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Dresden im Februar – weit mehr als ein rechter Grossaufmarsch

Einleitung

Über 2.000 Vertriebene, Alt- und Neonazis marschierten am 14. Februar 2004 nahezu ungestört durch Dresden. Dieser Aufmarsch hat inzwischen sowohl für die rechtsradikale Szene als auch für Teile des rechtskonservativen Flügels bundesweite Bedeutung.

Historie

Anlass der alljährlich stattfindenden Demonstration ist die Bombardierung Dresdens durch die Alliierten in der Nacht vom 13. Februar zum 14. Fe­bruar 1945. Um diese ranken sich in der Elbestadt seit Jahrzehnten My­then. So wird die Opferzahl verzehnfacht, der Angriff als grausam und sinnlos betitelt.

Bereits zu DDR-Zeiten wurde die Bombardierung genutzt, um politische Propaganda zu betreiben. In den Fünfziger Jahren wurde von offizieller Seite behauptet, die Zerstörung Dres­dens hätte stattgefunden, um den Sowjets kaputte Städte zu hinterlassen. Ignoriert wurde, dass auch die Option der Zerstörung Dresdens zwischen allen alliierten Kräften abgesprochen war.

Der Sinn und Zweck der späten Bombar­dierung wird bis heute bestritten. Fakten wie, dass Dresden auch zu dieser Zeit wichtiger Lieferant und Umschlagplatz für kriegswichtige Güter war, werden seit jeher geleugnet. Auch, dass mehreren hundert Juden einzig durch das Bombarde­ment das Leben gerettet wurde, wird schlichtweg ignoriert1 .

Die Zerstörung Dresdens wird vor allen Dingen seit der Wende zum Anlass genommen, um einen Opfer­mythos zu zelebrieren, der die Deut­schen als gleichwertige Opfer des Krieges definiert. In diesem neuen deutschen Diskurs wird nicht die Tä­ter­­­schaft geleugnet, aber Ver­brechen relativiert und gleichgestellt.

Dresden heute

Der 13. Februar heutzutage bedeutet, dass sich der Oberbürgermeister der Stadt, Abgeordnete aller Fraktionen, Vertreter von Polizei und Bundeswehr, der Landtagspräsident, hunderte Bür­gerInnen und mehr als ein Dutzend regionale Neonazis am Morgen zum Kranzabwurf auf dem Heidefriedhof versammeln. Die dort zu DDR-Zeiten errichtete Gedenkstätte2 stellt anhand von Stelen sieben zerstörte Städte und sieben Konzentrationslager gleich­­­berechtigt nebeneinander. Neben Orten wie Leningrad, Coventry, Bu­chen­wald und Auschwitz findet sich Dresden in der Wahrnehmung als »ebenbürtiges Opfer des Krieges«.

In dieser Geschichtsschreibung sind sich  die VertreterInnen von Stadt und Land, die Dresdner BürgerInnen und die Nazis einig. Deshalb ist es nicht verwunderlich, dass es alljährlich keine Distanzierung von offizieller Seite gegenüber den stadtbekannten Neonazis gibt. Es trauern eben alle um die deutschen Opfer.

In diesem Trauereinheitsbrei, der nicht differenziert zwischen den Ursachen der Bombardierung und deren Auswirkungen, sondern immer nur von Unrecht und Grausamkeit spricht, der als Gipfel der Verhöhnung aus dem Angriff – nicht aus dem Nationalsozialismus – die Essenz des »Nie wieder Krieg« zieht, fühlen sich alte und neue Nazis geborgen. Ein ideologischer Anknüpfungspunkt, der ihnen so in Deutschland sonst nicht geboten wird.

Das Ereignis selbst

Seit 1998 zur Tradition geworden, ziehen am Abend des 13. Februar Nazis im Fackelmarsch durch die Stadt. Dieses Jahr sollten die Teilnehmer­zahlen des Vorjahres, wo sich an einem Donnerstag etwa 1.200 zum Trauerzug eingefunden hatten, noch getoppt werden. Es wurde somit von Naziseite ein Demonstrations­mara­thon angeboten. So marschierten bereits am Abend des 13. Februar 180 Nazis beim traditionellen Fackelumzug durch die Stadt. Für den 14. Februar hatte die Junge Landsmannschaft Ostpreussen3 , die bereits die Demonstration am Vortag angemeldet hatte, zum Trauermarsch aufgerufen. Ungeachtet aller Szene­streitigkeiten demonstrierten An­hänger der DSU, DVU, NPD, Republi­kaner und Kameradschaften in trauter Eintracht mit klassischer Musik, schwarzen Luftballons und schwarzen Fahnen. Das übliche Alkoholverbot wurde diesmal ergänzt durch ein Handy-, Rauch- und Parolenverbot4 . Was einigen angesichts des teilweise lautstarken antifaschistischen Wider­stands sichtlich schwer fiel.

Insgesamt war der 14. Februar für AntifaschistInnen ein stundenlanges »Katz-und-Maus-Spiel« mit der Poli­zei, die ihre volle Aufmerksamkeit den linken Gegenaktivitäten und nicht der Umsetzung der Auflagen der Nazidemonstration gewidmet hatte. Eine bürgerliche Demonstration fand Stunden vor Beginn weitab vom Aufmarsch statt. Antifaschistische Gegenaktivitäten kamen bis auf wenige Ausnahmen, vor allem aufgrund massiv erteilter Platzverweise, kaum zur Geltung.

Antifaschistische Aktivitäten

Bereits in der Woche zuvor fand eine Veranstaltungsreihe unter dem Titel »Deutschland trau(er)t sich wieder« statt. Diese wurde zwar wie erwartet weitestgehend von den Dresdnern, abgesehen von einigen Nazis, ignoriert, versuchte aber Akzente gegen den vor Ort herrschenden revisionistischen Diskurs zu setzen.

„Den deutschen Opfermythos im Visier – Gegen jeden Geschichtsre­vi­sio­nis­mus“ – so das Motto der De­mon­s­­­­tration am Abend des 13. Fe­bruar. Thematisiert wurde, anhand des Um­gangs mit der Bombardierung Dres­dens, die Einreihung der Deut­schen in die Opfer des Nationalsozialismus als ein Schwerpunkt neuer nationaler Identität. 500 DemonstrantInnen stell­ten sich der Verfälschung der Geschichte durch vergangene und gegenwärtige Historiographie entgegen und zogen sehr zum Ärgernis der Stadt und ihrer BewohnerInnen mit Partymusik durch Dresden.

Für den darauffolgenden Tag war im Zuge des angekündigten Nazigross­auf­marsches eine Gegendemonstra­tion angemeldet worden. Dem Aufruf5 , dass es genug zu tun gibt für diejenigen, die nach wie vor die Befreiung vom Nationalsozialismus für richtig und die Bekämpfung von Naziauf­märschen für wichtig halten, schlossen sich gerade einmal 400 Antifas an. Die Ignoranz weiter Teile der Antifaszene bzw. die haarsträubenden Begründungen um sich nicht an einer antifaschistischen Mobilisierung zu beteiligen, haben wohl überwiegend zu dem Desaster am 14. Februar beigetragen. Eine Linke, die sich einerseits gegenseitig mit Begrifflich­keiten von antisemitisch und anti­deutsch zu diffamieren versucht, konnte diese Tage nicht bewältigen.

Ausblick

Die offensichtliche Rückbesinnung der Nazis auf Grossaufmärsche, die bereits bis Mitte der Neunziger Jahre stattfanden, wird in der Antifaszene bisher unzureichend wahrgenommen. Nicht anders ist es zu erklären, dass die Nazis in Wunsiedel und Dresden nahezu ohne linken Protest marschieren konnten.

Antifaschistischer Widerstand kann in Bezug auf rechtsradikale Aktivi­täten nur erfolgreich sein, wenn er einerseits die symbolträchtigen Gross­er­eig­nisse6 angreift und andererseits die regionalen Naziaktionen nicht aus den Augen verliert. Gerade damit es nicht zu einer Fokussierung antifaschistischer Arbeit auf rechte High­lights kommt, sind die Gruppen vor Ort auf Unterstützung angewiesen.

Was sich nach Platitüde anhört, ist bitter notwendig und bei weitem keine Selbstverständlichkeit mehr. Die Antifaszene muss für Ereignisse, wo tausende Nazis sich ungestört treffen, gemeinsam denken und agieren. In dem Wissen, dass das Inte­resse für antifaschistische Arbeit eher rückläufig ist und die Probleme vor Ort nicht weniger werden, müssen wir im Zuge von Vernetzungen Konzepte finden, um Großereignissen wirksam entgegentreten zu können. Die Bri­sanz dieser symbolträchtigen und für die rechtsradikale Szene nach innen extrem stärkenden Erlebnisse erfordert vor allem eine kritische Reflek­tion eigener Konzepte.

Im Februar 2005 jährt sich die Bombardierung zum 60. Mal. Neben zahlreichen revisionistischen Veran­stal­tungen der Stadt und engagierten BürgerInnen werden auch die Neonazis wieder zu Tausenden erscheinen. Auf ein offensives antifaschistisches Auftre­ten gegen jede Art von Geschichtsrevisionismus bleibt zu hoffen.

  • 1Für den 14. 02.1945 bestand ein Deporta­tions­befehl für alle noch in Dresden ver­blie­benen Juden des sog. Juden­lagers Hellerau
  • 2Ursprünglich von den Nazis als Helden­gedenkstätte in Form eines Thing-Kreises für die Soldaten des I. Weltkrieges geplant
  • 3Anmelder war der bekannte Neonazi Alexander Kleber
  • 4Selbst die Hände durften nicht in den Taschen bleiben
  • 5Mobilisierungsaufruf »Nazitränen satt – gegen jeden Ge­schichts­revisionismus«
  • 6Gemeint sind hiermit Wunsiedel, Dresden, der 1. Mai und das »Deutsche Stimme Pressefest« – alles Ereignisse, welche mehrere tausend Nazis mobilisieren.