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Gemeinnützige Relativierung von Kriegsschuld und Holocaust?

Einleitung

Neuere Entwicklung bei der Staats- und Wirtschaftspolitischen Gesellschaft e.V.

Bild: attenzione-photo.com

Eine Saalveranstaltung der "Staats- und Wirtschaftspolitischen Gesellschaft" (SWG) im März 2005 in Kiel.

Vor gut zwei Jahren gab es bei der etwas angestaubten Staats- und Wirtschaftspolitischen Gesellschaft e.V. (SWG) einen Generationenwechsel und den Versuch einer Ausdehnung. Inzwischen steht die Bildungsorganisation der extremen Rechten allerdings nach einigen Skandalen ohne Räume da. Gemeinnützig soll sie nach Willen des Hamburger Senates trotzdem bleiben.

Die SWG ist außer in Schleswig-Holstein hauptsächlich in Hamburg tätig und hier auch im Vereinsregister eingetragen. Sie veranstaltet Vorträge und gibt jährlich das »Deutschland-Journal« mit der Dokumentation von Vorträgen und eigenen Beiträgen heraus. Zu den Veranstaltungen kommen meist mehrere Dutzend, zu den jährlichen Seminartagen auch über 100 Personen aus dem Spektrum von CDU, über Vertriebene und Korporierte bis hin zu DVU und NPD.  Besonders enge Kontakte gibt es zur »Landsmannschaft Ostpreußen« und deren »Preußische Allgemeine Zeitung«, sowie zur »Jungen Freiheit«. Artikel aus beiden Zeitungen werden häufig auf die SWG-eigene Homepage gesetzt. Die SWG wurde 1962 von ehemaligen Aktivisten des Hitler-Regimes gegründet.

Im Laufe der fast 50-jährigen Vereinsgeschichte engagierten sich hier ehemalige Angehörige von NSDAP, SA und SS, Vertriebenenpolitiker, Vordenker der sog. Neuen Rechten und Personen die von den Inlandsgeheimdiensten als »rechtsextremistisch« eingeordnet werden, aber auch Funktionäre und Mitglieder aus den Unionsparteien und dem konservativen Establishment. Thematische Schwerpunkte sind u.a. die Leugnung der deutschen Schuld am Zweiten Weltkrieg, die »Ehrenrettung« von Wehrmacht und Waffen-SS, die Rückgewinnung der ehemaligen deutschen Ostgebiete und die Relativierung des Holocausts.

Immer für einen Skandal gut

Der derzeitige Vorsitzende der SWG, Prof. Menno Aden schrieb z.B. dieses Jahr in einem Beitrag zum Auschwitz-Gedenktag über die sechs Millionen ermordeten Juden: »Seriöse Historiker nennen heute ganz andere Zahlen, man traut sich nur nicht, sie entgegenzuhalten ... denn sie sind geradezu strafbar gering.«

Ein Oberst a. D. Manfred Backerra leitete zehn Jahre lang die Hamburger Sektion der SWG. Er behauptete 2006 in einem Vertriebenenblatt: »Einheiten der Waffen-SS kämpften ritterlich.« Der ehemalige Dozent für Militärisches Nachrichtenwesen der Bundeswehr erhielt schon für seine SWG-Aktivitäten 2004 Hausverbot vom ehemaligen Arbeitgeber, der Führungsakademie der Bundeswehr.

2008 lud die Kieler SWG-Filiale den Russen Wjatscheslaw Daschitschew ein,  eine internationale Größe der extremen Rechten. Der Kieler SWG-Leiter Stephan Ehmke, CDU-Ratsherr, behauptete hinterher, man hätte nicht gewusst, wen man da eingeladen hätte – wenig glaubhaft, denn die SWG veröffentlichte schon 2004 einen Artikel von Daschitschew, in dem dieser sein Engagement für die DVU rechtfertigte. Von einem »wichtigen Scharnier zwischen Konservatismus und Rechtsextremismus« sprach denn auch unlängst Prof. Wolfgang Gessenharter, emeritierter Rechtsextremismusexperte, in Bezug auf die SWG.

Generationenwechsel

»Regioleiter« Manfred Backerra übergab nun im Juni 2009 die Amstgeschäfte an den deutlich jüngeren Torsten Uhrhammer. Dieser führte die SWG-Veranstaltungen schon seit Anfang 2009 unter dem neuen Titel »Hamburger Freiheitsgespräche« (HF) durch. Über die Ausdehnung des Interessentenkreises auf »akademische Verbindungen und andere der SWG geistig nahe stehenden Institutionen« sei es gelungen mehr und jüngere Teilnehmer anzuziehen, so Backerra. Tatsächlich machte die SWG ihre Vorträge unter dem neuen Titel jetzt in Kooperation mit dem »Institut für Staatspolitik« (IfS) und einem Lesertreffen Hamburg der Zeitschrift »Sezession«. Neben Uhrhammer, einem ehemaligen Mitglied der Schill-Partei und zuvor der DVU, lud zeitweise auch ein Justus Burgdorf von der »Landsmannschaft Mecklenburgia Rostock« (LMR) zu den Treffen ein.

Die LMR, eine schlagende Verbindung aus dem Coburger Convent, stellte in den letzten zwei Jahren auch die Räume für die HF, an denen neben alten Bekannten auch Waffenstudenten der LMR und der berüchtigten Hamburger »Burschenschaft Germania« teilnahmen. Bei den HF referierten in den letzten Jahren Personen wie: Götz Kubitschek und Dr. Erik Lehnert (IfS), Thomas Paulwitz (Deutsche Sprachwelt), Felix Menzel (Blaue Narzisse) und Harald Seubert (Studienzentrum Weikersheim).

Anfang diesen Jahres wurde bekannt, dass den Freiheitsgesprächen auch Personen aus dem Umfeld der NPD lauschen, die LMR schon 1993 in einem vertraulichem Verfassungsschutzbericht als »zumindest rechtsextremistisch beeinflusst« galt und ein Horst Szychowiak, Alter Herr der LMR, sich für die Germania einsetzte. Dies war insbesondere für Herrn Szychowiak peinlich, denn er ist ein leitender Mitarbeiter des Norddeutschen Rundfunks. 

Wir müssen leider draußen bleiben...

Wohl auf seine Veranlassung hin zog man bei der Mecklenburgia die Notbremse und kündigte der SWG im Frühjahr diesen Jahres die Räume. Die SWG setzte allerdings noch einen drauf und lud für ihre nächste Veranstaltung nun ausgerechnet die rechte Anwältin Gisa Pahl in das Hotel Baseler Hof ein – selbstverständlich ohne das Hotel über Pahls langjährige Tätigkeit für die Neonaziszene zu informieren (vgl. AIB 78). Als das Hamburger Bündnis gegen Rechts das Hotel, dessen Tradition auf ein christliches Hospiz zurückgeht und dessen Trägerstiftung im Nationalsozialismus von der Gestapo verboten wurde, über die Hintergründe von Frau Pahl und die Veranstalter informierte, wurde die SWG zum zweiten Mal ausgeladen und stand nun gänzlich ohne Räume da.

Geheimdienst und Senat gucken zu

Die SWG dürfte in Hamburg zukünftig Schwierigkeiten haben, repräsentative Räumlichkeiten zu finden, wenn selbst so verlässliche Partner wie reaktionäre Studentenverbindungen auf Distanz gehen (müssen). Auch weitere Kooperationspartner scheinen der SWG jüngst abhanden gekommen zu sein. Zu den letzten Freiheitsgesprächen lud die schwarz-braune Gesellschaft jedenfalls alleine ein. So erfolgreich antifaschistische Intervention in diesem Falle war, umso bedauerlicher ist die offizielle Reaktion.

Eine kleine Anfrage an den neuen Hamburger SPD-Senat bezüglich der jüngsten Vorgänge um die SWG blieb im Wesentlichen unbeantwortet. Zu »Anhaltspunkten für den Verdacht auf rechtsextremistische Aktivitäten« wolle man nur dem Geheimdienstauschuss berichten.

Trotz der personellen, organisatorischen und ideologischen Überschneidungen der SWG mit der extremen Rechten hält der Senat sogar deren Gemeinnützigkeit auf »materiellem, geistigem oder sittlichem Gebiet« für erwiesen. Die antimuslimischen, geschichtsrevisionistischen und antisemitischen Äußerungen in den Veranstaltungen, Publikationen und Internetbeiträgen werden in der Satzung der SWG als »Pflege der rassischen und religiösen Toleranz« verbrämt – und der Hamburger Senat bescheinigt mit Berufung auf eben diesen Passus den Rassefreunden die Gemeinnützigkeit im Sinne der Völkerverständigung. Die Tätigkeiten der SWG werden also weiterhin über absetzbare Steuergelder von der öffentlichen Hand gefördert – dies ist der eigentliche Skandal.