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Drei Söhne Bremens

Einleitung

In den letzten Jahren hat sich in Bremen eine gut organisierte gewaltbereite rechte Szene gebildet, die über vielfältige Kontakte verfügt. Am Beispiel der Gebrüder Ostendorf soll diese näher beleuchtet werden.

Foto: recherche-nord.de

Henrik Ostendorf (links) zusammen mit dem NPD-Ordnerdienstleiter Manfred Börm (rechts) bei einer Neonazidemonstration 2005 in Dresden.

Der Sportsfreund

Der Jüngste der drei Brüder Ostendorf ist Marten. Der Mitte zwanzig jährige betreibt seit Herbst letzten Jahres den Laden Sportsfreund in der Bremer Innenstadt. In diesem vertreibt er Body-Builder Food ebenso wie in der rechten Szene beliebte Marken wie Yakuza, Thor Steinar oder Sportsfreund und Ausrüstung für Kampfsport oder Hooligan Aktivitäten.

Gebäck, Gewalt, Gebrüll

Sein Bruder Hannes hingegen gibt sich bei seinen geschäftlichen Aktivitäten etwas bürgerlicher. Er betreibt seit letztem Jahr das Bistro »Baguette de France« in Lilienthal bei Bremen. Im Gegensatz zu seinem jüngeren Bruder ist er durch seine Aktivitäten seit Jahrzehnten bekannt. Schon als Heranwachsender war er in der Neonazi-Schlägerbande »Penny-Crew« im Bremer Westen aktiv. Für den Höhepunkt der Gewalt, einen Brandanschlag Anfang der neunziger Jahre auf ein von nichtdeutschen bewohntes Haus, wurde er, rechtskräftig verurteilt. Er schien daraufhin seine Persönlichkeit in den radikalen Neonazi und in den »unpolitischen« Hooligan zu spalten. Der Neonazi wurde der Rechtsrock-Band »Nahkampf« zugerechnet und wirkte lediglich in der eigenen Szene.

Der »unpolitische« Hooligan war  Sänger der Band »Kategorie C« und Anhänger der Bremer Hooligantruppe »Standarte88«. Konzerte der Band fanden in den letzten fünf Jahren in ganz Deutschland und auch im europäischen Ausland statt. Die Besucherzahlen lagen meist im Bereich von zweihundert Personen. Ein gewisser Erfolg stellte sich ein, da es der Band gelang trotz eindeutiger Kontakte sich Unwissenden immer wieder als Fußballprojekt zu verkaufen. Dies ging soweit, daß sie im Februar 2002 als Vorband der populären Hardcoreband Biohazard spielen sollten. Durch antifaschistische Intervention und Aufklärung konnte diese Etablierung erfolgreich verhindert werden. Mehrere Konzerte fanden deshalb in Vereinsheimen von Motorradclubs und nicht in bekannten Konzertorten und Discos statt. Auffallend war hier, daß es offensichtlich keine Nähe zu einem bestimmten Club gab, sondern quer durch die Szene getourt wurde. So fand ein Konzert im Treff des Gremium MC in Bremerhaven und ein anderes am 13. Oktober 2001 im Vereinsheim der Blazes in Brinkum, die später zu den Bandidos wechselten statt. Im August 2004 löst sich »KC die Band« auf.

Hooligans und Rocker

Zwei neue Projekte entstehen: »vollKontaCt« und »KC-hungrige Wölfe«. Ein halbes Jahr später wird ein Konzert von »KC-hungrige Wölfe« in Lüneburg verboten, in Folge dessen wollen die Veranstalter aus dem »Temple of Football« eine Demonstration gegen das Verbot durchführen. Diese wird ebenfalls verboten. Einige rechte Schläger lassen sich davon nicht beeinflussen und greifen in der Innenstadt einige Jugendliche an, die sie für Antifaschisten halten. Nach diesem Angriff werden sie von Antifaschisten in eine Gaststätte gejagt, wo sie sich bis zum Eintreffen der Polizei verbarrikadieren. Bei der anschließenden polizeilichen Personalienkontrolle ist auch Martin Elsner der Betreiber des Hastedter Ladens »Sieg oder Spielabbruch« und des Versandes »90 Minuten« unter den mutmaßlichen Tatverdächtigen. Er war auch Mitorganisator einer »Hooligan-Demonstration« in Berlin.

Am 4. Juni 2005 kommt es zu einem neuen Highlight der Bremer Hooliganszene, denn die »Standarte 88« und die »City Warriors« feiern gemeinsam ihr 15-jähriges Bestehen. Mit von der Partie sind auch Mitglieder des  Gremium MC und den Bremer Hells Angels ebenso wie Hooligans aus Deutschland und Spanien. Mit zweihundert Personen wird unter Bannern mit Keltenkreuzen und der Beteiligung bekannter Neonaziaktivisten bis in die frühen Morgenstunden an der Flaniermeile Bremens auf einem Partyschiff gefeiert. Im Juni 2005 wird der Versand »Heimdall-Shop« des Bremen-Norders Lutz Henze von der Polizei durchsucht. Sichergestellt werden Exemplare des zur Weltmeisterschaft erscheinenden Fußballsamplers »zu Gast bei uns«. Mit auf der, vom damaligen stellvertretenden Kreisvorsitzenden der NPD, vertriebenen CD, sind »KC-hungrige Wölfe«.

Hannes Ostendorf tritt, mit musikalischer Unterstützung der Band Agitator aus Göttingen, beim Pressefest der »Deutschen Stimme« in Dresden Pappritz auf, sowie auf der Demonstration für den inhaftierten Landsersänger Michael »Lunikoff« Regener in Berlin. Beim absingen von »ich bin mit Leib und Seele Nazi«, was in Dresden noch problemlos über die Bühne ging, wird der Sänger von Agitator von der Berliner Polizei in Gewahrsam genommen. Selbst die Ordner der NPD können dies nicht verhindern. Unter den Demonstranten befinden sich die Anhänger der »Standarte 88« Hooligans Andre S. und Henrik Ostendorf.

Von Partei bis Schlägerei

Henrik Ostendorf ist der Älteste der drei Brüder. Mittlerweile arbeitet er beim Versand des NPD Parteiorgans »Deutsche Stimme« im sächsischen Riesa als Produktentwickler. Er ist seit geraumer Zeit in der Neonazi Szene aktiv und eine Schnittstelle zwischen Subkultur und Partei. Er ist Halter der Wort- und Bildmarke »Ian Stuart Donaldson«1 und tourte durch die USA, um über das NPD Verbotsverfahren zu referieren. Er dürfte es sein, der Hooligans mit zu Ordnerdiensten auf Parteiaufmärschen bringt. Henrik Ostendorf soll sich darüber hinaus immer wieder an Angriffen auf Linke und Fussballfans beteiligt haben. Am 20. Januar 2007 überfallen ungefähr 25 Hooligans und Neonazis eine Party von Ultras im Ostkurvensaal des Weserstadions. Regionale Antifaschisten berichteten, dass auch Andre S. und Hannes Ostendorf vor Ort gewesen sein sollen. Es gibt mehrere Verletzte auf Seiten der Ultras, die ärztlich versorgt werden müssen. Die Angst in der Bremer Ultra Szene bewirkt, dass sich im nachhinein zunächst, trotz über einhundert Anwesenden, keiner traut als Zeuge aufzutreten. Schon einige Wochen später, am 24. April diesen Jahres, kommt es zu einem erneuten Angriff. Nachdem einige Hooligans erfolglos versucht haben die Fans des FC St. Pauli zu attackieren, greifen sie einzelne Personen, die scheinbar von dem Anti-Antifa-Aktivisten Andreas H. ("Hacki") als Linke identifiziert werden, an. Ihre Jagd gipfelt in zwei Angriffen auf ein Jugendzentrum, in dem an diesem Abend ein Punkkonzert stattfindet. Der zweite Angriff wird von einem Teil der anwesenden BesucherInnen rechtzeitig bemerkt und die Neonazis aus dem Stadtteil verjagt.

Bremen antifaschistisch

Es zeigt sich am Beispiel der Hansestadt, dass antifaschistische Gegenwehr immer wieder mit unterschiedlichen Mitteln die Neonaziszene stark in ihren Handlungsmöglichkeiten einschränkt, und ihnen den Bewegungsraum verkleinert. Es bleibt zu hoffen, dass die vielfältigen Aktivitäten fortgesetzt und erweitert werden, denn der rechten Szene gelingt es trotz antifaschistischer Intervention ihre gesellschaftlichen Einfluß zu vergrößern. Eine Kampagne gegen die Geschäfte der rechten Szene wäre hier ein geeignetes Mittel. Wobei sich breite Bündnisse von Antifagruppen mit den Gewerkschaften, wie das gegen den Neonaziaufmarsch am 4. November 2006, bewährt haben.beleuchtet werden.

  • 1Ian Stuart Donaldson war Sänger und Kopf der Neonaziband »Skrewdriver« sowie Gründer des Neonazinetzwerks »Blood & Honour«. Er starb 1993 bei einem Autounfall