Neonazigewalt hinter polizeilicher Deckung
Rechtsanwalt Harry Ladis (Griechenland)Die Beziehungen zwischen der griechischen Polizei und den griechischen Faschisten beziehungsweise Neofaschisten haben seit jeher feste Wurzeln. Anders als in anderen Ländern ist das Zusammenwirken ungehindert auch nach der siebenjährigen Militärjunta (1967–1974) weitergegangen.
In den 1980er Jahren waren die Junta-Erinnerungen in der Bevölkerung noch zu frisch, als dass die griechischen Neofaschisten hätten offen auf treten können. Nur vereinzelte Überbleibsel sammelten ihren mageren Stimmenanteil bei den Nationalwahlen und gerieten dann erneut wieder in Vergessenheit. In den 1990er Jahren kam jedoch eine Wende. Die griechische Gesellschaft bot einen fruchtbaren Boden für deren Ideologie, bedient wurde diese durch nationalistische Massendemonstrationen, durch die chauvinistische Rhetorik um den Namen des benachbarten Mazedoniens, zum Teil durch die Hetze gegen die albanischen MigrantInnen, welche in großer Anzahl eingewandert waren, um dem Elend des Hodja-Regimes zu entfliehen.
Schläger, Polizisten und Parlamentarier
Im Jahre 1993 trat vor diesem Hintergrund die Frontorganisation der griechischen Neofaschisten »Chrisi Avgi« (Goldenes Morgengrauen) an die Öffentlichkeit. Formell wurde die Partei im Anschluss an eine seit 1980 erscheinende gleichnamige Zeitung 1985 gegründet. 1993 wurde sie als Partei registriert und dient vor allem als Sammelbecken für rechte Schläger. Zum einen organisierten sie blitzartige Angriffe auf einzelne Personen der Linken. Sie griffen mit Schlagstöcken, Messern und Eisenstangen an und verschwanden sofort. Diese Angriffe wurden offiziell dementiert, doch der selbsternannte »Führer« dieser Bande, Vasilis Michaloliakos, der schon in den 1970er Jahren wegen einer Bombenexplosion in einem Kino vorbestraft ist, hat als explizites Ziel seiner Organisation die »Vorherrschaft auf dem Bürgersteig« angekündigt.
Andererseits erschien man oft bei gewalttätigen Auseinandersetzungen oder Hochschulbesetzungen von griechischen Antiautoritären/Anarchisten und agierte dort unter dem Deckmantel des »empörten Bürgers«. Dies geschah stets hinter den Reihen des polizeilichen Sondereinsatzkommandos der MAT, dieses hat in hoher Anzahl persönliche Sympathie für die Gruppe oder gehört ihr sogar selber an. In den letzten Jahren haben sich diese Übergriffe deutlich vervielfacht. Einen institutionellen Antrieb bot im September 2007 der Einzug der ultrarechten Partei LAOS1 ins Parlament. Mit 3,8 Prozent kam LAOS knapp über die 3Prozent-Hürde und durfte 10 Parlamentssitze besetzen. Es war das erste Mal nach 1977, dass eine offen extrem rechte Partei wieder salonfähig wurde. Mindestens sechs der zehn Parlamentarier sind bekannte Neofaschisten und Ultranationalisten, mit deren Unterstützung die Straßenschläger rechnen können, obwohl das beiderseits nach außen verneint wird.
Eine Hand wäscht die andere
Der griechischen Polizei kommt die gegenwärtige Neonazigewalt nicht ungelegen, da sie auch gegen deren Widersacher vorgeht, ohne dass das in Kritik geratene Polizei-Image weitere Strapazen erleidet. Die Polizei hat in den letzten zwei Jahren wegen ihrer nicht eleganten Handlungsart bei Demonstrationen und auf den Polizeirevieren einen erheblichen Imageverlust erlitten. Betroffen sind einerseits Linke und AnarchistInnen und andererseits Menschen nichtgriechischer Herkunft. Sogenannte Ausländerwohnungen sind in den letzten Monaten oft von Neofaschisten angegriffen worden und somit manche Stadtbezirke »bereinigt« worden, wobei die Täter in provokativer Straffreiheit handeln.
Endgültig offengelegt wurde dieser Umstand durch die Vorfälle des 3. Februars 2008. Die Vorgeschichte ist ein sinnloser Streit im Januar 1996 zwischen Griechenland und der Türkei um die unbewohnte Insel Imia.2 Keine Hakenkreuze und Junta-Parolen mehr, sondern ein patriotischer Zwischenfall bietet den Anlass für eine öffentliche Präsenz im Zentrum von Athen. In den letzten Jahren konnte dieses Gedenken manchmal von AntifaschistInnen behindert bzw. verhindert werden. Als sie dieses Jahr den Versammlungsplatz erreichten, erwartete sie eine Truppe von kampfbereiten behelmten Neofaschisten, die über eine Bewaffnung von Messern, Eisenstangen und Elektroschock-Geräten verfügten. Rund um den ganzen Platz hatte sich ein starkes MAT-Aufgebot postiert, das den bewaffneten Neofaschisten als Schutzschild diente. Die Folge war katastrophal: Hunderte Pressebilder zeigen gemischte Gruppen von Polizisten und Neofaschisten, welche die versammelten AntifaschistInnen gemeinsam attackierten. Tränengasgranaten und Knüppel der Polizeibeamten und die Messer und Eisenstangen vom parastaatlichen Apparat führten zu einem Schlachtfeld mit vielen Verletzten durch Messerstiche und Platzwunden. Nach den Auseinandersetzungen hatten die AntifaschistInnen Zuflucht in der Universität gesucht und die lokale Staatsanwaltschaft verbot alle Demonstrationen in der Stadt. Als die AntifaschistInnen am Abend geschlossen abziehen wollten, griff die Polizei sie erneut ohne Grund äußerst brutal an.
Beweise tauchen auf
Nicht gerechnet hatten die Beteiligten offensichtlich mit den anwesenden Fotografen und der Macht des Internets. Im Internetportal Indymedia Athen zirkulierten bereits am Tag darauf Bilder, die Neofaschisten und MAT-Polizisten beim freundlichen Gespräch vor der Auseinandersetzung zeigten und Fotos von einem Polizeiwagen, von dem rechte Schläger Waffen an sich nahmen. Als am 16. März Neofaschisten zu einer abendlichen Demonstration in Thessaloniki mobilisierten, planten AntifaschistInnen schon ab morgens den Platz zu besetzen. Doch die circa 80 Neofaschisten, die MAT und die Zivilpolizei waren offensichtlich schon vorab informiert worden. Diejenigen die weiterhin an einem direkten Informationsaustausch zwischen Neofaschisten und Polizeiteilen zweifelten, wurden kurze Zeit später eines besseren belehrt. Eine Gruppe von AntifaschistInnen hatte einen lokal bekannten Neofaschisten in einem Lokal erkannt und hinausgeworfen. In seiner Hast ließ er seinen USB-Stick zurück.
Die Daten waren überraschend: Der Neofaschist war von Beruf Polizist und verfügte auf seinem USB-Stick neben den üblichen Nazibildern auch über Protokolle der Abteilung der Zivilpolizei für den Verfassungsschutz mit Namen und Autokennzeichen von Anarchisten, Beobachtungsprotokolle über Bürgerinitiativen und autonome antifaschistische Gruppen. Die gefundenen Bilder und Akten wurden zwar breit in der Presse veröffentlicht, trotzdem zog niemand Konsequenzen daraus, was die Selbstverständlichkeit der Erscheinung offensichtlich werden lässt. Dass sich Polizisten nachweislich privat beim Hitlergruß fotografieren lassen, scheint die griechische Öffentlichkeit tatsächlich nicht zu überraschen.
Unter so einer politischen und medialen Deckung darf die Partei Chrisi Avgi zuversichtlich in die Zukunft blicken. Auf ihrer Homepage rühmt sie sich, im ersten Halbjahr 2008 den Vorstand der ENF (European National Front) übernommen zu haben, einem Bündnis unter anderen der deutschen NPD, der spanischen La Falange, der rumänischen Noua Dreapta und der italienischen Forza Nuova, dem sie vor kurzem beigetreten ist. Deutsche Gäste, wie etwa Udo Voigt, zählen zu ihren beliebten Rednern. Der Widerspruch, einerseits auf die nationale Unabhängigkeit zu pochen und gleichzeitig die Besatzungstruppen der nationalsozialistischen Wehrmacht und der Waffen-SS zu verehren, scheint die griechischen Neofaschisten nicht weiter zu stören.3 Schlägereien unter polizeilicher Deckung scheinen eher ihre Sache, als sich an solchen Kleinigkeiten und Widersprüchen zu stören.
- 1Laikós Orthódoxos Synagermós ist in etwa mit Orthodoxe Volkszusammenkunft zu übersetzen.
- 2Ein Ereignis, dem die griechischen Neofaschisten gedenken und zu dem sie ihre Nationalscham kundtun. Drei griechische Soldaten kamen ums Leben und die türkische Luftwaffe konnte ihre Flagge auf der Insel aufhängen.
- 3So sollen nach Angaben griechischer Antifagruppe am 2. Juni 2007 (Anti-G8 Demonstration) die griechischen Neofaschisten George Dimitroulias (Golden Dawn / Patriotic Alliance) aus Kalmata, Alexandra B. und Nikolaos M. nach Deutschland gereist sein.