und Jugendarbeit das Ziel verfolgt, in größerem Stil neue Mitglieder zu rekrutieren, erscheint daher eher fraglich. Wahrscheinlicher ist, dass diese Kampagne nicht zuletzt einem internen Ziel dient. In der Anfangszeit, als die ersten „Selbstverteidigungskurse“ für Kinder angeboten wurden, gaben die Neonazis selbst zumindest einen Hinweis in diese Richtung. Es würden sich „immer mehr Familien und alleinerziehende Elternteile in unseren Reihen engagieren“, hieß es am 5. März 2018 auf der Partei-Webseite, folglich würden „enorm viele Kinder in unserem Umfeld heran wachsen“. Die Angebote dürften insoweit mehr eine ideologie- und identitätsstiftende Wirkung nach innen entfalten und könnten nicht zuletzt einen Versuch darstellen, für die Kinder neonazistischer Eltern ein Angebot zu schaffen, um diese sukzessive an die Strukturen heranzuführen.