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Die juristische Auseinandersetzung um »Thor Steinar«. Ziel antifaschistischer Intervention?

Ladenschluss-Aktionsbündnis (Gastbeitrag)
Einleitung

»Kostenlose Werbung für Thor Steinar«, »staatsbejahendes, paternalistisches Obrigkeitsdenken«, »rassistische, antisemitische und neonazistische Einstellungen sind das Problem, nicht Thor Steinar« – so die Kritik der Kritik an der Modemarke »Thor Steinar« im Heft »Investigate Thor Steinar«. Diskussionen, ob und wie eine Auseinandersetzung mit der Modemarke stattzufinden hat, und ob überhaupt, gibt es viele. Wir beschreiben die juristische Auseinandersetzung um die »Thor-Steinar«-Filialen, um zu zeigen, dass antifaschistische und zivilgesellschaftliche Intervention in dieser Hinsicht durchaus erfolgreich sein kann; wohl wissend, dass mensch sich auf diesem »Erfolg« nicht ausruhen darf.

Das »Narvik« in Magdeburg

Mitten in der Magdeburger Innenstadt, in einem Gebäudekomplex mit dem Namen »Grüne Zitadelle«, welches der jüdische Architekt Friedensreich Hundertwasser erbauen ließ, eröffnete am 27. Mai 2007 das Kleidungsgeschäft »Narvik«. Dabei handelte es sich um eine Filiale der Mediatex GmbH, diese vertreibt bundesweit die Marke »Thor Steinar«. Eigentümer des »Hundertwasserhauses« ist die Centrum Aqua Immobilien (C.A.I.) GmbH & Co. Kg, welche in Trägerschaft des katholischen Siedlungswerks St. Gertrud steht. Im Vorfeld der Eröffnung kam es zu einem Mietvertragsabschluss zwischen Mediatex GmbH und Hauseigentümer.

Zivilgesellschaftliche und antifaschistische Proteste machten schließlich darauf aufmerksam, wer hier wirklich sein Unwesen trieb. Besonders der krasse Gegensatz zwischen dem »Hundertwasserhaus« und dem zukünftigen »Thor Steinar« Laden sowie dessen Kundschaft standen im Fokus von Öffentlichkeit und Medien. Kurz darauf entschloss sich der Eigentümer, den Betreibern des »Narvik« zu kündigen, der Mediatex-Geschäftsmann Uwe Meusel aus Niederlehme legte jedoch Widerspruch ein. Es folgte ein siebenmonatiger Rechtssteit vor der Zivilkammer des Landgerichts Magdeburg.

In der Klage geht es konkret um den Tatbestand der »arglistigen Täuschung« nach §123 Abs.1 BGB. Demnach kann ein Mietvertrag zwischen zwei Parteien angefochten werden, wenn über den Inhalt, in diesem Fall der Verkauf der Marke »Thor Steinar«, keine oder nur unzureichende Angaben gemacht worden. Die C.A.I GmbH & Co. Kg sei lediglich über ein »Sortiment« bestehend aus »einer Winter und Frühjahrskollektion« informiert wurden, der Name »Thor Steinar« tauchte in dem Vertragswerk nicht auf. Mit der Entscheidung der 5. Zivilkammer des Landgerichts Magdeburg wird dieser Klage statt gegeben. Demnach ist es die Pflicht des Mieters, dem Vermieter genaue Informationen über das Sortiment zukommen zu lassen.

In der Argumentation beziehen sich die Richter vor allem auf das Image und Wirken der Marke in der Öffentlichkeit. So sei es unbestritten, dass es sich bei »Thor Steinar« um eine in der Öffentlichkeit viel diskutierte Marke handelt. Publikationen, öffentliche Proteste und nicht zuletzt der Rechtsstreit um das alte Logo der Marke, in welchem das Landgericht Neuruppin mit seiner Entscheidung vom 17. November den Tatbestand des §86a I Nr. 1 II (Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen) verwirklicht sah, machen dies deutlich.

Gleichwohl dieses Urteil inzwischen wieder aufgehoben ist, bestehe dessen Wirkung in der Öffentlichkeit weiter fort. Das Landgericht Magdeburg sah dies auch daher bestätigt, weil »Thor Steinar« eine Internetseite betreibe, welche sich mit der Verteidigung der Marke beschäftigen würde. Dem Beklagten war also klar welche Wirkung und welche Konsequenzen sein Unterfangen für den Vermieter und dessen Geschäftstätigkeit haben würde. Nach weiteren Aussagen der Richter handelt es sich bei »Thor Steinar« um eine in der Öffentlichkeit »durch die nationalsozialistische Ideologie belastet angesehene Marke«. Der Schaden, welcher dem Hauseigentümer entstehen könnte, etwa durch die Minderung der Attraktivität des Gebäudekomplexes oder Schadensersatzerforderungen anderer Gewerbetreibender seien zudem ausreichende Gründe, genaue Informationen über das Sortiment zu erfahren.     

Im Ergebnis heißt es also, dass der Beklagte dem Kläger in jedem Fall hätte Auskunft erteilen müssen. Zeugenaussagen haben weiterhin bestätigt, dass der Hauseigentümer keinesfalls einen Mietvertrag eingegangen wäre, hätte ihm eine wahrheitsgemäße Beschreibung des Warensortiments vorgelegen. Gegen diese Entscheidung legte Meusel Berufung vor dem Oberlandesgericht (OLG) Naumburg ein. Genützt hat es jedoch nichts, mit dem Urteil des OLG vom 28. Oktober 2008 wurde die Entscheidung des Landgerichts Magdeburg erneuert. Allerdings geht »Thor Steinar« nun den Rechtsweg der Revision, sprich die Mediatex GmbH strebt eine Neuverhandlung vorm Bundesgerichtshof, der höchsten Instanz in diesem Fall, an, um zu verhindern, dass sie ihren Laden räumen müssen.

Leipzig: »Tönsberg« 

In Leipzig eröffnete am 22. September 2007, zwei Monate nach der Eröffnung des »Narvik«, die »Thor Steinar«-Filiale »Tönsberg« in dem frisch restaurierten »Haus zur Goldenen Kugel« in der Richard-Wagner-Strasse. Bereits zwei Tage vor Eröffnung fand die erste antifaschistische Demonstration gegen die Ladeneröffnung statt. In den folgenden Wochen fomierte sich massiver Protest, der unter anderem in einer Demonstration mit 2000 TeilnehmerInnen und einer vom Bündnis »Ladenschluss« herausgeforderten Stellungnahme des Leipziger Oberbürgermeisters gipfelte. Im Dezember wurde bekannt, dass die Vermieterin des Ladenlokals, die Immovaria Beteiligung AG, nach einem gescheiterten Versuch der gütlichen Einigung Räumungsklage eingelegt hatte.

Der erste Verhandlungstermin ließ auf sich warten und wurde kurzerhand einen weiteren Monat, vom 5. Juni 2008 auf den 3. Juli 2008 verlegt. Die im Ergebnis für den 28. August 2008 festgelegte Urteilsverkündung entfiel aufgrund »neuer Beweise«. Die Vermieterin müsse beweisen, dass sie nicht an Mediatex vermietet hätte, hätte sie über das Sortiment Bescheid gewusst. Nach einem weiteren Verhandlungstermin wurde am 13. November 2008 endlich das Urteil gesprochen: »Thor Steinar« muss das Ladengeschäft an die Vermieterin herausgeben. Wie in Magdeburg beruft sich die 1. Zivilkammer des Landgerichtes Leipzig darauf, dass »der Beklagte die Vermieterin bei Anbahnung des Mietvertrages durch unzutreffende Angaben über die beabsichtigte Geschäftstätigkeit (Verkauf von in der Öffentlichkeit polarisierenden und kontrovers diskutierten Produkten der Marke ›Thor Steinar‹) arglistig getäuscht« habe. Auch in Leipzig steht Mediatex der Gang vor das Oberlandesgericht offen. Einen Monat Zeit hat Meusel dafür.

Berlin: »Tönsberg« und »Doorbreaker«

Nachdem im August 2007 der Mietvertrag zwischen der weiteren »Thor Steinar«-Vertriebsfirma Protex GmbH und der Wohnungsbaugesellschaft Berlin-Mitte ausgelaufen war, existieren in Berlin derzeit zwei »Thor-Steinar«-Filialen: das »Tönsberg« in der Rosa-Luxemburg-Strasse und der »Doorbreaker« im Ringcenter in der Frankfurter Allee. Das »Tönsberg« ereilt jedoch dasselbe Schicksal wie die anderen Filialen gleichen Namens: am 14. Oktober 2008 sprach das Berliner Landgericht den Mieter, in diesem Fall die Protex GmbH, schuldig, die Impala Immobilien GmbH »arglistig getäuscht« zu haben; das Geschäft muß demnach geräumt werden. Ähnlich wie in Magdeburg und Leipzig gingen der Klage des Vermieters Proteste voraus. Während ein Sprecher der in Hamburg ansässigen Vermieterin noch am Tag der Eröffnung tönte: »So lange die ihre Miete zahlen, werden wir sie nicht rausschmeißen«, flatterte bereits fünf Tage später Meusel die Kündigung durch eben jene Impala GmbH ins Haus.

Der wird ob der Geschwindigkeit des Umschwenkens wohl einigermaßen überrascht gewesen sein, war er doch noch am Eröffnungstag höchstpersönlich vor Ort und schenkte seinen Mitarbeitern Sekt aus. Aber da wird er auch etwas von den Protesten mitbekommen haben; Anwohner und Antifaschisten zeigten Präsenz, selbst Lokalpolitiker von Grünen, SPD und der Linken verteilten vor dem Laden Infomaterial, Protestschreiben wurden an das Unternehmen gerichtet und der Bürgermeister des Bezirks Mitte, Christian Hanke (SPD), bot der Vermieterin Impala GmbH seine Unterstützung an. Dazu gab es massive Aufmerksamkeit durch lokale Medien. All das wird der Vermieterin wohl zuviel der schlechten Werbung gewesen sein, die vielschichtigen Proteste durch unterschiedliche gesellschaftliche Gruppen und Multiplikatoren verfehlte ihre Wirkung nicht. Auch gegen die zweite »Thor-Steinar«-Filiale in Berlin, dem »Doorbreaker«, läuft inzwischen eine Räumungsklage am Berliner Landgericht. Der Vermieter, das »Ringcenter«, reichte diese am 10. November 2008 ein, die Verhandlung steht noch aus.

Dresden/Hamburg: Keine Rechtsstreits

Weitere »Thor Steinar«-Filialen finden sich in Dresden, Hamburg und Nürnberg. Während das »Larvik« in Dresden seit August 2008 in neuen, zentral gelegenen Verkaufsräumen weder durch große Protestaktionen oder Räumungsaufforderungen gestört wird, musste das am 25. September 2008 eröffnete »Brevik« die HSH-Shoppingpassage in Hamburg aufgrund massiver Proteste bereits nach einem guten Monat wieder räumen. Gerüchten zufolge kassierte die Protex GmbH für diese vorzeitige Auflösung des Mietverhältnisses 800.000 Euro. Am 28. November 2008 eröffnete mit dem »Tønsberg« in Nürnberg eine neue Filiale von »Thor Steinar«. Dem vorausgegangen war der »Thor Steinar« Newsletter vom 12. November 2008 in dem es heißt »Thor Steinar sucht Ladenflächen vom Eigentümer«. Gesucht wird nach Verkaufsräumen zwischen 80 und 100 m2 in allen Landeshauptstädten. Für eine erfolgreiche Vermittlung mit abgeschlossenem Mietvertrag werden 1.000 Euro als Warengutschein versprochen.

Norwegen vs. »Thor Steinar« und Heckler & Koch vs. »Thor Steinar«

In diesem Jahr stand Meusel noch weiterer Ärger in Form von Gerichtsverfahren ins Haus. Das Land Norwegen versuchte auf die Firma und die Bundesrepublik einzuwirken, dass auf den Accessoires von »Thor Steinar« keine Flagge des Landes mehr verwendet werden dürfe. So hieß es, man beanstande die »widerrechtliche Verwendung staatlicher Hoheitszeichen«. Der staatliche Vertreter Norwegens Andreas Gaarder betonte weiterhin, dass sein Land nicht von Rechtsextremisten benutzt werden wolle und zeigte sich hochzufrieden, dass in Deutschland viele Menschen gegen »Thor Steinar« aktiv seien. Der Fall wanderte schließlich zum Amtsgericht Potsdam, nachdem Uwe Meusel zuvor eine Bußgeldforderung in Höhe von 2.000 Euro erhielt und gegen diese Widerspruch einlegte. Jedoch erklärte sich das Amtsgericht für nicht zuständig und gab den Fall an die Staatsanwaltschaft Bonn weiter. Des weiteren teilt die Mediatex GmbH auf einer ihrer Internetseiten mit, dass man der norwegischen Regierung versichert habe, ohnehin künftig auf das Benutzen der norwegischen Flagge zu verzichten. Es bleibt nun unklar, ob und wann weiter verhandelt wird.

Erst im Oktober diesen Jahres hat zudem das Waffen-Unternehmen »Heckler und Koch«, das »Pistolen und Maschinengewehre für den Einsatz im Bereich Landesverteidigung« herstellt, sein Anwaltsbüro eingeschaltet, um der Mediatex GmbH die Nutzung des  Sturmgewehrs »G 36«  als T-Shirt-Aufdruck »Hausbesuch« zu untersagen. Mittels dieser Abmahnung will sich das Unternehmen klar von der politischen Aufladung, die »Thor Steinar« anhängt, abgrenzen. Anders als bei konkreten Markenrechtsverletzungen, dürfte ein juristisches Vorgehen gegen Mediatex in diesem Fall schwierig werden, denn  das besagte Kollektionsstück zeigt lediglich die Silhouette der »G 36«, nicht aber Logo und Typenbezeichnung. Daher gelte laut einem Sprecher von Heckler & Koch in diesem Fall das »allgemeine Wirtschaftsrecht«, nach welchem die Klägerin schwerwiegendere Beweise vorlegen muss, als bei Markenrechtsstreits.

»Thor Steinar« goes Dubai ?

Spekulationen gibt es indes um die Eigentumsverhältnisse der Mediatex GmbH. So soll die Firma im November 2008 an einen Investor aus Dubai gegangen sein. In dem Handelsregisterauszug »HRB 16853 P« vom Amtsgericht Potsdam wird der 30jährige Mohammed M. Aweidah aus Dubai als neuer Geschäftsführer genannt. Sein Vorgänger Axel Kopelke war im September 2007 ausgeschieden. Die Alleinvertretungsbefugnis bleibt jedoch weiterhin bei Uwe Meusel aus Niederlehme. Grund für die Umfirmierung dürften steuerrechtliche Vorteile auf Grundlage des Abkommens zur Vermeidung von Doppelbesteuerung zwischen Deutschland und den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE) sein.

Outro

Das »Thor-Steinar«-Firmen-Geflecht macht einen Großteil seines Umsatzes immer noch über den Internetversand. Mit den mittlerweile fünf Filialen verfolgt Meusel offensichtlich nicht originär kurzfristige Profitinteressen, vielmehr müssen sie als Teil einer Imagekampagne verstanden werden, mit dem Ziel, den schlechten Ruf abzuschütteln und neue, unbedarfte KäuferInnenschichten zu erschließen.

Die juristischen Mittel, mit denen dieser Strategie ein Strich durch die Rechnung gemacht wurde und wird, sind begrüßenswert. Sie sind zudem in jedem der beschriebenen Fälle Konsequenz zivilgesellschaftlicher und antifaschistischer Intervention. Es ist klar, dass politische Einstellungen nicht mittels Gerichtsurteilen verändert oder »bekämpft« werden können. Der Fall »Thor Steinar« führt vor Augen, dass die schleichende gesellschaftliche Normalisierung rechter Symboliken und Botschaften jedoch be- oder verhindert werden kann. Konsequentes Engagement ist dabei maßgeblicher Auslöser staatlichen Handels und wird in diesem Sinne keineswegs überflüssig. Jenen, die sich nicht auf staatliche Institutionen verlassen möchten oder gar als die »Handlanger« des Staates dastehen möchten, steht es immer noch frei, selbst aktiv zu werden.

Bisher scheute Meusel die gerichtlichen Auseinandersetzungen um seine Läden nicht. Die Hoffnung auf Erfolg dürfte vor allem mit dem Urteil des OLG Naumburg jedoch erheblich getrübt sein. Jetzt kommt nur noch der Gang vor den Bundesgerichtshof infrage. Diesen Gang hat Rainer Schmidt aus Zeesen für die Mediatex GmbH am 4. Dezember 2008 per Pressemitteilung bekannt gegeben: »Letzlich musste das OLG Naumburg angesichts seiner Urteilsfindung die Revision zum Bundesgerichtshof zulassen, damit die höchste Instanz darüber entscheidet, ob die negative Darstellung der Geschäftstätigkeit eines potentiellen Mieters von Gewerberäumen, unabhängig davon ob sie inhaltlich richtig oder falsch ist, diesen zur Offenlegung des Geschäftszwecks bei Mietvertragsabschluß verpflichtet oder nicht.« Wenn der Bundesgerichtshof allerdings das Urteil des sachsen-anhaltinischen OLG bestätigt, wäre ein Präzedenzfall geschaffen, der es VermieterInnen bei ähnlich gelagerten Fällen einfach machen dürfte, »Thor-Steinar«-Filialen loszuwerden.

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