Hooligans als Neonazi-Rollkommandos
Viele Fußballhooligans in der griechischen Hauptstadt Athen driften derzeit nach rechtsaußen ab. In den letzten Monaten kam es aus ihren Reihen heraus zu zahlreichen Angriffen auf Linke und AusländerInnen – mit Molotov-Cocktails wurden besetzte Häuser angegriffen sowie etliche Menschen auf offener Straße attackiert und durch Messerstiche verletzt. Hintergrund ist ein stärker werdender Nationalismus in der Szene, der durch neonazistische Gruppen geschürt wird. Seit dem Herbst letzten Jahres rollt eine Welle neonazistischer Gewalt über Athen, in einer Intensität, die völlig neu ist für die griechische Hauptstadt. Die Übergriffe werden spontan verübt und verlaufen nach dem immer gleichen Muster: Eine Gruppe rechter Hools läuft durch die Straßen, trifft auf Alternative oder AusländerInnen und greift diese dann an. Oft kommt es dabei zu schweren Verletzungen durch Messerstiche. Am 19. März etwa griffen sechs Neonazis, mit Hakenkreuzabzeichen an den Jacken ausstaffiert, ein für sein alternatives Publikum bekanntes Café an. Drei Menschen werden verletzt, einer davon schwer. Zwei Wochen vorher wurden zwei Ausländer von einem Dutzend Rechter im Stadtzentrum zusammengeschlagen. Am 21. April wurden zwei Personen aus der anarchistischen Szene attackiert und einer mit einem Messer verletzt.
Molotov-Cocktails gegen besetzte Häuser
Hinzu kommen kommandoartig organisierte militante Angriffe auf Alternativzentren. Am 19. April wurde das besetzte Sozialzentrum LK37 von zehn mit Motorradhelmen vermummten Neonazis überfallen. Die Angreifer waren mit Messern und Schlagstöcken bewaffnet und versuchten mit Molotov-Cocktails das Haus in Brand zu stecken. Zwei Personen aus dem LK37 wurden niedergestochen. Ähnliches hatte sich einen Monat vorher, am 13. März, ereignet: Nach einem Fußballspiel wurde die Villa Amalia, das größte besetzte Haus Athens, von etwa 25 Neonazis angegriffen. Auch hier wurde ein Molotov-Cocktail auf das Haus geworfen. Die Übergriffe finden bislang keinerlei Widerhall in der Presse der Hauptstadt. Nur Übergriffe auf Ausländer wurden einige Male erwähnt. Der rassistische Hintergrund blieb jedoch unerwähnt – es habe sich jeweils um Kämpfe zwischen rivalisierenden Gangs gehandelt. Die Polizei hat bisher keine nennenswerten Ermittlungserfolge vorzuweisen. Weil die Einsatzkräfte immer erst nach den Angriffen auf die besetzten Häuser vor Ort erschienen, wird von Seiten der BesetzerInnen vermutet, dass Neonazis und Polizei in Absprache miteinander handeln.
Hooligans driften nach rechts ab
Bis ins Jahr 2004 war neonazistisch motivierte Gewalt in Athen ein seltenes Phänomen. Die Gründe für die derzeitige Übergriffswelle, so sind sich BeobachterInnen sicher, sind in den jüngsten Entwicklungen in der Athener Hooliganszene zu suchen. Bisher waren die Hooligans von Vereinen wie Panathinaikos oder Olympiakos politisch eher uninteressiert – nur die Randale untereinander und mit der Polizei nach den Fußballspielen zählte. In den letzten Monaten stieg in Teilen der Hoolszene jedoch der Einfluss schon bestehender rechtsextremer Fangruppen, die ihre Agitation in den Stadien ausweiteten. Die Γαλαζια Στρατια / Galazia Stratia (»Blaue Armee«) ist einer der größten dieser rechtsextremen Hooligan-Zusammenschlüsse. Flugzettel mit Parolen wie »Albaner raus« oder »Deutschland über alles« werden von ihnen in den Stadien verteilt und gezielt versucht, Anhänger zu gewinnen. Mit der einsetzenden Politisierung nach rechts geht auch der Wille und das nötige Selbstbewusstsein einher, die Gewalt aus dem Fußballkontext auf die Straße zu verlegen. Auch neonazistische Aufkleber und Sprühereien sind neuerdings im Athener Straßenbild zu finden.