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Einfach nur eine Skinhead-Band

Einleitung

Skinheadparty für Neonazis und »Unpolitische«: Endstufe aus Bremen

Ein "Endstufe" Fan bei einem Konzert im "Skinhouse" in Menfis im Juli 2006.

Um ein letztes Mal auf das Foto von Sebastian Walkenhorst von Stomper 98 mit Jens Brandt von Endstufe vom April 2008 zu kommen: Brandt ist einer der »prominentesten« Neonazimusiker Deutschlands, seine Nähe zum militanten Neonazi-Netzwerk der Hammerskins war zeitweise offenkundig. Wieso stört es ihn eigentlich nicht, mit dem Musiker einer »antirassistischen« Band, zudem ein Abtrünniger aus den eigenen Reihen, auf einem Foto zu stehen?

Etliche Male sind Endstufe in den vorausgegangenen Artikeln erwähnt worden. Das ist kein Zufall. Die Bremer Band ist die dienstälteste deutsche Neonaziband und hat eine »Skinhead-Credibility«, die weit über den Kern der Neonaziszene hinaus reicht. Endstufe bewerben sich auf ihrer Homepage mit den Worten: »WIR SIND EINE SKINHEAD BAND! NICHT MEHR UND NICHT WENIGER!« Mit Textaussagen wie »Saufen, Weiber, kurzes Haar, das Leben ist so wunderbar« (Song »Großstadt-Patrioten« von 1994) können sich viele identifizieren. Da steht Politik hinten an.

Since 1981

Im Jahr 1981 gründeten vier Bremer um Jens Brandt die Band Endstufe. Nach einer kurzen Anfangsphase als Punkband wurden sie Skinheads und spielten fortan OI-Musik. Thematisch stehen seit diesen Tagen Skinhead-Sein, Gewalt und proletarische Attitüde im Mittelpunkt der Texte. »Von der Arbeit kommst Du nach Haus, ziehst erstmal deine dreckigen Arbeitsstiefel aus, springst in deine Martens rein, denn du bist stolz darauf, ein Deutscher zu sein. Wenn du mich nicht magst, dann sag es mir, aber eins, mein Freund, das merke dir: Ich bin Skinhead – ist doch klar, Ich find mich einfach wunderbar. Ich kann Kommunismus nicht ertragen und Punkern in die Fresse schlagen, Oi!« heißt es in dem Lied »Skinhead« von 1987, das zu einer Hymne der rechten Skinheadszene in Deutschland wurde. Insbesondere früheren Texten mangelt es nicht an Deutlichkeit: »Doctor Martens, kurze Haare, das ist arisch keine Frage. Nieder mit dem Mischmasch-Blut, denn das tut dem Vaterland nicht gut. Haltet rein die Deutsche Rasse, denn wir sind die Arierklasse« sang die Band im Lied »Deutsche Rasse« von 1984.

Erst Party dann Politik

Charakteristisch für die Texte von Endstufe ist jedoch, dass viele Lieder ohne eine explizite politische Botschaft auskommen oder sich allenfalls in symbolhaften Anspielungen erschöpfen. Nach ihrem politischen Selbstverständnis gefragt, antwortete die Band 1992: »Also ich sehe das so, dass wir in erster Linie mal ‘ne Skinhead-Band sind. Die 3 Bandmitglieder haben darüber hinaus total verschiedene politische Ansichten. Ich würde uns als deutschfreundliche Band bezeichnen«1 um an anderer Stelle zu betonen, dass »wir Skinhead in erster Linie als Lebenseinstellung sehen und nicht als politische Bewegung«. Selbst als sich Jens Brandt Mitte der 1990er Jahre den Hammerskins anschloss, blieb alles wie gehabt. Die Endstufe-Lieder dieser Jahre heißen »Der Kult«, »Skinhead«, »Filmriss« oder »Zehn Kisten Haake Beck« mit Texten wie: »In der Schule war’n wir keine Streber, Sex und Party war’n uns immer lieber«2 . Endstufe zelebrieren die Party und sorgen selbst für spektakuläre Events: Mit Dutzenden AnhängerInnen aus Deutschland spielten sie 1998 auf Mallorca ein Konzert in einer Disco, 2009 ging es mit Fan-Tross nach Rio de Janeiro zu einem extrem rechten »Skincore-Festival«.

Großstadtpatrioten und Fans

In Deutschland war es immer schwieriger geworden, Konzerte durchzuführen, immer häufiger wurden diese von der Polizei verhindert. Um Verbote und Konzertauflösungen zu vermeiden, ging man im thüringischen Neonazitreffpunkt Skinhouse Menfis dazu über, extrem rechte Bands unter falschem Namen auftreten zu lassen. (Vgl: AIB 73) Auf dem Werbeflyer für ein im September 2009 stattgefundenes »Wikinger Festival«, organisiert vom Kreis des Skinhouse Menfis, war die Band »Großstadtpatrioten« angekündigt. Die Fans wussten freilich, wer sich hinter dem Namen verbarg, denn 1994 hatten Endstufe ja einen Song »Großstadt-Patrioten« veröffentlicht. Die Behörden waren wieder einmal überrumpelt und schritten nicht ein. Die Party verlief prächtig.

Endstufe hat enorme Strahlkraft. Von Bremen bis Thüringen bis Baden-Württemberg haben sie einen Fankreis, der mit ihnen Parties und Konzerte ausrichtet und bis nach Brasilien fliegt. Der Kreis um die Band Gehörbetoibung aus Bretten (bei Karlsruhe) stellt die südwestdeutsche Fan-Bastion von Endstufe. Auch sie wissen, wie und wo man Party und Politik trennen sollte. In Bretten traten sie in den vergangenen Jahren als Macher der Partys »Sounds of Bretten« auf, die extreme Rechte aus Nah und Fern mit »unpolitischen« Musikfans und einzelnen Grüppchen Punks zusammenführte. Die Partys wurden öffentlich beworben, ihr unpolitischer Charakter wurde stets betont.

Sounds-of-Bretten-Macher Alexander C. zeigte sich bei den Events schon mal im Dress von Stomper 98, auf einem England-Ausflug 2009 wiederum in einem Shirt mit dem Konterfei von Adolf Hitler und dem Spruch »Hitler European Tour 1939 bis 1945«. Die Sounds of Bretten-Partys wurden im April 2009 eingestellt. Ein Jahr später, am 17. April 2010, trat Endstufe wieder in der Gegend auf – im ehemaligen Gasthaus »Rössle« in Rheinmünster-Söllingen, das die NPD zu ihrem Treffpunkt ausgebaut hatte. Als Mitveranstaltende und »Endstufe-Crew« traten nun Personen aus dem Kreis der Nachfolgestruktur von Blood & Honour in Erscheinung.

Kult der Beliebigkeit

Wieso hat nun Jens Brandt kein Problem, sich mit Walkenhorst zum gemeinsamen Foto aufzustellen, wieso wird in der neonazistischen Szene daran kaum Kritik laut? Endstufe leben den Kult, Endstufe sind Kult. Der »Way of Life«, die Sucht nach der Skinhead-Party und der narzisstischen Selbstinszenierung, verbindet selbst die, die sich auf gegnerischen politischen Seiten wähnen. Das kann Christian Schröer nachdrücklich bestätigen. In Bremen als Skinhead sozialisiert, bewegte er sich Mitte der 1990er Jahre im Kreis von Endstufe und half dort, so erzählen ehemalige Bekannte, gelegentlich an der Gitarre aus. Er zog nach Berlin und kam dort in einem OI-Milieu unter, das mit »Rechten« nicht viel anfangen wollte. Über die »unpolitische« Band Double Torture landete er bei der Streetpunk-Band Toxpack, die im Kreuzberger Milieu verankert ist. Mit Toxpack spielte Schröer 2002 eine Single ein, schrieb hierfür auch Texte.

Zurück in Bremen um das Jahr 2006 schloss er sich erneut Endstufe an, deren fester Gitarrist er heute ist. Schröer war niemals ein politischer Kopf. Sein Leben besteht seit über 15 Jahren aus exzessiver Skinhead-Party »mit allem was dazugehört«, wie ehemalige Kameraden betonen. Schröer hat seine Lebenswelt nie geändert, er wechselte darin nur die Bands und mit ihnen fast beiläufig die politischen Labels. Toxpack verwahren sich davor, mit extremen Rechten in Verbindung gebracht zu werden. Sie verweisen darauf, auf ihren Konzerten konsequent gegen Neonazis vorzugehen und unter anderem dafür gesorgt zu haben, dass Musiker von Endstufe vom Punk & Disorderly-Festival in Berlin im April 2010 entfernt wurden.

  • 1Interview in Clockwork Orange, Nr. 23, Februar 1992
  • 2»Unser Leben« von der CD »Mit den Jungs auf Tour«, 2002